Scheindebatte um Winnetou: Datenanalyse zeigt, es gab keinen „woken Shitstorm“ gegen Ravensburger, sondern einen konservativen!
Über Tage beherrschte dieses Thema die sozialen Netzwerke und zahlreiche klassische Medien. Dabei zeigt eine Datenalayse, dass es eine Scheindebatte ist.

Es war schon eine skurrile Woche: Ein ehemaliger Bundesminister meldete sich nach zwei Wochen mit einem Statement zu einem Kinderbuch auf Twitter zurück und ein Kurzzeit-Ministerpräsident ließ sich gar mit einem ganzen Schwung Karl May-Romane ablichten. Der Grund: Auf Twitter wurde eine Entscheidung des Ravensburger-Verlags, zwei Kinderbüchen zum Film „Der junge Häuptling Winnetou“ zurückzuziehen, weil man eingesehen habe, dass sie zahlreiche kolonialistische Klischees verbreiteten. Rechte, Konservative und die Bild-Zeitung witterten dahinter einen „woken Shitstorm“, doch den hat es laut einer Datenanalyse überhaupt nicht gegeben – im Gegenteil!
Winnetou-Debatte ist eine Scheindebatte
So schreibt das Content-Marketing-Unternehmen Scompler in einem ausführlichen Artikel auf seiner Website, dass es sich bei der Winnetou-Debatte um eine demokratieunwürdige Scheindebatte handele. Grundlage für diese Behauptung ist eine Analyse mit dem Social-Listening-Tool Talkwalker. Daraus geht hervor, dass es zwar vereinzelt Kritik am Ravensburger Verlag gegeben hatte, als der noch vorhatte, die Bücher auf den Markt zu bringen, sich aber „keinerlei signifikanter und illegitimer öffentlicher Druck durch irgendwelche Aktivisten“ belegen lasse.
Viel mehr würden die Daten der Scompler-Analyse nahelegen, dass es vor allem die Berichterstattung der Bild war, die den tatsächlichen Shitstorm auslöste. Denn das Blatt soll Ravensburger nicht geglaubt haben, die Entscheidung aus freien Stücken getroffen zu haben - und nicht als Reaktion auf einen Shitstorm. Viele Politiker wie Markus Söder, Sigmar Gabriel und Thomas Kemmerich sprangen auf diesen Zug auf. Aber auch Promis wie der bekannte Sport-Kommentator Frank Buschmann schlug mit einem inzwischen gelöschten Tweet in diese Kerbe.
Doch die Daten zeigen, dass diese Darstellung kaum der Wahrheit entsprechen kann, denn die Auswertung verschiedener Tools zeigt, dass es erst zum Shitstorm kam, als die Bild über eine angebliche Meinungsmache berichtete. Es gab also keinen woken, sondern einen antiwoken Shitstorm mit dem Ziel die Bücher doch wieder auf den Markt zu bringen.
Vereinzelte Kritik am Winnetou-Buch - und ein antiwoker Shitstorm
Zuvor gab es vereinzelte Kritik an Winnetou-Autor Karl May, seinem Werk und der Neuauflage, allerdings nicht von einer „radikalen Minderheit“, wie die Bild ihre Leser glauben machen wollte, sondern vom in Deutschland lebenden Native American Kendall Old Elk im Interview mit dem Stern, vom Ethnologen Markus Lindner im Deutschlandfunk, in einer Rezension in der Zeit - und sogar in einem Text in der konservativen FAZ.
Dass das verzerrte Narrativ der Bild es nicht nur in die Twittertrends, sondern auch in andere Medien geschafft hat, bezeichnet Scompler in dem Artikel als Medienversagen und wirft den Journalisten, die sich daran beteiligten, „mediale Inkompetenz“ vor, da der vermeintliche woke Shitstorm nicht verifiziert wurde – und auch zahlreiche Publikationen eine von der Bild aus dem Zusammenhang gerissene Aussage mit Kendall Old Elk einfach übernahmen, ohne den Kontext zu prüfen.
Lesen Sie auch: Schlimmste Hitzewelle der Weltgeschichte in China: Wie die Klimakrise schon heute zu eine Lebensmittelkrise führen könnte >>
Zuletzt seien Debatten immer wieder wie diese aufgetaucht und geführt worden, schreibt Scompler und sieht darin eine Gefahr für die Demokratie und ruft die Menschen auf, dazuzulernen und nicht mehr so einfach Kampagnen auf den Leim zu gehen. Es müsse möglich sein, über den Status quo, Privilegien und Diskriminierung auch in beliebten und althergebrachten Werken zu diskutieren. Nur dann könne die Demokratie gestärkt aus derartigen Scheindebatten hervorgehen.