Das Handy und soziale Medien sind großer Teil unseres Lebens. Was, wenn man einmal wieder komplett analog unterwegs wäre?
Das Handy und soziale Medien sind großer Teil unseres Lebens. Was, wenn man einmal wieder komplett analog unterwegs wäre? dpa

Morgens tastet die Hand als Erstes nach dem Handy. Es ist Wecker, Tor zur Außenwelt, Kommunikationsmittel, Zahlungshilfe und noch so viel mehr. Dass das regelmäßige Benutzen von Handy oder Smartphone den Menschen verändert, spürt jeder an sich selbst. Nicht selten ist das Gerät wichtigster Begleiter, Minibüro, ja manchmal sogar Alter Ego.

Wer kennt es nicht, das ungute Gefühl, wenn man das Smartphone zu Hause vergessen hat, wenn man ein Wochenende wirklich komplett abschalten soll? Abgeschnitten, ausgeschaltet, so fühlt es sich ohne Handy an. Erst nach einer Weile stellt sich das Gefühl ein, auch ohne Handy endlich wieder im Hier und Jetzt zu sein.

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Eine junge Österreicherin will dieses Phänomen der Vereinnahmung durch die Technik näher erforschen, indem sie zur Gegenprobe ansetzt: Was passiert mit Menschen, die einen Monat lang auf sämtliche digitalen Tätigkeiten verzichten? Linda Meixner, 33 Jahre alt, will dieser Frage nachgehen in einem Experiment, das sie „Offtober“ nennt – also den ganzen Oktober lang ohne Social Media. Schon im letzten Jahr haben 200 Menschen mitgemacht.

Influencerin mit 93.000 Followern schaltet ab

Meixner stammt aus dem Montafon in Vorarlberg, sie ist Absolventin der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) in Konstanz. Dort erwarb sie auch ihren Master in Kommunikationsdesign. Die Computerwelt war für sie selbstverständlich, nach dem Studium startete sie als Influencerin durch. Zuletzt konnte sie auf 93.000 Follower rechnen. Ihnen erklärte sie Lindas Welt – die Berge des Montafon, das Wandern im Sommer und Skivergnügen im Winter. Wunderbare Motive und ideale Hintergründe für schöne Werbebilder.

Offline-Versuch veränderte ihr Leben

Doch bereits als Studentin am Bodensee fiel Meixner auf, wie abhängig sie von den kleinen Geräten ist. Also setzte sie zum Selbstversuch an und verzichtete 66 Tage lang auf jede digitale Betätigung. Daraus entstand ihre Masterarbeit. Außer dem Titel gewann sie eine Einsicht: „Das hat mein Leben verändert“, sagt sie. Sie kam damals wieder zurück „ins Hier und Jetzt“, wie sie das nennt. Das war im Herbst 2020.

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Sie ist inzwischen selbstständig und einen Schritt weiter. Sie hat Probanden gesucht, die während des ganzen Monats Oktober 2022 auf jede Form des Klickens verzichten. Dabei geht es um „digital detox“, wie sie das nennt, also eine mentale Entgiftung. Ob der digitale Konsum von mehreren Stunden täglich tatsächlich eine Sucht darstellt, soll dabei auch erforscht werden. „Wir werden messen, was objektiv im Körper passiert, wenn Menschen offline gehen“, sagt sie im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst. Die Ergebnisse werden eines Tages in die Promotion einfließen, die Linda Meixner anstrebt.

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Und noch ein Projekt hat Meixner gestartet: ein neues Tourismusprojekt. „Unsere Vision ist es, ein Offline Dorf entstehen zu lassen. Mehrere Tage in den Bergen, kein Smartphone, keine Mails, kein WLan – einfach offline sein“, heißt es in der Beschreibung. Eine neue digitale Achtsamkeit soll erlernt werden und das Ganze unter wissenschaftlicher Begleitung.

Offline-Institut will im sorgsamen Umgang mit elektronischen Medien schulen

Mit ihrer empirisch geprägten Analyse will sie weit über den akademischen Raum hinaus wirken. In ihrer Heimat Tschagguns in Vorarlberg gründete sie ein Start-up – das „Offline Institute“. Dort will sie interessierte oder bedürftige Menschen eines Tages im sorgsamen Umgang mit den elektronischen Medien schulen. „Das gibt es bisher nicht“, sagt sie.

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Ziel: digitale Balance. Wann ist es zu viel Zeit am Handy?

Ihr Ziel: „Wir haben bisher keine Bedienungsanleitung für den Umgang mit den vielen digitalen Kanälen. Daran will ich arbeiten.“ Ziel sei eine digitale Balance. Natürlich werde man mit diesen Geräten in Zukunft arbeiten und spielen, aber es gehe um das Gleichgewicht zwischen virtuellem Unterwegssein und der realen Welt.