Auf der Jagd nach dem Impfstoff

US-Forscher wollen Freiwillige mit Corona infizieren

Um den Prozess der Impfstoff-Entwicklung abzukürzen, könnten Testkandidaten künstlich mit dem Coronavirus konfrontiert werden.

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Eine Impfdosis in der Testung.
Eine Impfdosis in der Testung.dpa/Andre Lucas

Das neuartige Coronavirus Sars-Cov-2 hat die Welt noch immer fest im Griff. Während vielerorts neue Normalitäten und kreative Wege mit der Pandemie umzugehen, erdacht werden, forschen Wissenschaftler fieberhaft an Impfstoffen und Medikamenten. Denn nur mit diesen - da sind sich die meisten Experten einig - lässt sich die Krise beenden. Um den Prozess zu beschleunigen, denken US-Forscher nun darüber nach, Menschen absichtlich dem Virus auszusetzen. Doch die sogenannten Human Challenge Trials sind umstritten.

Die Entwicklung eines Impfstoffes ist ein langwieriger Prozess. Die Entwicklung des von Russland zugelassenen Stoffs „Sputnik V“ entspricht nicht den üblichen Standards. Die vielversprechendsten Projekte, die sich an den üblichen Ablauf halten, testen gerade in großangelegten klinischen Studien mit hunderten Probanden in Brasilien. In diesen wird den Patienten der Impfstoff verabreicht und über eine lange Zeit geschaut, ob sich die Person infiziert.

In Brasilien lässt sich ein Freiwilliger im Rahmen einer Testreihe impfen.
In Brasilien lässt sich ein Freiwilliger im Rahmen einer Testreihe impfen.dpa/Andre Lucas

Dieses Testverfahren ist über einen langen Zeitraum angelegt, da die Testpersonen auf natürlichem Wege mit dem Virus in Berührung kommen müssen. Würden die Teilnehmer aber gezielt nach der Impfung mit dem Virus konfrontiert, könnte es schneller Ergebnisse geben. Die sogenannten Human Challenge Trials wurden bereits bei der normalen Influenza-Grippe, Malaria, Typhus und Cholera durchgeführt.

US-Forscher ziehen das aktuell in Erwägung. Laut dem Nationalen Institut für Allergien und Ansteckende Krankheiten (NIAID) entwickeln sie gerade einen neuen Stamm des Coronavirus, mit dem Freiwillige für Impfstoff-Tests infiziert werden könnten. Die Forschungen dazu seien bislang noch in einem vorbereitenden Stadium.

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Doch diese Praxis ist umstritten, besonders weil das Sars-CoV-2 noch so schlecht erforscht ist. Bereits im Mai sagte Georg Marckmann, Präsident der Akademie für Ethik in der Medizin, dem „Spiegel“, dass er sich solche Tests nur unter drei Bedingungen vorstellen könne: Es brauche ein verlässliches Wissen über die Sterblichkeit von Covid-19, wirksame Medikamente, falls es trotz Impfstoff doch zu einer Infektion kommt und gesicherte Informationen darüber, welche Patienten einen schweren Verlauf zu erwarten haben, um diese sicher von den Tests auszuschließen.

Da diese Voraussetzungen bis heute nicht erfüllt sind, gibt es trotz einiger Unterstützer auch reichlich Gegenwind für das Projekt. Wohl auch deshalb hält sich das NIAID noch mit Ankündigungen zurück. Erst Ende des Jahres wolle man eine Entscheidung über den Einsatz des entwickelten Coronavirus-Stammes fällen.