Studie: Fünfmal mehr Babys wegen RS-Virus in Kliniken
Das sogenannte RS-Virus gilt als besonders gefährlich für Kinder und Säuglinge. Im Winter 2022 ist die Zahl der Klinikbehandlungen bei unter Einjährigen in Deutschland drastisch gestiegen.

Fast alle Kinder machen in den ersten Lebensjahren eine Infektion mit dem RS-Virus durch – meist als harmlose Erkältung. Manchmal jedoch ist eine rasche ärztliche Abklärung und Behandlung nötig. Wegen der Corona-Schutzmaßnahmen fiel für einen Jahrgang an kleinen Kindern der Kontakt mit dem Virus aus, mit Folgen für das Jahr darauf.
Wenn die eigenen Kinder stark husten, schnell atmen, und Atemnot bekommen, kann das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) dahinter stecken. Besonders im vergangenen Winter ist die Zahl der Neugeborenen und Säuglinge, die wegen des sogenannten RS-Virus in einer Klinik behandelt werden mussten, drastisch gestiegen.
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Wenn das Baby Atemnot hat, suchen Eltern in der Ausnahmesituation schnell Hilfe. Fatal, wenn dann wegen Personalmangel oder Enpässen in der Betreuung dem Kind nicht angemessen geholfen werden kann. Teilweise musste Eltern mit kleinen Kindern zur Behandlung in weit entfernte Krankenhäuser ausweichen.
Ein Grund für den Anstieg der Fälle mit einer RSV-Infektion: Durch Schulschließungen und Kontaktverbote während der Corona-Pandemie hatten sich vorletzten Winter deutlich weniger Kinder mit RSV infiziert - das wurde dann im jetzt zu Ende gehenden Winter auf- und nachgeholt.
Fünf Mal mehr Kinder mit RS-Virus im Krankenhaus
Hochgerechnet auf alle in Deutschland lebenden Kinder mussten im vierten Quartal 2022 rund 17 000 unter Einjährige im Krankenhaus behandelt werden, wie eine Analyse im Auftrag der Krankenkasse DAK-Gesundheit ergab. Das seien fünfmal mehr als im gleichen Zeitraum 2018. Der Anteil auf den Intensivstationen sei um 350 Prozent gestiegen. Wenn diese Welle auf ein ausgelaugtes Krankenhaussystem trifft, wird es auch schnell einmal brenzlig. Leser erinnern sich an Berichte von Engpässen auf Kinderintensivstationen und bei der medizinischen Versorgung von Kindern im Allgemeinen.

Für die DAK-Sonderanalyse untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Daten von rund 786 000 Kindern und Jugendlichen bis 17 Jahren. Analysiert wurden die Jahre 2017 bis 2022.
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An dem Respiratorischen Synzytial-Virus kann man in jedem Alter erkranken, aber vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern ist der Erreger bedeutsam. Es kann sich um eine einfache Atemwegsinfektion handeln, aber auch schwere Verläufe bis hin zum Tod sind möglich. Zu Risikopatienten zählt das RKI zum Beispiel Frühgeborene und Kinder mit Lungen-Vorerkrankungen, aber auch generell Menschen mit Immunschwäche oder unterdrücktem Immunsystem.
Schulschließungen und Kontaktverbote mit Folgen
Als Grund für den Anstieg der Fälle nennt die Studie unter anderem Nachholeffekte wegen der Corona-Pandemie: Denn die Saison 2020/21 für RS-Viren sei wegen der Schutzmaßnahmen nahezu ausgefallen, sagte Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. „Die Ergebnisse zeigen genau das, was wir in den Praxen erlebt haben.“ Der Ausfall der Welle 2020/21 und das zeitliche Vorziehen der sehr starken Welle 2021/22 zeigten, dass es erhebliche Nachholeffekte gab.
Ähnlich sieht das Johannes Liese, Leiter des Bereichs pädiatrische Infektiologie und Immunologie am Universitätsklinikum Würzburg. Durch die Schulschließungen und Kontaktverbote während der Corona-Pandemie hätten sich deutlich weniger Kinder mit RSV infiziert. „Das Aufholen beziehungsweise Nachholen dieser RSV-Infektionen nach Lockerung der Corona-Maßnahmen führte zu einem überaus starken Wiederanstieg an RSV-Erkrankungen in allen Altersgruppen“, sagte Liese.
Besser auf Infektionswellen vorbereiten
Beim RKI heißt es unter Berufung auf Schätzungen, dass RSV-Atemwegserkrankungen weltweit mit einer Inzidenz von 48,5 Fällen und 5,6 schweren Fällen pro 1000 Kinder im ersten Lebensjahr vorkommen. Innerhalb des ersten Lebensjahres hätten normalerweise 50 bis 70 Prozent und bis zum Ende des zweiten Lebensjahres nahezu alle Kinder mindestens eine Infektion mit RSV durchgemacht. Im Zuge der Corona-Schutzmaßnahmen waren viele solche Infektionen allerdings zeitweise ausgeblieben.
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DAK-Chef Andreas Storm mahnt eine Reaktion an. „Unsere Analyse zeichnet ein dramatisches Bild und macht deutlich: Es gibt einen akuten Handlungsbedarf der Politik“, sagte Storm. „Wir müssen im Klinikbereich und im ambulanten Sektor in Zukunft besser auf Infektionswellen vorbereitet sein. Es kann nicht sein, dass vorhandene Behandlungsplätze wegen Personalmangels nicht genutzt werden können. Das müssen wir künftig unbedingt vermeiden.“