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Richard Gere: „Es war schaurig, mich als Greis zu sehen“

Der Schauspiel-Star hat sich lange rargemacht. In Cannes stellte er seinen neuen Film „Oh, Canada“ vor, in dem er einen krebskranken, alten Mann spielt. Wie sehr ihm die Rolle naheging, erzählt er im Interview mit dem KURIER.

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Schauspiel-Star Richard Gere (74) bei den Filmfestspielen in Cannes, wo sein neuer Film  „Oh, Canada“ präsentiert wurde.
Schauspiel-Star Richard Gere (74) bei den Filmfestspielen in Cannes, wo sein neuer Film „Oh, Canada“ präsentiert wurde.Loic Venance/ AFP

Er ist in seiner neuen Rolle als alter Mann in „Oh, Canada“ fast nicht mehr wiederzuerkennen. Und auch im wahren Leben ist Richard Gere merklich älter und grauer geworden. Doch auch nach Jahrzehnten der Abwesenheit erntete der Schauspiel-Star einen Jubel-Orkan, als er in Cannes an der Seite seiner spanischen Ehefrau Alejandra Silva den roten Teppich zum Festspielhaus entlang schritt. Der inzwischen 74-Jährige spielt im Film den Dokumentarfilmer Leonard Fife, der zum Ende seines Lebens seiner Frau (Uma Thurman) die dunklen Geheimnisse seiner Jugend enthüllt.

Richard Gere hat sich in den letzten Jahren auf der Leinwand rargemacht. Doch Regisseur Paul Schrader, der ihn mit „American Gigolo“ vor mehr als vier Jahrzehnten zum Star machte, konnte ihn problemlos überzeugen. Doch hinter Geres Zusage steckte mehr als nur alte Verbundenheit, wie der Star im Pressegespräch nach der Premiere verriet.

Richard Gere: Guten Morgen! (räuspert sich) Sorry, es war eine sehr lange Nacht. Meine Stimme klingt viel tiefer als sonst. Was war noch mal die Frage?

Weshalb haben Sie gerade diese Rolle angenommen?

Als ich das Drehbuch von Paul bekam und es gelesen habe, ist es mir sofort persönlich sehr nah gegangen. Ich konnte mich mit meiner Rolle identifizieren, weil mein eigener Vater nur wenige Wochen zuvor kurz vor seinem 101. Geburtstag gestorben war. (Gere hält inne und trinkt einen Schluck Wasser, um sich zu sammeln.) Er hat seine letzten Jahre bei mir, meiner Frau und meinen Kids gelebt. Er saß im Rollstuhl und es war sehr klar, dass er nicht mehr viel Zeit haben würde. In seinem Kopf wechselte er zwischen verschiedenen Realitäts-Ebenen hin und her. Was Vergangenheit und Gegenwart waren, spielte keine Rolle – Zeit war nicht mehr linear für ihn. Und das Drehbuch erinnerte mich daran, dass wir alle zu diesem Punkt am Ende unseres Lebens kommen werden.

Wie war die Zusammenarbeit mit Paul Schrader nach vier Jahrzehnten?

Wir haben „American Gigolo“ sogar vor 45 Jahren gedreht. Und ich muss sagen, dass ich mich seit damals überhaupt nicht verändert habe (lacht). Paul auch nicht. Er hatte damals wie heute ganz feste Vorstellungen, wie er seine Filme dreht.

Richard Gere (74) in Cannes mit seiner Frau, der spanischen Schauspielerin Alejandra Silva (41), und seinem Sohn, Homer James Jigme Gere (24), aus einer früheren Ehe.
Richard Gere (74) in Cannes mit seiner Frau, der spanischen Schauspielerin Alejandra Silva (41), und seinem Sohn, Homer James Jigme Gere (24), aus einer früheren Ehe.Loic Venance/AFP

Ihr Co-Star Jacob Elordi spielt im Film in Flashbacks Ihre Jung-Version. Haben Sie ihm Tipps dafür gegeben?

Wir haben uns am Anfang zur ersten Drehbuchlesung getroffen. Und Jacob hat mich sehr an meinen Sohn erinnert hat – was großartig ist. Ich habe schnell gemerkt, dass er mich genau beobachtet. Genau das hätte ich an seiner Stelle auch getan!

Warum das?

Er musste ja so sein wie ich, nur jünger. Er hat mir verraten, dass er einige meiner alten Filme studiert hat – die Filme, wo ich ungefähr so alt war wie Jacob jetzt. Das war schlau. Das einzige, wobei ich ihn direkt unterstützen konnte, war, dass ich Leonard Fife einen unkomplizierten Durchschnitts-Ami-Akzent verpasst habe. Ich habe ihm diesen vorgesprochen, damit er auch wusste, welche Stimmlage ich nutze. Alles sehr simpel.

Hat denn Jacob Elordi etwas vom jungen Richard Gere?

Wenn man davon absieht, dass ich viel größer bin als er … (Gere lacht, da in Wirklichkeit Elordi ihn um 18 Zentimeter überragt). Jacob strahlt eine unheimliche Wärme aus und ist sehr bescheiden. Er ist ein wirklich netter Kerl, der sehr hart arbeitet.

Im Film flüchtet Leonard Fife als junger Mann nach Kanada, um nicht im Vietnam-Krieg kämpfen zu müssen. Wenn man das auf die heutige Zeit überträgt, zum Beispiel auf die Ukraine, gibt es Ihrer Meinung nach Kriege, für die es sich zu kämpfen lohnt?

Es geht am Ende für jeden um die Frage: „Nehme ich eine Waffe in die Hand und ziehe ich in die Schlacht? Ist es ein gerechter oder ungerechter Krieg?“ Doch selbst, wenn wie im Fall der Ukraine das eigene Land attackiert wird, muss jeder für sich entscheiden: „Kann ich jemanden töten?“ Und „Wie weit werde ich gehen, um meine Familie zu schützen?“ Ich gebe zu, ich persönlich habe darauf keine Antwort!

Sie werden künstlich älter gemacht. Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie sich das erste Mal als Greis im Spiegel gesehen haben?

Es war schon ziemlich schaurig, das muss ich zugeben! Weil ich so eines Tages in echt aussehen werde – zumindest, wenn ich so alt werde wie mein Vater es war. Ach ja, ich sehe auf alt gemacht wirklich aus wie mein Vater.

Ist es schwierig für Sie, sich alte Filme anzusehen, in denen Sie noch jung sind?

Ja, ich fand es jedes Mal echt bizarr, wenn ich auf einem Event für mein Lebenswerk ausgezeichnet wurde und sie einen Zusammenschnitt meiner wichtigsten Rollen gezeigt haben. Dann rauscht dein Leben tatsächlich in zwei Minuten vor deinen Augen an dir vorbei. Eine sehr schräge Erfahrung! ■