Die Uniform eines russischen Soldaten. Um den Feind zu verwirren, tragen Saboteure die Uniform der Gegenseite, oder sie tarnen sich als Zivilisten.
Die Uniform eines russischen Soldaten. Um den Feind zu verwirren, tragen Saboteure die Uniform der Gegenseite, oder sie tarnen sich als Zivilisten. dpa/Ukrinform

Ihre Uniform verrät die russischen Besatzer in der Ukraine sofort, aber Spezialeinsatzkräfte der russischen Armee sind als solche zunächst gar nicht zu erkennen: Sie tragen Uniformen der Gegenseite oder tarnen sich als Zivilisten. Diverse Angriffe der russischen Armee auf russische Städte sind so vorbereitet worden: Vorauskräfte markierten Gebäude oder Straßen, sodass die Nachhut mit schwerem Gerät massive Zerstörungen an Verwaltungs- oder Wohngebäuden anrichtete.

Nun hat die Ukraine auch ihre Bevölkerung dafür sensibilisiert, mögliche Spione oder Saboteure zu enttarnen. Manche Methoden, falschen Freunden auf die Schliche zu kommen, sind naheliegend, doch sie werden mit der Zeit ausgefeilter. Taxifahrer Pascha aus Kiew hat seinen eigenen Trick, um russische Spitzel zu entlarven. Kommt ihm jemand verdächtig vor, singt er den neusten ukrainischen Hit „Oleiniji, Oleiniji“. „Ich fange an und schaue, ob er weitersingen kann“, sagt Pascha. Stimmt der andere nicht mit ein, ist er nach seiner Logik im Auftrag Moskaus unterwegs.

Jeder zu stark betonte Vokal enttarnt den russischen Feind

Seit russische Kundschafter Angriffsziele ausspähen, ist das Misstrauen der Ukrainer groß. Verdächtige werden der Polizei oder der Armee gemeldet.

Jeder in Kiew kennt inzwischen die alte List: den Verdächtigen das Wort „Paljanytsa“ aussprechen zu lassen. Ein zu stark betonter Vokal und er ist als Russe enttarnt. Russisch ausgesprochen bedeutet „Paljanytsa“ Erdbeere, ukrainisch meint es das traditionelle Brot. Kein Russe kann angeblich das ukrainische Wort richtig aussprechen.

Die bewaffneten Freiwilligen an den Kontrollpunkten haben sich einen anderen Test ausgedacht. Sie fragen nach der nächsten Filiale der Monobank. Ukrainer wissen, dass es sich um eine Online-Bank handelt, die eben keine Niederlassungen hat.

Leichen von mutmaßlichen Russen in ukrainischen Uniformen

Im Internet kursieren jeden Tag neue Bilder von mutmaßlichen russischen Kundschaftern. Am 26. Februar wurden der Nachrichtenagentur AFP drei Leichen in ukrainischer Uniform präsentiert, bei denen es sich angeblich um Russen handelte, die sich als einheimische Soldaten verkleidet hatten.

Im Dorf Irpin nordwestlich von Kiew leben die Menschen in ständiger Angst vor russischen Militärs in Zivil. Die Ortschaft liegt nur wenige Kilometer vom Antonow-Militärflughafen entfernt, wo in den ersten Stunden der Invasion russische Fallschirmjäger mit Hubschraubern gelandet waren. Einige der Soldaten versteckten sich in den Wäldern, berichten Einwohner. „Das sind Leute, die wie Einheimische aussehen, aber anfangen, auf uns zu schießen“, sagt der Bankangestellte Andriji Lewantschuk. Eine Spezialeinheit des ukrainischen Militärs ist inzwischen vor Ort und versucht die Angreifer aufzuspüren.

Destabilisieren, Invasion vorbereiten, ukrainische Führer töten

Ihr Kommandant Viktor Tschelowan berichtet von Gruppen von Saboteuren der „russischen Sondereinsatzkräfte, die versuchen, das tägliche Leben in unseren Städten und Dörfern zu destabilisieren“. Bereits vor dem Krieg habe es Zellen des russischen Geheimdienstes und des Militärgeheimdienstes GRU in der Ukraine gegeben, welche die Invasion vorbereitet hätten, sagt Tschelowan. Eine dritte Gruppe von Agenten habe „das einzige Ziel, ukrainische Führer zu töten“.

„Das russische Spionagenetzwerk wurde vor Jahren aufgebaut. Wir haben es noch nicht eliminiert, es gibt noch viel zu tun“, sagte der nationale Sicherheitsberater Oleksij Danilow vergangene Woche der US-Zeitung „Wall Street Journal“.

Seit Kriegsbeginn überschwemmt das ukrainische Innenministerium die Medien täglich mit Bildern gefangener russischer Saboteure, wie zum Beispiel einem Mann, der mit einem Rucksack voller Sprengstoff in einem Einkaufszentrum in Kiew festgenommen wurde.

Laut Mykola Beleskow, einem Militäranalysten am Nationalen Institut für Strategische Studien in der ukrainischen Hauptstadt, versucht Moskau „verschiedene Hebel zu kombinieren, von Luftschlägen über Artillerie bis hin zu diesen eingeschleusten Kommandos, die im Wesentlichen ein Mittel sind, um den sehr langsamen Vormarsch ihrer Truppen zu unterstützen“.

In Kiew werden diese Saboteure überall vermutet. Sie sollen nachts Rasenflächen verminen und die Dächer von Gebäuden markieren. Eine Bestätigung dafür gibt es nicht. Dennoch schüren sie das Misstrauen in der Bevölkerung bis hin zu einer gewissen Paranoia.