Er kommt zwar nicht aus Berlin, fängt das alte und aktuelle Berlin aber künstlerisch ein wie kein Zweiter: Robert Nippoldt. Ich habe meine ganz eigene Geschichte mit diesem außergewöhnlichen Künstler, der mit Mitte 40 weltweit schon mit über zwei Dutzend Preisen ausgezeichnet wurde. Robert Nippoldt und mich verbindet vor allem eines: die Leidenschaft für die 20er Jahre.
Ausnahme-Künstler Robert Nippoldt
Vor über zehn Jahren habe ich mein Interesse für dieses aufregende Jahrzehnt, das zugleich Glamour, Aufbruch und Armut bedeutet, entdeckt. Ich trage mittlerweile nicht nur einen Bubikopf, sondern sammle fast alles, was mit den „Goldenen Zwanzigern“ zu tun hat: Bücher, Musik, Kleider und natürlich … Bilder.
Erstmals in Kontakt mit Robert Nippoldts Werken kam ich während einer Reise auf einem Kreuzfahrtschiff im Jahr 2022, wo eine kleine Auswahl angeboten wurde. Ich hegte schon länger den Wunsch, mir eine eigene Wohnung im Stil der 20er Jahre einrichten zu wollen. Spontan kaufte ich mir auf der Reise vier kleinere Bilder, obwohl ich an meinem damaligen Wohnort nicht mal die Möglichkeit hatte, diese gebührend in Szene zu setzen. Als ich im Frühjahr 2023 nach Berlin ging, änderte sich das. Ich zog in eine kleine Altbauwohnung in Charlottenburg, in der ich mir meinen Traum erfüllte.

Heute hängen in meiner Wohnung nicht nur die vier kleinen Bilder von der Reise, sondern auch mehrere große Bilder von Robert Nippoldt. Sie sind das Herz meiner Wohnung und werten das ganze Ambiente visuell auf. Alle paar Monate kommen weitere Bilder hinzu, inzwischen sind es 18. Darunter natürlich auch Werke aus Nippoldts Berlin-Edition. Gleich mehrere Motive behandeln die Hauptstadt, sie zeigen zum Beispiel den Alexanderplatz, den Potsdamer Platz, das Rote Rathaus oder das Adlon.
Doch wer ist der Mann, der gebürtig kein Berliner ist, nicht mal in der Stadt wohnt, ihr aber durch sein künstlerisches Werk so viel Aufmerksamkeit widmet? Als inzwischen großer Fan von Robert Nippoldt stelle ich Ihnen den Ausnahme-Künstler einmal vor.

Robert Nippoldt, Berlin und die 20er Jahre
Man könnte meinen, der erst 47-jährige Robert Nippoldt, der nicht nur als Zeichner, sondern auch als Buchkünstler tätig ist, habe selbst die 20er Jahre erlebt – so atmosphärisch fangen seine Werke das Wesen dieser pulsierenden Epoche ein. Der Trubel in der Großstadt oder das Leben als Show-Star, jedes Werk strahlt diese besondere Sinnlichkeit aus, die den Blick verharren lässt.
Obwohl sich Robert Nippoldt mal für kurze Zeit in die Rechtswissenschaften verirrte, scheint es heute so, als habe er schon früh gewusst, wohin sein künstlerischer Weg gehen soll. Nach seinem Studium Grafik und Illustration an der Fachhochschule Münster fand er sofort einen Verleger für sein Diplombuch „Gangster. Die Bosse von Chicago“, das Nippoldt im Jahr 2005 schlagartig als Illustrator bekannt machte. Es folgten die drei Bücher „Jazz im New York der wilden Zwanziger“, „Hollywood in den 30er Jahren“ und schließlich „Es wird Nacht im Berlin der Wilden Zwanziger“.

Es ist seine ganz eigene Art, zu zeichnen, die an die Zeichenkunst der 1920er Jahre erinnert und die er mit historischen Fakten über große Persönlichkeiten der Kulturgeschichte kombiniert, was die Menschen so an seinen Werken fasziniert und berührt. Nippoldt lässt darin nicht nur Ikonen der 20er Jahre wie Greta Garbo, Josephine Baker oder Marlene Dietrich wieder auferstehen, auch Metropolen wie Berlin, New York und Hollywood erscheinen in einem neuen Glanz.

