Viele der Luxus-Impfreisen gehen derzeit nach Abu Dhabi. (Symbolbild)
Viele der Luxus-Impfreisen gehen derzeit nach Abu Dhabi. (Symbolbild) Foto: Imago/allOver-MEV

Willkommen in der Welt der Superreichen, willkommen bei Stuart McNeill, der mit seiner in London ansässigen Reise- und Lifestyle-Agentur seinen vermögenden Kunden jedweden Wunsch erfüllt – da mag der eine oder andere Wunsch, wie sich gleich zeigen wird, vielleicht auch ein bisschen unanständig sein. Als Gründer des Knightsbridge Circle, dem wohl exklusivsten Concierge-Service der Welt, genießt McNeill jedenfalls einen legendären Ruf.

Er ist der Mann, der für seine Klientel, die sich aus hundertfachen Millionären und Milliardären zusammensetzt, alles möglich macht. Ein Dinner mit den Liebsten direkt unter Leonardo da Vincis berühmtem Wandgemälde „Das Abendmahl“ im Refektorium des Dominikanerklosters Santa Maria delle Grazie in Mailand? Kein Problem. Der Papst himself soll seinen Segen geben, wenn sie das Ehegelübde mit ihrem Partner erneuern? Wird arrangiert. Sie hätten gern Jennifer Lopez als Showact auf ihrer Sause in einer übers Wochenende gemieteten Traumvilla in Beverly Hills? Wird gebucht.

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Seit Anfang dieses Jahres hat McNeill für seine Member aber einen ganz besonderen Service zu bieten, nämlich einen vierwöchigen Luxus-Trip nach Dubai, Abu Dhabi oder Indien, mit Annehmlichkeiten wie First-Class-Flügen, Butler, Privat-Strand und so fort, aber eben auch mit der Möglichkeit, sich vor Ort gegen eine Erkrankung mit dem Coronavirus impfen zu lassen.

In den Emiraten steht das Vakzin von Pfizer/Biontech beziehungsweise das Mittel des chinesischen Staatsunternehmens Sinopharm bereit, in Indien das Pharmakon von Astrazeneca. Und schon bald soll das Programm um die Destination Marokko erweitert werden.

Für den Moment bieten aber fraglos noch immer die Scheichs am Persischen Golf die besten Rahmenbedingungen für eine unbeschwerte Reise ins Corona-Impf-Glück. Um keine Touristen zu verschrecken, gibt es keinen Lockdown, obwohl Dubai und Abu Dhabi inzwischen als „Hochinzidenzgebiete“ eingestuft werden.

Reisepaket mit Corona-Impfung für 50.000 Euro

Bei Ankunft gibt’s den ersten Schuss, kurz vor der Abreise den zweiten. Kostenpunkt in toto: etwa 45.000 Pfund, also etwas mehr als 50.000 Euro. Das mit den Reisebeschränkungen ist natürlich auch kein Problem. Und die ungewöhnliche Kombination aus Vergnügen und Verimpfung kann ja jederzeit als Geschäftsreise deklariert werden. McNeill spricht von „Pionierarbeit“, ahnend, dass andere aus seiner Branche inzwischen ähnliches im Sinn haben.

„Vaccine Vacation“ nennt man im englischen Sprachraum derartige Extratouren von Menschen, die sich so etwas leisten können und wollen, im deutschen Sprachraum ist in diesem Zusammenhang hingegen vom Impf-Tourismus die Rede. Das ist da wie dort natürlich negativ konnotiert, ruft Ethiker, Moralisten, aber natürlich diejenigen auf den Plan, die Reichen grundsätzlich mit Ressentiments und Vorurteilen begegnen.

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„In der Krise und nun eben bei den Impfungen passiert Folgendes: Die Reichen werden in ihren Verhaltensweisen momenthaft sichtbar, was ja ansonsten nicht der Fall ist. Eben weil das ein Thema von uns allen ist, weil es da plötzlich ein gemeinsames Bedürfnis gibt“, sagt der österreichische Vermögensforscher Martin Schürz, der sich in seinem Buch „Überreichtum“ mit der Psychologie der Superreichen auseinandergesetzt hat.

