Angeklagter schweigt

Wie starb die schöne Hanna wirklich?

Wurde die Studentin „aus sexuellen Motiven“ überfallen und getötet? Das ergab die Beweisaufnahme vor Gericht... 

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Ermordet: Hanna wurde nur 23 Jahre alt.
Ermordet: Hanna wurde nur 23 Jahre alt.Polizei

Sie trank, sei feierte – und am Ende des Abends war Hanna tot. Sie wurde nur 23 Jahre alt. Wie starb die schöne Studentin wirklich?

Viele Jahre Gefängnis wegen Mordes - oder Freispruch: Im Indizienprozess um den Tod von Hanna liegen die Auffassungen von Anklage und Verteidigung über die Beweislage nach mehr als 30 Verhandlungstagen weit auseinander. Fast ein Vierteljahr später als ursprünglich angepeilt soll am Dienstag (19. März) vor dem Landgericht Traunstein das Urteil gesprochen werden. Die Staatsanwaltschaft hat für den 22 Jahre alten Angeklagten neuneinhalb Jahre Jugendstrafe wegen Mordes verlangt, die Anwälte des jungen Mannes forderten Freispruch.

Anklage: Täter griff die Studentin „aus sexuellen Motiven“ an

Nicht zuletzt wegen vieler Beweisanträge zog sich das Verfahren hin. Doch auch jetzt ist aus Sicht der Verteidigung nicht erwiesen, was am frühen Morgen des 3. Oktober 2022 geschah. Die 23-jährige Medizinstudentin hatte damals in dem Club „Eiskeller“ in Aschau im Chiemgau gefeiert und sich von dort auf den Weg nach Hause gemacht. Dort kam sie nie an.

Die Anklage geht davon aus, dass der damals 20 Jahre alte Deutsche Hanna auf dem Heimweg aus sexuellen Motiven angriff, schwer verletzte und dann in den Bärbach warf. Laut Obduktion ertrank Hanna in den Fluten. Die Verteidigung sah stets die Möglichkeit, dass die junge Frau, die bei ihrem Tod etwa zwei Promille Alkohol im Blut hatte, ohne fremdes Zutun in den Bach stürzte.

Der Angeklagte im Prozess um die getötete Studentin Hanna schwieg vor Gericht.
Der Angeklagte im Prozess um die getötete Studentin Hanna schwieg vor Gericht.Uwe Lein/dpa

Angeklagter „ohne jeden Zweifel Täter dieses Tötungsdelikts ist“

Der Angeklagte schwieg in dem Verfahren - und verzichtete auch auf sein letztes Wort. Die Plädoyers verfolgte er fast regungslos, mit vor sich gefalteten Händen. Nur beim Plädoyer von Staatsanwalt Wolfgang Fiedler schüttelte er einmal den Kopf.

Der Prozess habe vollumfänglich bestätigt, dass der Angeklagte „ohne jeden Zweifel Täter dieses Tötungsdelikts ist“, sagte Fiedler. Ein Unfall sei ausgeschlossen. Der junge Mann habe in der Zeit vor der Tat zahlreiche Pornos angesehen, in denen es auch um Gewalt ging. Sein Potenzial aus Frust und Aggression habe sich gesteigert und schließlich in der Tat entladen, die eine ganze Region in einen Schockzustand versetzt und für die betroffene Familie alles verändert habe.

Es gebe keine Indizien oder Beweise, die den Angeklagten entlasteten, resümierte der Staatsanwalt. „Sie haben nichts, was gegen diesen Jungen spricht“, hielt Verteidigerin Regina Rick entgegen. Diametral auseinander lagen bis zum Schluss die Sicht auf Beweismittel, auf Aussagen von Zeugen, auf das Verhalten des jungen Mannes.

Im Musikclub Eiskeller unterhalb des Schlosses Aschau feierte Hanna vor ihrem Tod.
Im Musikclub Eiskeller unterhalb des Schlosses Aschau feierte Hanna vor ihrem Tod.Uwe Lein/dpa

Hinweise auf einen möglichen Amoklauf

Die Pflichtverteidiger Harald Baumgärtl und Markus Frank sezierten Aussagen wichtiger Zeuginnen und Zeugen, dröselten teils widersprüchliche Aussagen auf – bis davon kaum etwas übrig zu bleiben schien. Eklatante Punkte passten nicht zusammen, sagte Frank mit Blick auf eine Zeugin. Sein Kollege Baumgärtl sagte über eine andere: „Die Zeugin hat falsche Angaben gemacht, wenn auch durchaus die Möglichkeit besteht, dass sie sich schlichtweg nur geirrt hat.“

Immer wieder rumorte es in dem Verfahren. Ein Befangenheitsantrag gegen das Gericht, eine Strafanzeige wegen des Verdachts einer Weitergabe interner Informationen, Drohungen gegen Verteidiger - und am Tag der Plädoyers verkündete die Vorsitzende Richterin Jacqueline Aßbichler den weit über 100 Menschen im voll besetzten Gerichtssaal auch noch, es habe Hinweise auf einen möglichen Amoklauf gegeben.

Hannas Eltern nahmen als Nebenkläger teil. Immer wieder kämpfte bei den Plädoyers vor allem die Mutter mit den Tränen. Für die Eltern stelle sich „tausendfach die Frage: warum?“, sagte deren Anwalt Walter Holderle in seinem Plädoyer. Diese Frage sei in dem Prozess „bedauerlicherweise unbeantwortet“ geblieben. Die Frage, wer ihre Tochter umgebracht habe, sei hingegen ganz klar beantwortet worden. Er schloss sich somit dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf eine Verurteilung des Angeklagten zu neuneinhalb Jahren Haft an.

Wie auch immer das Urteil ausfällt: Schuldig mit langer Haft oder Freispruch mangels Beweisen – es scheint fast unvermeidbar, dass entweder Staatsanwaltschaft oder Verteidigung Rechtsmittel einlegen. Das letzte Wort wird wohl am Dienstag noch nicht gesprochen sein.