Alkoholverbot & Sperrstunde: „Clubs zum Buhmann zu machen ist hilflos und schräg“
Dilek Kalayci (SPD) will Clubs hart kontrollieren und den Ausschank von Alkohol einschränken. Doch für so drastische Maßnahmen fehlen die Grundlagen, kritisieren Grüne und Linke.

Die Infektionszahlen in Berlin sind hoch – ebenso wie die Sorge vor einem neuen Shutdown. Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) macht dafür vor allem junge Feierwütige und Clubs verantwortlich. Die Berliner Clubs aber haben nach wie vor geschlossen, jene mit Outdoor-Bereich bespielen in der Regel nur die Außenfläche. Kultursenator Klaus Lederer (Linke) verteidigte die Clubszene am Mittwoch: „Clubs zum Buhmann zu machen ist hilflos und schräg“, twitterte er. Die Lobbyorganisation Clubcommission agiere verantwortungsvoll, einen regulären Clubbetrieb gebe es derzeit nicht. Mit Blick auf die von drei Bezirken angekündigten verstärkten Clubkontrollen fragt Lederer: „Was soll das?“
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Nicht nur mit dem Fingerzeig auf die Clubszene macht Kalayci die Koalitionspartner im Senat ratlos. Erneut schlägt die SPD-Gesundheitssenatorin ein Alkoholverbot als Eindämmungsmaßnahme vor. Der Senat hat ein solches Verbot auf Drängen von Kalayci bereits im August beraten und es als sinnlos verworfen. Seitdem habe sich nichts verändert, hieß es am Mittwoch aus leicht genervten Senatskreisen. Ein Verbot führe nur zu Verschiebungen, nicht zur Lösung des Problems.
So sieht es auch Carsten Schatz, Fraktionsvorsitzender der Linken: „Ich halte gar nichts von einem Alkoholverbot“, sagte er der Berliner Zeitung am Mittwoch. „Wir müssen jetzt erst einmal genau auswerten: Wo kommen die Neuinfektionen genau her?“ Die Datenlage zurzeit – für die Kalaycis Gesundheitsverwaltung zuständig ist – ließe nicht mehr zu als „gefühltes Wissen“.
Auf dieser Basis könne man keine Verschärfungen beschließen
Genauso sieht es Grünen-Fraktionsvorsitzende Silke Gebel: „Fünf Monate nach Beginn der Pandemie sollte Frau Kalayci mal Politik nach Statistik machen und nicht nach dem Bauch.“ Die Datenlage sei schlecht, Übersichtszahlen zu Ansteckung in Clubs oder Gastronomie gebe es gar nicht, auf dieser Basis könne man keine Verschärfungen beschließen. Nach wie vor gingen die Gesundheitsämter im Fall von Infektionen und Ausbrüchen außerdem unterschiedlich vor. Statt bei den Clubs verortet Gebel das Problem eher in Kalaycis Gesundheitsbehörde: „Wir brauchen endlich einheitliche Vorgänge und valide Daten.“
Die Infektionszahlen sind vor allem in den Innenstadtbezirken Mitte, Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg hoch. Knuth Mildner-Spindler (Linke), Gesundheitsstadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, kennt sie für seinen Bezirk recht genau. „Dass sich die Neuinfektionen in der Innenstadt konzentrieren, hat weniger mit vielen Clubs und Locations zu tun – sondern weil bei uns viele junge Leute wohnen“, sagte er der Berliner Zeitung am Mittwoch. Diese jungen Leute kämen oft aus ganz Europa, bewegten sich selbstverständlich durch Europa, pendelten oft – und fänden noch dazu interessante Events und Orte, um sich in Berlin zu treffen.
Grünen-Fraktionschefin empfiehlt Maskenpflicht in Aufzügen
Mildner-Spindler will die Orte, die bei seinem Gesundheitsamt von Infizierten immer wieder als Aufenthaltsort genannt werden, in den nächsten Wochen besonders in den Blick nehmen. Das Ordnungsamt laufe diese Orte ab – und kontrolliere zum Beispiel, ob Kontaktlisten ordentlich geführt werden und die Gäste auch zu später Stunde noch Maske tragen oder Abstand halten. Bisher habe man in Friedrichshain-Kreuzberg noch keine Einrichtung wegen Verstößen dichtgemacht. „Aber wir werden in der Tat den Bußgeldkatalog noch mal prüfen, darauf, welche Möglichkeiten wir haben.“
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Nach Informationen der Berliner Zeitung ebenfalls in der Diskussion: eine Sperrstunde für Clubs und Bars und eine Erweiterung der Maskenpflicht im öffentlichen Raum. Grünen-Fraktionsvorsitzende Silke Gebel empfiehlt außerdem, den Blick dringend auch auf den privaten und beruflichen Bereich zu wenden. „Wie sehr sind zum Beispiel Aufzüge in Mehrfamilienhäusern ein Thema?“ Aerosole blieben dort lange hängen, die Stadt New York habe deswegen eine Maskenpflicht in Aufzügen erlassen. „Das wäre sinnvoll auch für Berlin.“ Nach wie vor seien außerdem viele Arbeitgeber nachlässig. In der Schule müsse Maske beim Bewegen durch den Raum getragen werden, nur am Platz nicht. „Diese Regeln gelten in der Schule, sie sollten auch an jedem Arbeitsplatz gelten“, so Gebel.