Es liegt ihm aber fern, so einen Impf-Urlaub als lasterhaft zu verurteilen: „Die Krise macht uns einander ähnlich. Wir alle hoffen ja auf eine schnelle Impfung, der Milliardär genauso wie der Bürgermeister für das Pflegeheim im Ort. Plötzlich bekommt man aber eine Ahnung davon, was in diesen Parallelwelten passiert, man erfährt, wie sich die Vermögenden eine Impfung verschaffen. Im Verborgenen bleibt hingegen, wenn sie sich auf ihrer Privat-Insel in Sicherheit gebracht haben.“

McNeill jedenfalls hat sich gegen etwaige Anfeindungen eher schlecht als recht abgesichert, indem er sich bei der Buchung auf ein Mindestalter von 65 Jahren festgelegt hat. Ausnahmen mache er nur, wenn der Nachweis erbracht wird, dass eine Infektion mit dem Coronavirus aufgrund einer Vorerkrankung die Person in Lebensgefahr bringen könnte. „Wir sehen uns schon verpflichtet, dass wir nur diejenigen, die es wirklich brauchen, mit dem Corona-Impfstoff versorgen. Wenn Sie ein 35 Jahre alter junger Kerl sind, der zweimal am Tag ins Fitnessstudio geht, haben Sie keine Chance, den Corona-Impfstoff durch uns zu bekommen.“

Nachfrage an Impfurlauben ist enorm

Die Nachfrage nach dem Impf-Urlaub ist jedenfalls enorm, wie McNeill vor wenigen Tagen in einem Gespräch mit dem Telegraph berichtete. Sehr wohlhabende Menschen aus aller Welt, aus Schanghai, Kiew, Los Angeles, New York, Kapstadt und so fort hätten ihn kontaktiert, um über ihn an den Stoff, der Leben rettet, zu kommen. Eine Frau aus Australien habe ihn am Telefon geradezu angefleht, für ihre Großeltern eine entsprechende Reise zu organisieren. Über 2000 Anträge auf eine Mitgliedschaft seien innerhalb weniger Tage bei ihm eingegangen.

„Es ist nicht einfach, mit ansehen zu müssen, wie groß die Verzweiflung da draußen ist, aber gleichzeitig nicht allen helfen zu können“, erklärte McNeill, der sein „Lebensrettungsprogramm“ nun aber auch für Nicht-Circle-Mitglieder zugänglich machen will. Sein Team organisiere in diesem Fall ausschließlich die medizinische Versorgung, um Anreise und Unterkunft müsse man sich selbst kümmern. Kostenpunkt für diese Art Impf-Service: etwa 10.000 Pfund, also etwa 11.300 Euro, was die Sache auch für Interessenten aus einer anderen Vermögensklasse erschwinglich werden ließe.

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2012 hat Stuart McNeill sein Unternehmen gegründet, nachdem er zuvor beim Finanzdienstleister American Express laut eigener, ganz bescheidener Aussage wesentlich zum Erfolg der Centurion Card, also der geheimnisumwitterten schwarzen Kreditkarte beigetragen hatte. Mit seiner Agentur steht er nun in Konkurrenz mit einer Reihe von anderen Dienstleistern, die mit ihrem Angebot ebenfalls auf die mitunter überdrehten Bedürfnisse von Millionären und Milliardären zielen.

Die Quintessentially Group, die ihren Hauptsitz wie der Knightsbridge Circle in der englischen Hauptstadt hat, aber weltweit Dependancen unterhält, zählt zu den Mitwerbern, so wie die John Paul Group und die aus Montreal operierende Pure Entertainment Group.

McNeill allerdings hat es geschafft, einen besonders elitären Zirkel an Kunden für sich zu gewinnen, und er will schon im Sommer Dependancen in Monaco und Miami eröffnen. Namen gibt er natürlich nicht preis, dem Vernehmen nach hat man aber nur bei einem Vermögen ab 600 Millionen Pfund (etwa 680 Millionen Euro) aufwärts eine Chance auf eine Aufnahme.

Der Mitgliedsbeitrag von 25.000 Pfund pro Jahr ist bei derartigen Größenordnungen freilich nicht der Rede wert. Ach ja, Geld allein reicht nicht, um in den Genuss dieser 24/7-Rundumversorgung zu kommen. Man braucht, um Mitglied im Circle zu werden, die Empfehlung eines anderen Mitglieds und schlussendlich auch das Okay eines Aufnahme-Komitees.