Ein Londoner weint am Tor von Buckingham Palace um die tote Queen. Doch bei nicht allen Briten ist die Trauer so groß.
Ein Londoner weint am Tor von Buckingham Palace um die tote Queen. Doch bei nicht allen Briten ist die Trauer so groß. AP/Kirsty Wigglesworth

Im britischen Königreich nimmt man Abschied von der verstorbenen Queen. Die Trauer ist groß, so scheint es. Doch in Wahrheit trauert nicht jeder um die Königin. Kritiker und Royals-Gegner haben den ganzen Trubel um die tote Elizabeth II. satt. Manche hoffen auf eine neue Ära ohne Monarchie.

Lesen Sie auch: Prophezeiung von Nostradamus: König Charles wird schon bald abdanken – und ER wird sein Nachfolger!

So forderte die Interessengruppe Republic, die sich für ein gewähltes Staatsoberhaupt einsetzt, bereits zwei Tage nach dem Tod der Queen eine „nationale Debatte“ über die Zukunft der Royals. „Die Ausrufung eines neuen Königs ist ein Affront gegen die Demokratie“, sagte Republic-Sprecher Graham Smit. Laut Republic sprechen sich über ein Viertel der Briten für die Abschaffung der Monarchie aus.

Lesen Sie auch: Nach dem Tod von Queen Elizabeth: Mehrere Royal-Kritiker bei Protesten festgenommen >>

Wie Marc Tuft (64), Sportlehrer aus dem Londoner Arbeiterviertel Abbey Wood. „Ich respektiere das Lebenswerk der Queen und erkenne an, dass sie sehr populär ist und verehrt wird“, sagt er. Aber er fühle sich von ihrem Tod nicht berührt. „Das ist wie eine Seifenoper“, sagt er. Zwar seien die Gefühle der Menschen teilweise echt. Doch in den Medien kämen Leute gar nicht zu Wort, die gerne über die Abschaffung der Monarchie sprechen wollen. Das werde als Respektlosigkeit ausgelegt. Tuft meint, dass schon bald kritische Stimmen aufkommen werden.

Während der Proklamationszeremonie von König Charles III. wird auf der Straße gegen die Monarchie demonstriert.
Während der Proklamationszeremonie von König Charles III. wird auf der Straße gegen die Monarchie demonstriert. dpa/Isobel Frodsham

Ähnlich sieht das John Coulter (46), der beim Fernsehen arbeitet. Für ihn verkörpern die Royals eine Klassengesellschaft, in der sozialer Aufstieg nur schwer möglich ist. Von ihm aus können die Royals ihre Titel und Schlösser weitgehend behalten, aber er wünscht sich, dass das Land von einem gewählten Repräsentanten vertreten wird. „Wir würden sonst niemals einen Muslim oder eine jüdische Person als Staatsoberhaupt bekommen“, sagt er. Jeder sollte die Möglichkeit haben, das Amt des Staatschefs zu erreichen.

Monarchie-Gegner sind derzeit unerwünscht: Die Polizei vertreibt vor dem Parlament vor der Ankunft von König Charles III. eine Frau. Auf ihrem Schild steht: „Not my King“ (Nicht mein König).
Monarchie-Gegner sind derzeit unerwünscht: Die Polizei vertreibt vor dem Parlament vor der Ankunft von König Charles III. eine Frau. Auf ihrem Schild steht: „Not my King“ (Nicht mein König). dpa/Vuk Valcic

Selbst die neue Premierministerin kritisierte einst die Royals

Eine Sicht, die auch Großbritanniens neue Premierministerin Liz Truss einst vertreten hat. In ihrer Zeit als Mitglied der liberaldemokratischen Partei Mitte der 1990er-Jahre sagte sie einmal in eine Fernsehkamera, es sei „schändlich“, dass Menschen zum Herrschen geboren würden. Das sieht sie inzwischen freilich anders.

Groß ist die Kritik an der Monarchie in den ehemaligen Kolonien in der Karibik. So kündigte der Regierungschef von Antigua und Barbuda unmittelbar nach dem Tod der Queen ein Referendum über die Loslösung vom britischen Königshaus innerhalb von drei Jahren an.

Lesen Sie auch: Staatsbegräbnis der Queen: Staatsgäste müssen mit einem Linienflug anreisen, dürfen nur mit Bus zur Trauerfeier fahren>>

In Barbados, das sich erst im vergangenen November vom britischen Königshaus losgesagt und zur Republik erklärt hatte, und in Jamaika, wo Premierminister Andrew Holness im März einen Abschied von der Krone angedeutet hatte, kondolierten die Regierungschefs und drückten Bewunderung für Elizabeth II. aus. Es wurden aber auch karibische Stimmen laut, die dies angesichts der Geschichte britischer Kolonialherrschaft ablehnten.

Sportlehrer und Monarchie-Gegner Marc Tuft (64) aus London. Er empfindet den Rummel um die gestorbene Queen als „Seifenoper“. 
Sportlehrer und Monarchie-Gegner Marc Tuft (64) aus London. Er empfindet den Rummel um die gestorbene Queen als „Seifenoper“.  dpa/Christoph Meyer

Professorin twitterte, als die Queen im Sterben lag: „Mögen ihre Schmerzen unerträglich sein“

Laut einem Bericht der Zeitung „Jamaica Star“ wollten sich die Vertreter der Rastafari-Religion auf Jamaika - deren wohl bekanntester Anhänger Bob Marley war - nicht an der dort ausgerufenen Staatstrauer beteiligen. Das richte sich nicht gegen die Queen persönlich, sondern gegen das koloniale System, das sie angeführt habe, sagte demnach Priester Trevor Stewart.

Lesen Sie auch: KURIER-Leserin Ingrid Baitz erinnert sich: So feierte ich mit der Queen Geburtstag>>

Manche gingen einen Schritt weiter. Der Schriftsteller Ruel Johnson aus dem südamerikanischen Guyana zitierte etwa auf Facebook ein Gedicht des Poeten Martin Carter, der wegen Protests gegen die britische Herrschaft über das kleine Land 1954 inhaftiert worden war - zu dem Zeitpunkt war Elizabeth II. Königin und das heutige Guyana britische Kolonie. Dazu schrieb Johnson: „Kennt die Geschichte. Man hat euch ein sorgfältig kuratiertes Bild von Tassen Tee, Crumpets und Corgis vermittelt, obwohl das, was existiert, auf Blut und Ungerechtigkeit aufgebaut wurde.“

Für Aufregung sorgte die aus Nigeria stammende Professorin Uju Anya von der Carnegie Mellon University in den USA. Als Elizabeth II. im Sterben lag, twitterte Anya: „Mögen ihre Schmerzen unerträglich sein.“ Kritik daran kam unter anderem von Amazon-Gründer Jeff Bezos, Twitter entfernte die Nachricht, ihre Universität distanzierte sich in einer Mitteilung von Anya.