Das Foto zeigt eine USAF C-47, eines der im Yukon bei der Suche nach der Skymaster abgestürzten Rettungsflugzeuge.<br>
Das Foto zeigt eine USAF C-47, eines der im Yukon bei der Suche nach der Skymaster abgestürzten Rettungsflugzeuge.
Foto: Andrew Gregg

Das Wetter war sonnig und klar, als das Transportflugzeug mit der Nummer 42-72469 an einem kalten Wintertag vom Militärflugplatz Elmendorf in Alaska abhob. Die 44 Passagiere und Crewmitglieder an Bord der Maschine vom Typ C-54 Skymaster hatten einen achtstündigen Flug nach Süden vor sich und alles sah nach Routine aus.

Der Kalender im Cockpit zeigte den 26. Januar 1950. Der Pilot, seine sieben Mann Besatzung sowie die 36 Militärangehörigen und Zivilisten im Passagierraum waren auf dem Weg zur Great Falls Airforce Base im US-Bundesstaat Montana. Ihre Route sollte sie erst an die US-kanadische Grenze und danach über die dünn besiedelte Wildnis des kanadischen Nordens führen.

Aus Sicherheitsgründen setzte die Crew unterwegs jede halbe Stunde ein Funksignal ab. Als die Skymaster nach zwei Stunden die Trappersiedlung Snag im kanadischen Yukon-Territorium überflog, meldete sie sich ein letztes Mal. Danach verstummten die Signale für immer. Bord-Funker Clarence Gibson, ein junger Unteroffizier der US-Armee, konnte kein SOS mehr absetzen.

Was war passiert? War die Maschine abgestürzt? Musste sie im Yukon notlanden? Das Schicksal der auch als „Rosinenbomber“ bekannten Skymaster und ihrer Passagiere gehört zu den großen ungelösten Rätseln der Luftfahrtgeschichte. Denn die viermotorige Militärmaschine, die eine Flügelspannweite von 36 Metern besaß, bleibt trotz intensiver Suchaktionen in den letzten 70 Jahren spurlos verschwunden.

„Eigentlich ist es unfassbar, dass eine Maschine von solcher Größe und Statur bis heute nicht gefunden wurde“, meint der Regisseur Andrew Gregg, der im Auftrag des kanadischen Fernsehens an einer Dokumentation über das Unglück arbeitet. Tatsächlich gehört die Skymaster zu den größten von rund 80 zivilen und militärischen Flugzeugen, die seit 1950 weltweit als verschollen gelten.

Funker Clarence Gibson mit seiner Tochter Judy<br>
Funker Clarence Gibson mit seiner Tochter Judy
Foto: Judy Jackson

Judy Jackson, die Tochter von Funker Gibson, wartet bis heute auf Aufklärung. Jackson ist 70 Jahre alt und lebt in Alabama im Süden der USA. Ihren Vater hat sie nie kennengelernt. Als der damals 35-jährige Funker an Bord der Skymaster irgendwo über Kanada verschwand, war sie noch nicht geboren. „Dieses Flugzeug zu finden, bevor ich sterbe, bedeutet mir alles“, sagt sie.

Wie viele Angehörige hofft Jackson, dass der Film eine neue Untersuchung des Militärs anstoßen wird. „Es würde mich beruhigen zu wissen, dass mein Vater schnell gestorben ist und nicht leiden musste“, sagt sie im Film. Der Gedanke, dass er nach einem Absturz oder einer Notlandung überlebt haben könnte und später in den eisigen Temperaturen der Sub-Arktis erfror, sei ihr unerträglich.

Die offizielle Ermittlung hat nichts zutage gebracht. Kurz nach dem Verschwinden der Maschine riefen amerikanische und kanadische Militärs eine Suchaktion ins Leben, die damals größte in Nordamerika: 7000 Retter und 85 Flugzeuge durchkämmten drei Wochen lang im Rahmen der „Operation Mike“ ein Wildnisgebiet doppelt so groß wie Schweden.

Doch die Aktion wurde geplagt von schlechtem Wetter, unerfahrenem Personal und veralteter Technik. Drei der Rettungsmaschinen stürzten bei der Suche nach Überlebenden ab. Das Suchgebiet im Nordwesten Kanadas gehört bis heute zu den unwegsamsten des Kontinents. Es beheimatet unter anderem die fünf höchsten Berge Kanadas – alle zwischen 5000 und 6000 Metern hoch.

„Die Militärs waren für den Kriegsfall trainiert und stammten größtenteils aus dem Süden. Von systematischen Rettungsaktionen in der Wildnis verstanden sie nicht so viel“, erzählt der Pilot David Downing, der Chef der zivilen Such- und Flugrettungsgesellschaft des Yukon in Whitehorse. Die Piloten und Späher der Organisation suchen seit sechs Jahren nach dem Wrack.

Wann immer Downing und seine Retter zu Trainingsflügen unterwegs sind, halten sie Ausschau. Dabei können sie leicht den Überblick verlieren, denn das Grenzgebiet zwischen Alaska und Kanada gleicht einem Friedhof für Flugzeuge. 510 Flugzeugwracks wurden in den Seen, Schluchten und Eisfeldern des Yukon in den letzten Jahrzehnten gefunden – die Skymaster war nicht darunter.

Donna Clayson aus Whitehorse arbeitet seit elf Jahren als Späherin für die Flugrettungsgesellschaft und war bei Dutzenden Suchaktionen dabei. „Diskutiert werden drei Theorien, was mit dem Flugzeug geschehen sein könnte“, erzählt sie. „Sicher ist derzeit nur, dass das Unglück schnell passiert sein muss, denn der Funker hatte keine Zeit mehr, SOS zu senden.“

Mehr aktuelle Nachrichten aus dem Ressort Panorama finden Sie hier >>

Am wahrscheinlichsten sei es, dass die Skymaster in eine Schlucht gestürzt ist und diese dann später von Wildwuchs und Bäumen überwuchert wurde, meint Clayson. Am Tag nach dem Verschwinden der Maschine hatte es zudem heftig geschneit und das Wrack könnte im Schnee begraben worden sein. „Ich habe es mir zur persönlichen Mission gemacht, dieses Flugzeug zu finden“, sagt sie entschlossen.

Andere Experten glauben, dass die Skymaster von ihrer Route abgekommen ist, im Hochgebirge in den Saint Elias Mountains gegen einen Fels prallte und später von Schnee und Eis verschluckt wurde. Die Skymaster hatte keinen Druckausgleich in der Kabine und konnte nur bis auf etwa 3000 Meter Höhe steigen. Denkbar ist auch, dass sie auf einen See gestürzt ist, durch das Eis brach und sank.

Unlängst suchten Experten den Grund des größten Sees ab, der entlang der Flugroute liegt. Doch das Sonargerät konnte keine Trümmer aufspüren. Die Kanadier sind überzeugt, dass man bessere Chancen hätte, wenn sich auch das US-Militär samt moderner Technik in die Suche einschalten würde. Doch daran zeigt die US-Regierung trotz intensiver Lobbyarbeit bislang kein Interesse.

Vor ein paar Jahren schrieb Judy Jackson einen Brief an den US-Präsidenten mit der Bitte um Hilfe. Doch außer ein paar netten Worten bekam die Tochter von Funker Gibson keine konkreten Antworten. Das Schicksal ihres Vaters bleibt vorerst ungeklärt: „Es bricht mir das Herz.“