Umweltschutz beim Frisör – so nützlich sind abgeschnittene Haare
Ein Kieler Start-up macht aus alten Haaren ein Vlies, das Öl aus dem Wasser filtert. Das sogenannte Fettfresshair ist Teil des Programms „Zero-Waste-City Kiel“.

Wenn Janine Falke in ihrer Frisierstube in Kiel Haare schneidet, hat sie gleich zwei Jobs: Friseurin und Umweltschützerin. Denn aus den abgeschnittenen Haaren macht sie ein Vlies, mit dem Öl aus Wasser gefiltert werden kann.
Rohstoff Haare verwenden
In deutschen Friseursalons fallen jährlich etwa 40.000 Kubikmeter Haarschnitt an. Das sind ca. 222.000 Badewannen voller Haare. Ein ständig nachwachsender Rohstoff auf der ganzen Welt, der bisher im Restmüll landet, schreibt sie auf der Seite Fettfresshair. Unsere Haare sind lipophil und somit bestens dafür geeignet Verunreinigungen im Wasser aufzunehmen, da sie Fette an sich binden.
Auf die Idee ist Janine Falke beim Fernsehen gekommen: „Es lief ein Bericht über eine Umweltkatastrophe auf Mauritius“, erzählt die gebürtige Kölnerin. „Da versuchten Menschen mit alten Haaren, die sie in Nylonstrümpfe stopften, das ausgelaufene Öl einzudämmen. Ich dachte, das kann man vielleicht noch effektiver machen.“
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„Fettfresshair“ nennt Janine Falke ihren Stoff, für den sie Haare in 30 Kieler Friseursalons einsammelte. 80 Quadratmeter Vlies sind in Zusammenarbeit mit einem Spezialunternehmen in Süddeutschland entstanden. Das Vlies wird jetzt bis Ende Juni bei der Materialprüfstelle in Dortmund untersucht und getestet. „Wir wollten keine weitere Synthetik beim Prozess, zum Beispiel bei der Umhüllung. Unser Stoff ist rein natürlich und extrem gleichmäßig. Das unterscheidet ihn von anderen, ähnlichen Stoffen, die es schon auf dem Markt gibt“, sagt Falke.
Zero Waste: Haar-Vlies wird getestet
Unterstützung hat das Start-up von der Stadt Kiel bekommen. Sie hat Geld für die Herstellung der ersten Stoffbahnen bereitgestellt und danach eine enge Zusammenarbeit mit dem örtlichen Tiefbauamt gestartet, um das Vlies unter realen Bedingungen zu testen. Zum Beispiel an einem Regenrückhaltebecken. Dass die Stadtverwaltung sich so engagiert, hat einen Grund: Kiel will Zero-Waste-City werden. „Wir sind ein bisschen stolz, dass wir als erste Stadt in Deutschland als Zero-Waste-City lizenziert sind“, sagt Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD). „Das bedeutet, dass wir bis 2035 unseren Abfall um die Hälfte verringern wollen.“

Rund 100 Projekte hat die Stadt im Rahmen der Zero-Waste-Kampagne angestoßen oder gefördert, von Mehrwegbechern beim Stadtfest bis zu Stoffwindeln als Angebot für junge Eltern und ihren Nachwuchs. Auch München ist Teil des Zero-Waste-Projekts, Kiel aber ist schon ein Stückchen weiter. Das Ziel bleibt dennoch ambitioniert, weiß auch der Oberbürgermeister. „Zero Waste, also gar keinen Müll, ist natürlich eine Vision, die wir so schnell nicht erreichen werden, aber die Richtung muss stimmen, und da möchte Kiel ganz vorne mit dabei sein“, sagt Ulf Kämpfer.
Janine Falke und ihr Team wollen mit ihrem Vlies ein Stück dazu beitragen. Doch das Projekt ist nicht auf Kiel beschränkt. Wenn die Materialprüfung erfolgreich abgeschlossen ist, möchte das Start-up eine Logistik aufbauen, die Haare in ganz Deutschland einsammelt und verarbeitet. „Wir wollen auch an solche Schadstoffe und Rückstände ran, die oft vergessen werden. Was der Regen von der Straße in die Kanalisation spült zum Beispiel. Vieles davon wird erst spät gefiltert. Da können wir eine Menge tun“, sagt die Friseurin.