Der Untergang der „Estonia“ gilt als die schwerste Schiffskatastrophe in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg.
Der Untergang der „Estonia“ gilt als die schwerste Schiffskatastrophe in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. dpa/Lehtikuva

Sie liegt seit 28 Jahren auf dem Grund der Ostsee und immer noch gibt es Fragen zum Untergang der Fähre „Estonia“. Das Schiff war von Tallinn nach Stockholm unterwegs, als es in der Nacht zum 28. September 1994 im Sturm sank. 989 Menschen waren an Bord, 852 von ihnen starben, nur 137 überlebten. Die offizielle Unglücksursache – ein abgerissenes Bugvisier der Fähre – wurde immer wieder angezweifelt. Diese Zweifel erhalten jetzt neue Nahrung. Denn bei neuen Untersuchungen des Wracks wurden viel größere Schäden entdeckt als bisher bekannt.

Allein das Loch an der Steuerbordseite sei mindestens 40 statt der bisher angenommenen 22 Meter lang, teilte der Leiter der Havariekommission, Rene Arikas, am Mittwoch (29. Juni) in Tallinn mit. Der Schaden sei so groß, dass ein kleiner Unterwasserroboter bis auf das Autodeck habe vordringen können. „Wir werden diesen Schaden höchstwahrscheinlich im Laufe weiterer Studien erneut vermessen“, sagte der Experte bei einer Pressekonferenz zu einer Vorstudie am Schiffswrack.

Im Mai und Juni war es bei Untersuchungen an der „Estonia“ gelungen, bis zu 15 Meter weit auf das Autodeck vorzudringen. Dabei habe der Roboter Bilder von Autoteilen, Plastiktüten, Kabeln und Seilen aufgenommen. Insgesamt könnte das Innere des Autodecks bis zu einer Tiefe von 45 Metern erkundet werden. Dafür müsse aber eine andere Technologie eingesetzt werden, sagte Arikas.

Experten machten Tausende Bilder vom Wrack der „Estonia“

Im nächsten Schritt soll mithilfe der photogrammetrischen Daten ein Modell der gesunkenen Fähre und des Meeresbodens erstellt werden: Es seien mehr als 40.000 Bilder vom Wrack gemacht worden, sagte Arikas. Auf deren Grundlage soll im Herbst ein digitaler Zwilling der „Estonia“ entstehen.

In Auftrag der Hinterbliebenen-Organisation hatte ein privat finanziertes Expertenteam aus Estland im September 2021 eine Expedition und Tauchgänge zu dem Wrack an der Unglücksstelle in der Ostsee unternommen – parallel zur offiziellen Untersuchung. Diese war von den staatlichen Behörden eingeleitet worden, nachdem im Herbst 2020 Dokumentarfilmer mit einem Tauchroboter unter anderem Löcher im Schiffsrumpf entdeckt hatten.