Wie Uran aus der DDR die Sowjetunion zur Atommacht machte
Wie geht es weiter mit dem strahlenden Erbe der Wismut? Der Uran-Bergbau in der DDR ist ein Kapitel Geschichte, das erzählt werden muss.

Der Uran-Bergbau prägte zu DDR-Zeiten ganze Landschaften und das Leben Hunderttausender Menschen in Sachsen und Thüringen. Vor mehr als 30 Jahren wurde er eingestellt. Doch wie wird das ostdeutsche Wismut-Erbe samt seiner vielen Schattenseiten künftig aufgearbeitet und gepflegt?
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Die Wismut, ein geschichtenumwobener Bergbaubetrieb, der Uran förderte und damit Weltgeschichte schrieb: Im atomaren Rüstungswettstreit mit den USA suchte die Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg fieberhaft Uran. Fündig wurde sie in der DDR, in Sachsen und Thüringen. Nach dem harmlosen pinkfarbenen Metall benannt, firmierte das Bergbau-Unternehmen Wismut unter dem Decknamen zu einem der wichtigsten Uran-Produzenten des Ostblocks.
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UdSSR wird Supermacht mithilfe der DDR
Wegen etlicher Sonderrechte galt die Wismut als „Staat im Staat“, heißt es auf der Seite des Stasi-Unterlagen-Archivs. Mit zeitweise mehr als 100.000 Beschäftigten holten Bergleute bis Ende 1990 nach eigenen Angaben mehr als 216.000 Tonnen Uran aus der Erde. Damit machte die Wismut die DDR weltweit zu einem der größten Produzenten des radioaktiven Metalls und ermöglichte der damaligen UdSSR den Aufstieg zur nuklearen Supermacht.
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„Der Abbau des radioaktiven Uranerzes begann bereits ein Jahr nach Kriegsende 1946 unter der dazu gegründeten Staatlichen Aktiengesellschaft der Buntmetallindustrie (SAG) Wismut. Ab 1954 agierte das Unternehmen unter dem Namen Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft (SDAG) Wismut weiter. Die sowjetische Besatzungsmacht verfolgte mit der Wismut das Ziel, möglichst schnell und ohne Rücksicht auf Risiken für Mensch und Umwelt, die deutschen Uranvorkommen auszubeuten“, erklärt ein Überblick zur Geschichte der Wismut des MDR.
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Sperrzone aus Angst vor Spionen
Aus Angst vor Spionage aus dem Westen waren alle Bergbaue als militärisches Sperrgebiet gekennzeichnet. Die Mitarbeiter der Wismut waren strengen Regeln unterworfen. „Die Angst vor durchsickernden Informationen in die Hände der westlichen Geheimdienste war stets präsent im Arbeitsalltag bei der Wismut“, heißt es.
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Im Gegenzug konnten Arbeiter bei der Wismut überdurchschnittlich viel verdienen. 1961 wurde zusätzlich eine gesonderte Altersrente, die Bergmannsrente, durch die SED-Führung eingeführt.

„Kumpeltod“ und Lebensmittel
Die Uranbergleute der SDAG Wismut bekamen doppelt so hohe Lebensmittelrationen wie Arbeiter in der Schwerindustrie und monatlich zwei Liter des legendären „Kumpeltod-Schnaps“.
Doch die Arbeit im Uran-Abbau barg Risiken. Der MDR-Überblick erwähnt eine Kohortenstudie des Bundesamts für Strahlenschutz, die zwischen 1952 und 2014 über 9000 Lungenkrebserkrankungen und rund 17.000 Silikose-Erkrankungen (Quarzstaublunge) bei Wismut-Beschäftigten nachweisen konnte.
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Den Preis für die Atommacht-Bestrebungen der Sowjetunion zahlten viele Menschen mit ihrer Gesundheit oder dem Verlust ihres Zuhauses. Zudem blieben schwere Umweltschäden zurück, die seit rund drei Jahrzehnten mit immensem Aufwand saniert werden müssen.

Dazu ist aus dem einstigen Bergbau- ein bundeseigenes Sanierungsunternehmen geworden: die heutige Wismut GmbH. Bis Ende 2022 kostete die Sanierung rund 7 Milliarden Euro, bis 2050 werden die Gesamtkosten voraussichtlich auf 8,9 Milliarden Euro steigen. Seit drei Jahrzehnten werden nun die Uran-Altlasten saniert, wurden viele Bergbauanlagen plattgemacht.
Wie geht es weiter mit dem Erbe der Wismut?
Über den Umgang mit dem Erbe der Wismut und ihre vielen materiellen und immateriellen Hinterlassenschaften wird diskutiert.
Es gibt Akten, geologische Archivalien samt Mineraliensammlung, das Traditionswesen der Bergleute, Erinnerungen von Zeitzeugen, Gebäude und Stätten vom einstigen Kulturpalast über Kliniken bis hin zu ehemaligen Halden, Schächten und verschwundenen Dörfern. Aber auch Literatur, Filme und mehr als 4000 Kunstwerke – eine der größten Sammlungen betrieblicher Kunstförderung in der DDR.
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Das Deutsche Bergbau-Museum Bochum (DBM) hat vor einigen Jahren das Wismut-Erbe analysiert und ein Konzept mit gut 70 Seiten vorgelegt, wie dieses Erbe für die Zukunft erforscht, zugänglich gemacht und vermittelt werden soll. Und das vor allem mit Blick auf jüngere Generationen, die den Uran-Bergbau selbst nicht miterlebt haben. Einerseits gehe es um Lebensleistung, Identität und Bindung Hunderttausender Beschäftigter, ihrer Familien und Bürger der Region; andererseits um verwüstete Landschaften, Gesundheitsschäden von Menschen und Uran als „eine der Grundlagen des atomaren ‚Gleichgewichts des Schreckens‘“, wie das DBM im Konzept schreibt.

Im Konzept sind auch „Präsentationsorte“ vorgesehen: auf sächsischer Seite Schacht 371 in Hartenstein und die Neue Landschaft im ostthüringischen Ronneburg. Architekturstudenten der Technischen Hochschule Lübeck erarbeiten derzeit ein Konzept für ein Wismut-Erbe-Haus dort.
Neben den beiden Präsentationsorten in Hartenstein und Ronneburg plant die Stiftung ein umfangreiches Digitalportal, auf dem die große Bandbreite des Wismut-Erbes versammelt ist. Nutzer sollen so selbst steuern können, wie tief sie in einzelne Themen eintauchen.
Geschichte der Wismut erleben
Die Sächsische Akademie der Wissenschaften hat bereits ein digitales Forschungsportal zum Wismut-Erbe entwickelt und in einem Projekt rund 50 Interviews mit Zeitzeugen geführt, die online zugänglich sind. Dabei ging es darum, die Lebenswirklichkeit der Menschen, die damals für das Uran-Bergbau-Unternehmen gearbeitet haben, zu erfassen.
Daneben können sich Interessierte schon jetzt auch vor Ort mit der Geschichte des Uran-Bergbaus und seinen Folgen befassen. So etwa im Objekt 90 in Ronneburg, dem Museum Uranbergbau in Bad Schlema oder in Schau- und Besucherbergwerken der Region. 2025, wenn Chemnitz als Kulturhauptstadt Europas viele internationale Gäste anlocken will, soll das Wismut-Erbe ebenso Thema sein.