Die Pegelstände der deutschen Flüsse sind in diesem Jahr sehr niedrig.
Die Pegelstände der deutschen Flüsse sind in diesem Jahr sehr niedrig. dpa/Thomas Frey

Ob Rhein, Weser, Donau oder Edersee: Die Pegelstände vieler Flüsse und Seen in Deutschland sind in diesem Jahr besonders früh gesunken – und auf sehr tiefe Werte. Der Klimawandel trägt dazu bei, doch die Zusammenhänge sind komplex. Besonders für die Wassertierwelt birgt das viele Gefahren. Experten rufen zu Vorsorge statt Nachsorge auf.

Klimaextreme sorgen für Austrocknung der Flüsse

Niedrigwasser ist nach Angaben von Klimaforscherin Diana Rechid vom Climate Service Center Germany (Gerics) ein natürliches Phänomen, allerdings gibt es wie auch in diesem Jahr besondere Klimaextreme, die es verursachen: zum einen sehr trockene Phasen mit wenig Niederschlägen, zum anderen sehr hohe Temperaturen mit hohen Verdunstungsraten. Der Klimawandel fördere das Auftreten solcher Extreme.

Hohe Temperaturen führen laut Jakob Zscheischler vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung unter anderem dazu, dass mehr Wasser aus Flüssen und Seen sowie aus freien Landflächen verdunstet. Zudem gäben Pflanzen mehr Wasserdampf in die Atmosphäre ab, was dem Boden auch Wasser entziehe. Beides trage zu Niedrigwasser bei.

Schneearmer Winter sorgt für niedrige Pegelstände

Klimaforscherin Rechid sieht eine weitere Ursache, bedingt durch den Klimawandel: „Hinzu kommt noch, dass wir im Winter auch sehr wenig Schnee hatten, zum Beispiel. Viele Flüsse werden in den Sommermonaten auch durch zwischengespeichertes Wasser gespeist.“ Dies sehe man etwa am Rhein, der Schmelzwasser aus den Alpen erhalte. Dort habe es im vergangenen Winter wenig Schnee gegeben, in der Folge sei der Wasserabfluss in den Strom geringer gewesen.

Außerdem ist Rechid zufolge insgesamt seit Jahrzehnten ein Rückgang der Gletscher zu beobachten. Dadurch werde weniger Wasser in den Gletschern gespeichert, als Folge werde im Laufe des Sommers weniger Schmelzwasser in die Flüsse abgegeben.

Der Rhein: Wo sonst Wasser ist, ist aktuell Ufer.
Der Rhein: Wo sonst Wasser ist, ist aktuell Ufer. dpa/Christoph Reichwein

Auch der Regen ist entscheidend. In manchen Regionen führt der Klimawandel Zscheischler zufolge zu weniger Regen, zum Beispiel im Mittelmeerraum, was hier zu häufigerem und stärkerem Niedrigwasser führe. In Nordeuropa regne es dagegen mehr infolge des Klimawandels. In Zentraleuropa beobachten Zscheischler und sein Team bisher keinen Langzeittrend, trotzdem führe auch hier der Klimawandel zu leicht längeren Perioden ohne Regen.

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Der Deutsche Wetterdienst (DWD) rechnet damit, dass es in Deutschland zukünftig häufigere und möglicherweise auch intensivere Starkniederschläge geben wird. „Das heißt nicht, dass es in der Summe mehr regnen muss, aber wenn es regnet, dann regnet es doller“, sagt Thomas Deutschländer vom DWD. Dies beziehe sich auf den Sommer. Der Grund dafür sei ein physikalisches Gesetz: Je wärmer die Luft ist, desto mehr Wasserdampf kann sie aufnehmen, und somit kann auch potenziell mehr Wasser abgegeben werden.

Klimawandel bringt Phasen mit zu viel und zu wenig Wasser

Diese Extreme beobachtet auch Klimaforscherin Rechid. „Wir haben ja diesen Gegensatz. Phasen mit zu viel Wasser und Phasen mit zu wenig Wasser.“ Das sollte man ausschöpfen: In Phasen, in denen zu viel Wasser da ist, sollte man dieses nicht zum Meer abführen – sondern versuchen, das Wasser stärker als bisher zwischenzuspeichern, etwa in Zisternen. Diese Speicher könnten dann in wasserarmen Zeiten genutzt werden.

Das Niedrigwasser belastet auch die Wassertierwelt. Andreas Malcherek, Professor für Hydromechanik und Wasserbau von der Universität der Bundeswehr München, beschreibt den Vorgang bildlich: „Sie alle werden das kennen, wenn Sie in einem See baden, ist das Wasser an der Oberfläche recht warm und weiter unten eher kalt. Wenn also ein Fluss eine geringere Wassertiefe hat, hat er auch in den tieferen Bereichen eine höhere Temperatur.“ Das sei mit einem geringeren Sauerstoffgehalt verbunden. Somit hätten die Fische größere Probleme, Sauerstoff zu bekommen, und könnten dadurch sterben.

Aber nicht nur Wärme, sondern auch Schadstoffe können laut Karsten Rinke vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Wassertieren schaden. „Die großen Fließgewässer sind unsere Autobahnen für wassergebundene Abfallbeseitigung in Richtung Meer“, sagt er. Nähr- und Schadstoffe würden zwar durch die Abwasserreinigung erheblich reduziert, aber das Abwasser enthalte immer noch mehr Stickstoff oder Phosphor als das natürliche Flusswasser. Bei Niedrigwasser erhöhe sich die Konzentration solcher Stoffe, was etwa zu starken Schwankungen des Sauerstoffgehaltes und des pH-Wertes führe und folglich Fischsterben auslösen könne. „Wenn Fische sterben, sterben natürlich auch andere Organismen wie Muscheln und Insektenlarven“, sagt Rinke.

Klimaforscherin fordert mehr Vorsorge statt Nachsorge

Laut Rechid ist es keine Lösung, nur Nachsorge zu betreiben, sondern die Vorsorge ist entscheidend. Maßnahmen, die man jetzt entwickle, müssten auch für zukünftige Klimabedingungen konzipiert sein. Sie nennt zum Beispiel bessere Wasserspeicher oder das Anpflanzen von klimagerechten Baumarten an Gewässern. Bäume seien nicht nur Kohlenstoffspeicher, sondern spendeten den Wassertieren auch Schatten.

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Eine wichtige Vorsorge sei aber auch der Klimaschutz, bei dem jeder helfen könne. Dazu gehöre etwa, regenerative Energiequellen zu nutzen, auf klimafreundliche Verkehrsmittel umzusteigen, keine Lebensmittel zu verschwenden oder Energie einzusparen. „Denn wir müssen so schnell wie möglich treibhausgasneutral werden, um den Klimawandel zu begrenzen“, sagt Rechid.

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