Gerichtsprozess

Paula hat zwei Mamas – Paar streitet für Reform

Seit 2017 ist die Ehe in Deutschland für alle geöffnet. Als Eltern haben zwei verheiratete Frauen allerdings nicht die gleichen Rechte wie heterosexuelle Ehepaare. Das Oberlandesgericht Celle beschäftigt sich mit dem Fall einer Familie aus Schellerten.

Teilen
Gesa Teichert-Akkermann (l.) und Verena Akkermann mit ihrer Tochter Paula (elf Monate alt).
Gesa Teichert-Akkermann (l.) und Verena Akkermann mit ihrer Tochter Paula (elf Monate alt).Julian Stratenschulte/dpa

Zwei Frauen aus dem Landkreis Hildesheim kämpfen dafür, beide als Mütter in die Geburtsurkunde ihrer Tochter Paula eingetragen zu werden. Es gehe um eine rechtliche Gleichstellung mit heterosexuellen Ehepaaren, sagte Gesa Teichert-Akkermann (45), die Paula im Februar 2020 zur Welt brachte, der Deutschen Presse-Agentur. Ihre Ehefrau Verena Akkermann (48) sei eine der beiden Mütter, Paula kenne ihre Stimme seit der Schwangerschaft. Nach derzeitiger Rechtslage stehe ihrer Partnerin aber nur das mitunter langwierige Verfahren der Stiefkindadoption offen.

Lesen Sie auch: Homosexualität im Karibik-Sozialismus: Kuba registriert erstmals Kind von zwei Frauen

Dies ist aus Sicht der Akkermanns eine „verfassungswidrige Diskriminierung“. Denn bei heterosexuellen Ehepaaren werde der Vater automatisch in die Geburtsurkunde eingetragen, auch wenn das Kind zum Beispiel mithilfe einer Samenspende entstanden ist.

An diesem Mittwoch beschäftigt sich das Oberlandesgericht (OLG) Celle mit dem Fall, nachdem Anträge der Familie aus Schellerten bei Hildesheim in erster Instanz vom Amtsgericht Hannover und Amtsgericht Hildesheim abgewiesen wurden. Dabei ging es um die Eintragung von Verena Akkermann als zweite Mutter in Paulas Geburtsurkunde sowie die gerichtliche Feststellung eines Eltern-Kind-Verhältnisses. Derzeit ist nur Gesa Teichert-Akkermann eingetragen.

Familie Akkermann will über Familiengerichte eine Gleichstellung mit heterosexuellen Paaren bei der Elternschaft erreichen. Die leibliche Mutter von Paula und ihre Ehefrau wollen gleichermaßen als rechtliche Mütter der kleinen Paula gelten. 
Familie Akkermann will über Familiengerichte eine Gleichstellung mit heterosexuellen Paaren bei der Elternschaft erreichen. Die leibliche Mutter von Paula und ihre Ehefrau wollen gleichermaßen als rechtliche Mütter der kleinen Paula gelten. Julian Stratenschulte/dpa

Das Frauenpaar wird in seinem juristischen Kampf von der Gesellschaft für Freiheitsrechte unterstützt. Nach Auffassung des Vereins, der sich für die Umsetzung von Grund- und Menschenrechten einsetzt, geht die rechtliche Benachteiligung von Familien wie den Akkermanns in erster Linie zulasten der Kinder. Paula habe rechtlich nur eine Mutter und damit gegenüber ihrer zweiten Mutter keinen Anspruch auf Unterhalt, Versorgung oder Erbe. Verena Akkermann benötige selbst für einen Arztbesuch mit der Tochter die Vollmacht ihrer Ehefrau.

Paar will Verfassungsbeschwerde

Laut einem OLG-Sprecher handelt es sich um eine nicht-öffentliche Anhörung per Video. Eine Entscheidung des Familiensenats werde am Mittwoch noch nicht erwartet, sondern in zwei bis drei Wochen schriftlich übermittelt. Sollte das OLG Celle die Mutterschaft von Verena Akkermann nicht anerkennen, will das Paar den Rechtsweg weitergehen – möglicherweise mit einer Verfassungsbeschwerde.

Inzwischen gebe es eine Bewegung von Regenbogenfamilien, die bei Familiengerichten Anträge auf Anerkennung beider Mütter als rechtliche Elternteile stellen, berichtete Teichert-Akkermann.

Lesen Sie auch: Star aus „Juno“ und „X-Men“: „Mein Name ist Elliot“: Schauspieler Elliot Page outet sich als transgender

Das OLG Celle ist nicht das erste hohe Gericht, das sich mit der Elternschaft eines lesbisches Paars beschäftigt. Im Herbst 2018 urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe, dass nach der Einführung der Ehe für alle ein Frauen-Paar nicht automatisch gemeinsam Eltern werden könne. Notwendig sei eine Reform des Abstammungsrechts, hieß es damals. Darüber diskutiert der Bundestag bereits seit einigen Jahren. „Es bleibt immer wieder bei Ankündigungen“, kritisierte Teichert-Akkermann. „Wir vertrauen nicht darauf, dass uns der politische Prozess zu Recht verhilft. Bisher gab es nur Sonntagsreden, aber keine Anpassung der Gesetze.“