Konzerte, Theater, Castings und die Hoffnung auf Partys

New York atmet nach einem Jahr Corona-Albtraum langsam wieder auf

Immer mehr New Yorker werden geimpft – eine Metropole träumt von der Rückkehr ins pralle Leben, die Künstler von ihrem Publikum. 

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In der Hoffnung auf bessere Zeiten: Broadway-Tänzer bei einer kurzen Performance unter freiem Himmel am Times Square in New York im März 2021. 
In der Hoffnung auf bessere Zeiten: Broadway-Tänzer bei einer kurzen Performance unter freiem Himmel am Times Square in New York im März 2021. Foto: AP Photo/Mark Lennihan

Wenn die Sonne in diesen Frühlingstagen über Manhattan aufgeht, liegt etwas in der Großstadtluft, sagte eine New Yorkerin kürzlich. Die Straßen sind voller, die U-Bahnen und Bars ebenso, die Gespräche der Passanten scheinen ausgelassener, Freundesgruppen besiedeln die Parks, planen Ausflüge, Reisen und die ersten Hauspartys. So muss es sich anfühlen, wenn eine Metropole nach einem Jahr Corona-Albtraum langsam aufatmet.

Mit jedem Geimpften steigt die Aufbruchsstimmung – trotz weiterhin hoher Infektionszahlen. Die Künstler der US-Ostküstenmetropole sehnen sich ihr Publikum herbei. Nur noch wenige Wochen, glauben sie, und New York ist zurück. Was folgen könnte und was in Deutschland im Moment unmöglich erscheint: ein Sommer wie im Rausch.

Die Holztüren vom „Bitter End“ sind jedenfalls wieder offen. Im legendären Club im Greenwich Village gingen einst Joni Mitchell und Bob Dylan ein und aus – in Zeiten, in denen schlechte Luft und tropfender Schweiß zu den typischen Merkmalen von New Yorker Live-Shows gehörten. Das wird im 60. Jahr des „Bitter End“ erst mal anders, denn die Corona-Auflagen der Stadt ließen Anfang April nur einige Dutzend statt einige Hundert Besucher beim ersten Konzert nach Wiedereröffnung zu. Aber immerhin: Es gibt sie wieder, die Konzerte!

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Fast die Hälfte der New Yorker ist bereits vollständig geimpft

Im „Bitter End“ plant auch die New Yorker Singer-Songwriterin Samantha Echo ihre Rückkehr auf die Bühnen der Stadt. Im August soll hier ihr erstes Konzert stattfinden, sagt sie. Und sie freut sich auf das Jahr, das ein Ende der Pandemie verspricht: „Uns waren so lang die Hände gebunden“, meint Echo. „Ich glaube, ich werde es viel mehr wertschätzen, aufzutreten.“ Nach der harten Zeit – vor über einem Jahr war das Leben in New York mit einem Lockdown heruntergefahren worden – würden Künstler in der Metropole künftig noch mehr geschätzt, glaubt sie.

Die New Yorker Sängerin und Samantha Echo im Central Park. 
Die New Yorker Sängerin und Samantha Echo im Central Park. Foto: dpa/Chuck Capriola/Samantha Echo

Echo ist erst Anfang 30, doch wie so viele in New York bereits vollständig geimpft. Das Mindestalter zur Anmeldung wurde jüngst auf 16 heruntergeschraubt, die Termine der Dutzenden Impfzentren sind auch in der Nacht ausgebucht. Fast die Hälfte der Bewohner über 18 Jahren in der Millionen-Metropole hat zumindest schon eine Impfdosis bekommen. Die Kampagne geht mit großen Schritten voran – Sorgen gibt es nur, dass eine beträchtliche Anzahl an Impfskeptikern oder eine Mutation den Traum der Post-Corona-Freiheit zerstören könnte.

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Trotz hoher Infektionszahlen steigt die Partystimmung

Derweil bleiben die Infektionszahlen weiter besorgniserregend hoch, doch Experten rechnen mit einer möglichen Entspannung ab Mai. Auch wenn der Bundesstaat New York wohl noch Monate an einigen Beschränkungen festhalten wird: Die Partystimmung dürfte Woche für Woche steigen. Schon jetzt werden erste Pläne für kleinere Privatfeiern gemacht. Discos eröffnen wieder ihren Außenbereich – und im Untergrund haben einige nie aufgehört zu feiern.

Auch der Broadway ist auf dem Weg in die Freiheit, allerdings mit Mini-Schritten: Kürzlich besuchten 150 Zuschauer im St. James Theatre, das eigentlich 1700 Menschen fasst, eine halbstündige Testshow. Ein Lebenszeichen für alle 41 Häuser am Broadway, für den die Wiederauferstehung besonders schwierig werden dürfte.

Annie Hägg, Schauspielerin, steht in ihrem improvisierten Studio in ihrer Wohnung in Manhattan. 
Annie Hägg, Schauspielerin, steht in ihrem improvisierten Studio in ihrer Wohnung in Manhattan. Foto: dpa/Benno Schwinghammer

„Die schlimmste Sache für uns war, dass wir kein Theater mehr spielen konnten“, erklärt Annie Hägg. Die Schauspielerin empfängt in der Küche ihrer Wohnung in der Upper East Side, das sie zu einem provisorischen Studio für Vorsprechen per Video umfunktioniert hat.

Vor der Pandemie hatte sie gute Rollen – unter anderem in der Serie „Hunters“. Dann brach für einige Monate alles zusammen. „Keiner wusste, wie ihm geschah“, erinnert sich die 30-Jährige. Das Gute sei, dass Film- und Fernsehen im Herbst wieder unter Auflagen produzierten. Doch bis heute absolviert Hägg alle Vorsprechen aus ihrer Wohnung – mit anderen Schauspielern ist sie fast nie zusammen. 

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Die Auswahlprozesse für neue Theaterstücke nehmen in diesen Tagen wieder an Fahrt auf. Und Hägg ist voller Hoffnung, bald wieder Rollen auf der klassischen Bühne spielen zu können, an der Seite ihrer Kollegen. Worauf sie sich in den kommenden Monaten persönlich am meisten freut? „Partys!“, platzt es aus ihr heraus. „Wir hatten mal so viele Partys. Und ich liebe es, Gastgeberin zu sein“.

2021, so hoffen die New Yorker, wird das Jahr der Feiern, der Ausstellungen, der Konzerte und Shows. Es könnte ein Sommer werden, in dem die Bewohner mangels internationalem Tourismus ausnahmsweise einmal unter sich sind. Und auch Sängerin Samatha Echo elektrisiert die Aussicht auf eine Zeit der Freiheit: „Die Menschen werden einfach so glücklich sein, wieder raus zu können und so viel netter zu einander sein. Das glaube ich jedenfalls. Aber vielleicht bin ich naiv.“.