Nevaeh Marie Crain aus den USA war im sechsten Monat schwanger, als plötzlich Komplikationen auftauchten. Doch mehrere Ärzte an verschiedenen Krankenhäusern verweigerten der 18-Jährigen die Behandlung, die sie brauchte. Nun ist die junge Frau tot, und das Baby auch.
Am Morgen des 29. Oktober 2023 kam die schwangere Nevaeh Crain zusammen mit ihrer Mutter Candace Fails in ein Krankenhaus im US-Bundesstaat Texas. Die Oberschenkel der 18-Jährigen waren blutverschmiert, sie weinte vor Schmerzen. Am Nachmittag wollte Nevaeh ihre Baby-Party feiern. Nun war sie in großer Sorge. Doch sie wurde fortgeschickt.
Innerhalb der nächsten zwölf Stunden suchte die junge Frau zwei weitere Notaufnahmen auf. Doch auch nahmen die Schwestern und Ärzte die gesundheitlichen Probleme der jungen Frau nicht ernst. Und das, obwohl sich Nevaeh Crains Zustand weiter verschlechterte, berichtete die US-amerikanische Stiftung ProPublica.
Zwei Notaufnahmen schickten die junge Frau weg
Bei ihrem ersten Besuch wurde bei Crain nur eine Halsentzündung diagnostiziert. Laut einem Bericht von ProPublica untersuchte das Krankenhaus ihre starken Bauchkrämpfe nicht. Im zweiten Krankenhaus wurde Crain positiv auf Sepsis getestet wurde – eine lebensbedrohliche Reaktion auf eine Infektion. Doch auch trotz dieser Diagnose wurde ihre Tochter entlassen, da der Herzschlag ihres sechs Monate alten Fötus' noch zu hören war, erklärte ihre Mutter Candace Fails.
Bei ihrem dritten Krankenhausaufenthalt wurde Crain schließlich auf die Intensivstation verlegt, nachdem ein Geburtshelfer auf zwei Ultraschalluntersuchungen bestanden hatte, um „den Tod des Fötus zu bestätigen“, berichtete ProPublica. In der Zwischenzeit verschlechterte sich Crains Zustand dramatisch: Sie starb Stunden später an Organversagen. Eine Krankenschwester stellte fest, dass ihre Lippen „blau und dunkel“ geworden waren, berichtete ProPublica. Zur Deckung der Beerdigungskosten sammelt Crains Familie Spenden auf der Seite gofundme.com.

Crain ist eine von mindestens zwei Frauen aus Texas, die aufgrund des Abtreibungsverbots in ihrem Bundesstaat starben, das eingeführt wurde, nachdem der Oberste Gerichtshof der USA das bundesstaatliche Recht auf Abtreibung aufgehoben hatte. Die 28-jährige Josseli Barnica starb 2021 nach einer Fehlgeburt.
Todesursache: Striktes Abtreibungsverbot in Texas
Diese Vorfälle gelten als Beleg für eine neue Realität: In US-Bundesstaaten mit strengeren Abtreibungsbeschränkungen zögern medizinische Fachkräfte oder haben sogar Angst, schwangere Mütter zu behandeln, weil sie rechtliche Konsequenzen befürchten. Das Abtreibungsverbot in Texas sieht für Eingriffe, die den Herzschlag des Fötus beenden, Gefängnisstrafen vor, unabhängig davon, ob die Schwangerschaft gewollt ist oder nicht. „Schwangere Frauen sind im Wesentlichen zu Unberührbaren geworden“, sagte Sara Rosenbaum, emeritierte Professorin für Gesundheitsrecht und -politik an der George Washington University in Washington, D.C.
Laut ProPublica drohen im US-Bundesstaat Texas Ärzten Gefängnisstrafen, die Eingriffe vornehmen, die den Fötus töten könnten. Das sei auch bei medizinischen Komplikationen der Fall. Dies führe oft dazu, dass Patientinnen zwischen Krankenhäusern hin- und hergeschoben werden oder wertvolle Zeit mit Diskussionen über rechtliche Konsequenzen verloren geht. „Patientinnen fragen sich: ‚Werde ich nach Hause geschickt, weil es mir wirklich gut geht? Oder aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen?‘“, erklärt Dr. Jodi Abbott, Professorin für Geburtshilfe und Gynäkologie an von der Boston University School of Medicine, erklärte:
Krankenhäuser wollen sich nicht zu dem Fall äußern
In den USA soll das Gesetz zur medizinischen Notfallbehandlung und Arbeitssicherheit (Emergency Medical Treatment and Labour Act, kurz EMTALA) sicherstellen, dass Notärzte lebensrettende Maßnahmen nicht verweigern. Die Regierung von Joe Biden betont, dass dies auch für notwendige Abtreibungen gilt. Texas hingegen widersetzt sich dieser Auslegung entschieden und droht Ärzten bei Nichteinhalen mit Haftstrafen von bis zu 99 Jahren.
Mini Timmaraju, Präsidentin und Geschäftsführerin von Reproductive Freedom for All, sagte, Crains Tod unterstreiche die tödliche Bedrohung, die von Abtreibungsverboten ausgehe. „Eine Schwangerschaft sollte kein Todesurteil sein“, sagte Timmaraju in einer Erklärung.
Eine Analyse von Crains Krankenakten durch neun Ärzte, die ProPublica beauftragte, deckte erhebliche Mängel in ihrer Behandlung auf: Das erste Krankenhaus ignorierte Symptome einer Infektion. Der Arzt im zweiten Krankenhaus hätte die werdende Mutter niemals entlassen dürfen. Im dritten Krankenhaus gab es keinen medizinischen Grund für die verzögerte Behandlung der Frau. Daher bleibt unklar, ob Crains Tod hätte verhindert werden können. Es besteht die Möglichkeit, dass die Ärzte sowohl sie als auch ihr ungeborenes Kind hätten retten können. Die beteiligten Krankenhäuser und Ärzte haben Anfragen zur Stellungnahme abgelehnt. ■