Heftige Vorwürfe gegen Ermittler
Update! Fall Tanja Gräff: War es doch Mord? „Stern TV“ reagiert auf Vorwürfe zu „abgesagtem“ Beitrag
Hinweise auf ein Verbrechen seien ignoriert und teilweise unterschlagen worden, so eine Journalistin, die den Fall akribisch neu aufrollt.

Der Fall von Tanja Gräff weckt dunkle Erinnerungen: Die Studentin war in der Nacht zum 7. Juni 2007 spurlos verschwunden und Jahre später tot aufgefunden worden. Im Jahre 2017 hat die Polizei den Fall zu den Akten gelegt, doch nun kommen verstörende Details an die Öffentlichkeit, die die Ermittlungsarbeit der Polizei in ein düsteres Licht stellen.
Fall Tanja Gräff: Polizeipsychologin beschrieb Studentin als gestörte Trinkerin, die selbstverschuldet starb
Die Journalistin Beate (Bea) Lehr-Metzger hat den Cold Case neu aufgerollt. Sie war am Mittwochabend, 14. Juni, als Studiogast bei „Stern TV“ (RTL) geladen. Sie macht den Ermittlungsbehörden in Rheinland-Pfalz massive Vorwürfe, die sie ausführlich in einem gerade erschienenen Buch erklärt. Für die Recherchen zum Buch verwandte die Dokumentarfilmerin das Pseudonym Claire Sandberg. Die Kernaussagen des Buchs fasst sie auf einer Website zum Fall Tanja Gräff so zusammen: Zehn Jahre nach ihrem Verschwinden wurden die Ermittlungen zur Todesursache 2017 eingestellt.
Meistgelesen
Rezept des Tages
Geniales Rezept für Kartoffelsuppe: So deftig, fein und lecker
Verkehrsvorschau
Achtung, Berlin: Am Freitag sind SECHS S-Bahnen unterbrochen!
Sie war verschwunden
War es Mord? Leiche von vermisster Marie Sophie (14) gefunden
Blick in die Sterne
Horoskop für heute: Freitag, 29. September 2023 – für alle Sternzeichen
Lesen Sie auch: Horoskop für heute: Donnerstag, der 15. Juni 2023 – für alle Sternzeichen >>
Doch dann, so erklärt es Lehr-Metzger gegenüber dem Berliner KURIER am Mittwochnachmittag, sei der „Stern TV“-Beitrag „kurzfristig (heute Morgen) abgesagt“ worden – so kurzfristig, dass der Beitrag auch am Mittwoch noch überall angekündigt stand. „Stern TV“-Redaktionsleiter Jürgen Brand stellte am Donnerstag auf Anfrage klar, der Beitrag sei nicht „gestrichen“, sondern „aus aktuellen, redaktionellen Gründen verschoben“ worden und werde in einer der kommenden Sendungen stattfinden - laut Lehr Metzger „allerdings ohne mich“.
Fall Tanja Gräff: „Stern TV“ streicht Beitrag aus juristischen Gründen
Lehr-Metzger hatte dem Berliner KURIER mitgeteilt, ihr sei lediglich bekannt, dass „nach Bitte um Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Trier“ diese am Dienstagabend die „Stern TV“-Chefredaktion kontaktiert habe. Daraufhin sei es zu einer juristisch bedingten Absage gekommen, deren Gründe sie für „fadenscheinig“ hält.
Die Trierer Staatsanwaltschaft bestätigte dem Berliner KURIER lediglich, sie habe eine Presseanfrage von „Stern TV“ erhalten: „Kontakt mit ‚Stern TV‘ bestand allein im Rahmen einer an die Staatsanwaltschaft Trier gerichteten Presseanfrage zu dem zugrunde liegenden Verfahren, in deren Antwort darauf hingewiesen wurde, dass die Anfrage nicht in der gewünschten Frist bearbeitet werden könne.“ In der von Steffen Hallaschka moderierten Sendung ging es stattdessen ausführlich um die Vorwürfe gegen Rammstein sowie persönliche Begegnungen mit einer Sterbenden. Zuschauenden dürfte das mutmaßliche Fehlen eines Beitrags kaum aufgefallen sein.
So stellt die Autorin den Fall dar: In der Nacht zum 7. Juni 2007 war die Studentin von einem Sommerfest der Fachhochschule Trier spurlos verschwunden. 2015 sei ihre Leiche einen Kilometer vom Partygelände am Fuße des Roten Felsens gefunden worden. Lehr-Metzger zitiert ein psychologisches Gutachten einer Polizei-Psychologin des LKA Mainz, in dem offenbar haarsträubende Dinge zu lesen seien: So soll die damals 21-Jährige „Gewohnheitstrinkerin mit massiver Persönlichkeitsstörung gewesen sein, die dem Leben und seinen Unwägbarkeiten nicht mehr gewachsen war und daher selbstverschuldet zu Tode kam“.
Fall Tanja Gräff: Polizeiermittler sehen sich massiven Vorwürfen ausgesetzt. Spuren ignoriert und vertuscht?
Die Ermittlungsarbeit der Trierer Kriminalpolizei bewert sie als „katastrophal“. Die Fahnder seien Spuren nicht nachgegangen, die Rede ist sogar von einer „vertuschten“ Spur und im Zusammenhang mit dem Persönlichkeitsgutachten von „Ehrverletzung“. Lehr-Metzger stützt sich auf Befragungen von Zeugen und sogar einem Tatverdächtigen und anonym zugespielte Akten, kommt zu dem Schluss, weder für einen Unfall noch für einen Suizid gebe es „valide Beweise“. Hinweise auf ein Verbrechen seien dagegen „ignoriert und teilweise unterschlagen“ worden.
Auch der Presse macht die Autorin Vorwürfe: So hätten Zeitungen die Erzählung einer jungen Trinkerin, die wohl auch Drogen genommen habe, desorientiert, womöglich in suizidaler Absicht, vom Roten Felsen gestürzt, ungeprüft von der Polizei übernommen.
Wandelt sich der Fall Tanja Gräff im Nachhinein zum Polizei-Skandal? Weil der „Stern TV“-Beitrag nicht ausgestrahlt wird, wird sich zeigen, ob die Reaktionen auf die Absage Wirkung entfalten. Die Autorin ist sich sicher, dass sie ihre Vorwürfe anhand des Aktenmaterials belegen kann. Das im April erschienene Buch der beiden Autorinnen „Tanja Gräff: Ein ungeklärter Fall“ ist weiterhin im Buchhandel erhältlich, wurde zwar bislang wenig beachtet, wird aber in Amazon-Rezensionen als „sehr gutes, fundiertes Werk“ empfohlen.
Auch 16 Jahre nach ihrem Verschwinden schlägt der Fall Tanja Gräff noch hohe Wellen – muss er neu aufgerollt werden?
Hinweis: In einer früheren Version war von zwei Autorinnen die Rede - Frau Lehr-Metzger stellte jedoch am Donnerstag gegenüber dem Berliner KURIER klar, dass Claire Sandberg das von ihr verwendete Pseudonym ist.