Eine Insel mit zwei Bergen : Vor 60 Jahren erschien die Geschichte von Jim Knopf
Die berühmte Abenteuergeschichte um Jim Knopf und die Insel Lummerland kennt jeder. Am Sonntag wird sie 60 Jahre alt – und wird auch kritisch gesehen.

Lummerland, Frau Waas, Besserwisser Ärmel: Die Geschichte fängt auf einer Insel mit zwei Bergen, einem Päckchen und einem Baby darin an und sie endet in einem Abenteuer. Am Sonntag wird das Kinderbuch „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ 60 Jahre alt. Bekannt ist es wie eh und je: Die Geschichte um den kleinen Jungen und den Lokführer begleitet noch heute viele Kinder.
Dabei war es zu Beginn nicht klar, ob das Werk jemals erscheinen wird. Der Autor Michael Ende (1929–1995), ein Künstlersohn aus München, schrieb das Buch und hatte damals nicht mehr viel Geld, wie sich Literaturagent und Freund Roman Hocke erinnert. Sein erstes Buch musste sofort erfolgreich werden. Doch die Verlage, denen Michael Ende das mehr als 500 Seiten starke Manuskript anbot, waren skeptisch: Ein Kinderbuch in dieser Länge war für viele undenkbar.

Ein Dutzend Verlage lehnten das Manuskript ab. Doch Lotte Weitbrecht vom Thienemann-Verlag in Stuttgart erkannte das Potenzial der Geschichte mit dem Scheinriesen Tur Tur und dem Halbdrachen Nepomuk. Die Bedingung war aber, dass Ende das bereits Geschriebene in zwei Teile aufspaltet. Am 9. August 1960 erschien der erste Band. Zwei Jahre später folgte „Jim Knopf und die Wilde 13“.
Aber das hat der Geschichte nicht geschadet, denn sie wird nach dem Erscheinen gefeiert. Das erste Jim-Knopf-Buch erhält 1961 den Deutschen Jugendliteraturpreis. Später wird es von der Augsburger Puppenkiste verfilmt und von einem großen Publikum im Fernsehen gesehen. Mittlerweile wurden die Bände in 33 Sprachen übersetzt.
Dass Personen damals als „Indianerjunge“ und „Eskimokind“ bezeichnet wurden, stößt heute teils auf Kritik: Eine Kita-Leiterin aus Hamburg kritisierte in einem Interview der „Zeit“, wie die Geschichte um den dunkelhäutigen Jim Knopf viele Klischees reproduziere. „Jim Knopf ist so, wie sich Weiße ein lustiges, freches, schwarzes Kind vorstellen.“

Vor allem die Passage, in der Jim mit dem N-Wort bezeichnet wird, ist umstritten. Der Verlag will das rassistische Wort vorerst erhalten. „Kein Verlag kann und wird ohne Rücksprache und Zustimmung des Autors oder seiner Erben in einen Text eingreifen“, sagt Verlegerin Bärbel Dorweiler.
Für den Verlag sei auch die Gesamtaussage entscheidend: Mit der Befreiung einer „bunten Gruppe von Kindern unterschiedlichster Herkunft aus der Herrschaft des bösen Drachen“ werde eine Gegengeschichte zur nationalsozialistischen Rassenideologie aufgezeigt. Außerdem komme das Wort nur in einer Szene vor, sagt Hocke. „Man muss sich doch fragen, warum er das Wort bei einem schwarzen Kind nur einmal auf siebenhundert Seiten benutzt. Ich denke, Ende hat ein Gespür gehabt, dass man das Wort nicht zu oft benutzen sollte“, sagt Roman Hocke.
Hocke deutet Jim als typisches Kind mit Unklarheiten, Fragen und Abenteuerlust – unabhängig davon ob es schwarz ist. Liest man das Werk Endes noch in 60 Jahren? „Ich weiß es nicht, ob man ihn in 60 Jahren noch liest. Das wird unsere Gesellschaft entscheiden, aber ich finde, das Buch ist ein Plädoyer fürs Miteinander.“