Für seine Bücher und Bilder lässt sich Nippoldt natürlich am liebsten direkt vor Ort inspirieren, wie er dem Berliner KURIER erzählt: „Für mein erstes Buch über die Gangster der 20er Jahre reiste ich nach Chicago und New York, um vor Ort zu recherchieren und die Stimmung jener Orte einzufangen, an denen Al Capone und seine Komplizen agierten. Ich durchforstete alte Zeitungsarchive, besuchte die Chicago Crime Commission und führte spannende Gespräche u.a. mit einem Biografen von Al Capone. Das war unglaublich aufregend und inspirierend. Dafür liebe ich auch meinen Job. Wenn ich mich für ein neues Buchthema entscheide, dann tauche ich mit Haut und Haar in das Thema ein. Bei der Recherche zu meinem zweiten Buch über Jazz habe ich Leute getroffen, die von morgens bis abends Jazz hören oder darüber nachdenken. Verrückt! Und auch hier war ich in Jazzclubs, um in die Atmosphäre einzutauchen. Für die Entstehung von meinem Berlinbuch war ich mehrmals wochenlang in Berlin. Ich durchstöberte alte Bibliotheken und Bestände, Museen und Original-Schauplätze. Die Zeichnungen mache ich dann aber erst später in meinem Atelier. Unterwegs fehlt mir dazu oft die Ruhe.“
Robert Nippoldts Bilder besitzen den Charme der 20er und 30er Jahre, wirken trotz Nostalgie aber trotzdem modern. Es ist nicht nur Nippoldts Detailgenauigkeit, die für Faszination beim Betrachter seiner Werke sorgt, sondern auch sein Spiel mit Linien, Formen und dezenten Farben. Er entführt uns mit seinen Werken in eine andere Zeit, baut mit ihnen gleichzeitig Brücken zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart. Seine Bilder verbinden beispielsweise das alte Berlin von vor 100 Jahren mit der Neuzeit. Das Resultat: Zeitlose Kunst mit einem Touch Eleganz und Glamour.

Veranstaltungs-Tipp: „Ein rätselhafter Schimmer“
Vor allem Berlin spielt in Nippoldts Werken immer wieder eine entscheidende Rolle. Orte, die bezeichnend für die 20er Jahre sind wie das Haus Vaterland oder das Romanische Café werden ebenso gehuldigt wie das neue Stadtbild inklusive Fernsehturm. „Als Zeichner bin ich ein Augenmensch. Und da sind die 1920er Jahre eine unendliche Fundgrube. In der Mode, Architektur, Kunst, Theater, Fotografie, Filme, Plakate, Buchgestaltung. Da ist so viel Stilprägendes und Neues und Wunderschönes entstanden, dass ich mich bis heute an diesem Jahrzehnt einfach nicht satt sehen kann. Insbesondere das Berlin der 1920er muss ein magischer Ort gewesen sein“, sagt Nippoldt.
Mit seinen Werken will er, wie er sagt, „den Geist dieser Zeit wiederaufleben lassen“. Trotzdem räumt er bescheiden ein: „Auch wenn das natürlich immer nur ein Abklatsch sein kann – was würde ich dafür geben, einmal in den echten 1920er Jahren im vollbesetzten Wintergarten-Varieté zu sitzen oder die legendäre Skandalnudel Anita Berber in der Weißen Maus in Ekstase zu erleben. Auch wenn aus den 1920ern nicht mehr so viel übriggeblieben ist, so schlendere ich doch immer wieder gerne durch die Stadt, und stelle mir vor, wie es vor 100 Jahren ausgesehen haben mag. Wo stand das Haus Vaterland am Potsdamer Platz? Wo fanden die großen Autorennen auf der Avus statt? Wo war das Romanische Café am Breitscheidplatz? Jede Ecke in Berlin atmet Geschichte, die Stadt quillt förmlich über vor Kreativität und Kulturangeboten. Man weiß gar nicht, wo man als erstes hingehen soll. Es gibt so viel zu entdecken. Nach ein paar Tagen in der Hauptstadt fahre ich dann erschöpft, inspiriert und glücklich wieder nach Hause ins gemütliche Münster.“


Auch im heutigen Wintergarten guckt Robert Nippoldt gerne vorbei. Viele der Shows haben mit den 20er Jahren zu tun, so auch die aktuelle Show über Josephine Baker. Noch ein kleiner Tipp: Wenn Sie im Wintergarten zu Besuch sind, versäumen Sie es nicht, das stille Örtchen aufzusuchen. Nicht nur der von Künstlerin Fiona Bennett und Designer Hans-Joachim Böhme designte Toiletten-Bereich ist ein Hingucker, auf dem Weg dorthin kommen Sie auch noch an einer kleinen Ausstellung mit einigen von Nippoldts Werken vorbei.
Darüber nachgedacht, ob er vielleicht wie die Persönlichkeiten, die er in seinen Bildern zum Leben erweckt, nach Berlin ziehen sollte, hat Robert Nippoldt natürlich schon mal. Letztendlich sollte es einfach nicht sein. „Nach meinem Design-Studium in Münster gingen viele meiner Kommilitonen nach Berlin. Ich fand die Vorstellung ebenfalls verführerisch. Dann fanden wir einen alten Güterbahnhof in Münster, in dem wir eine Ateliergemeinschaft aus Zeichnern und Grafikern gründeten. Wir sind eine tolle Gemeinschaft, so etwas findet man nicht so leicht. Und so blieb ich.“
Neben Büchern und Bildern kann man Robert Nippoldt übrigens auch persönlich auf der Bühne sehen. Begleitend zu seinem vierten Buch „Es wird Nacht im Berlin der Wilden Zwanziger“ entwickelte er zusammen mit dem Trio Größenwahn die 20er-Jahre-Show „Ein rätselhafter Schimmer“ (eine Kombination aus Live-Zeichnungen und Live-Musik), die im Jahr 2015 Premiere feierte.
