Nach langem Prozess

Lina E.: Linksextremisten wollen Millionenschaden für jedes Haftjahr

Nach Angriffen auf Rechtsextreme und einem langen Prozess ist die verurteilte Linksextremistin Lina E. freigelassen worden. Doch stoppt das die Unterstützer?

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Lina E. wurde nach Ende des Prozesses freigelassen.
Lina E. wurde nach Ende des Prozesses freigelassen.Jens Schlueter/AFP

Skandal nach dem Urteil! Die zu fünf Jahren Haft verurteilte mutmaßliche Linksextremistin Lina E. wurde am Mittwoch vorerst freigelassen. Dabei kommt ihr eine juristische Regelung zugute.

Die Verteidigung von Lina E. kündigte Revision an, das Strafmaß sei viel zu hoch, sagte Verteidiger Ulrich von Klinggräff. „Die Haftverschonung war längst überfällig.“

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E., die wegen der Beteiligung an mehreren gewalttätigen Angriffen auf Rechtsextreme zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt wurde, kommt nach zweieinhalb Jahren Untersuchungshaft zunächst auf freien Fuß.

In Leipzig kam es bereits zu Ausschreitungen nach der Urteilsverkündung.
In Leipzig kam es bereits zu Ausschreitungen nach der Urteilsverkündung.Jan Woitas/dpa

Lina E. muss Reststrafe erst antreten, wenn Urteil rechtsgültig ist

Der Haftbefehl für die 28-jährige Studentin wurde unter Auflagen außer Vollzug gesetzt. Die Reststrafe muss sie erst verbüßen, wenn das Urteil rechtskräftig ist. Das Gericht ließ eine Revision zu.

Gegen die drei Mitbeschuldigten von Lina E. verhängte die Staatsschutzkammer Freiheitsstrafen zwischen zwei Jahren fünf Monaten und drei Jahren drei Monaten. Nach Ansicht der Kammer sind Lina E. und ein gleichaltriger Mann der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung schuldig; ein 37-Jähriger und ein weiterer 28-Jähriger wegen deren Unterstützung. E. und zwei der Männer mussten sich zudem wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten, der andere wegen einer Beihilfe dazu.

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Der Generalbundesanwalt warf den Beschuldigten vor, zwischen 2018 und 2020 tatsächliche oder vermeintliche Anhänger der rechten Szene in Leipzig, Wurzen und Eisenach brutal zusammengeschlagen zu haben. Ein Kronzeuge hatte sie belastet. Er berichtete von regelmäßigen Trainings für die Angriffe. Laut Anklage wurden 13 Menschen verletzt, zwei davon potenziell lebensbedrohlich.

Strafmilderung wegen Berichterstattung in den Medien

Strafmildernd wirkte bei Lina E., dass sie nicht vorbestraft ist und schon seit zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft sitzt. Richter Hans Schlüter-Staats sieht bei ihr auch die Persönlichkeitsrechte durch die mediale Berichterstattung verletzt und sprach von einer Vorverurteilung. Allerdings räumte das Gericht der 28-Jährigen eine hervorgehobene Bedeutung in der Gruppierung ein.

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Richter Schlüter-Staats befasste sich zudem mit dem Vorwurf der Verteidigung, das Verfahren sei ein „politischer Prozess“, und stimmte dem sogar zu. Die Taten seien aus einer politischen Motivation heraus begangen worden - dem Kampf gegen den Faschismus. Von rechter Gewalt gehe derzeit die größte Gefahr in Deutschland aus. Sich Rechtsextremen entgegenzustellen sei ein „achtenswertes Motiv“, rechtfertige aber nicht die angeklagten Fälle. „Es bleiben schwere Straftaten.“

Im Gerichtssaal feierten die Unterstützer der Angeklagten das Urteil mit Jubel und Applaus. Die Stimmung im Gerichtssaal war aufgeheizt, Sprechchöre ertönten, und der Vorsitzende Richter wurde als „Fascho-Freund“ bezeichnet und Unterstützer geißelten die „Scheiß-Klassenjustiz“. 

Linke Demonstranten zogen am Mittwochabend auch durch Berlin.
Linke Demonstranten zogen am Mittwochabend auch durch Berlin.Dominik Totaro/TNN/dpa

Sicherheitsbehörden fürchten Radikalisierung der linken Szene

Die Bundesanwaltschaft sieht in dem Urteil eine klare Botschaft: Es gibt keine gute politische Gewalt. „Der Rechtsstaat nimmt es nicht hin, dass Einzelne aufgrund einer vermeintlich besseren Ideologie das Recht in die eigene Hand nehmen und mit Gewalt gegen politische Andersdenkende vorgehen“, sagte Bundesanwältin Alexandra Geilhorn. Für die aus Kassel in Hessen stammende junge Frau hatte sie acht Jahre Freiheitsstrafe gefordert.

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Sicherheitsbehörden befürchten nun eine zunehmende Radikalisierung der linken Szene. Laut Verfassungsschutz sinkt die Hemmschwelle zur Ausübung von Gewalt immer mehr. Es geht nicht mehr nur um Sachbeschädigungen, sondern um gezielte Attacken auf Personen.

Unterstützer wollen Millionenschaden für jedes Haftjahr verursachen

Nach der Urteilsverkündung wurden Ausschreitungen befürchtet. Am Abend zogen rund 500 Demonstranten durch Berlin. Sie trafen sich an der Polizei in Tempelhof und marschierten von dort nach Kreuzberg. Auch in Dresden und Hamburg gab es Demos aus Solidarität mit Lina E.

Für den kommenden Samstag sind zudem bundesweite Demos geplant. Im Internet kursieren sogar Drohungen, nach denen für jedes Jahr Haft in Leipzig ein Sachschaden von einer Million Euro angerichtet werden soll.