Teure Studiengebühren, hohe Lebenslhaltungskosten
Nebenjob Sex: Wie Corona Studierende in die Prostitution treibt
Ein Studium ist teuer, doch Nebenjobs sind wegen der Pandemie rar. Für einige Studierende lautet die Lösung: Sexarbeit.

Lucy sah für sich keine andere Möglichkeit mehr. Den Nebenjob in einer Bar hatte sie wegen der Pandemie verloren, eine neue Stelle war nicht zu finden. Nun reichte das Geld fürs Studium nicht mehr. „Ich habe Sexarbeit gewählt“, sagte Lucy dem Uni-Portal The Tab. „Mir hat Sex immer Spaß gemacht, und es gab einfach keine andere Möglichkeit, die sich an meinen Uni-Zeitplan anpassen ließ.“ Zuerst bot Lucy Bilder über das Erotikportal OnlyFans an, doch auch das war nicht genug. Deshalb prostituierte sich die Britin, traf Freier.
Das Studium im Vereinigten Königreich ist teuer. Einheimische zahlen bis zu 9250 Pfund (11.000 Euro) Studiengebühr im Jahr, für Ausländer ist es mehr als doppelt so teuer. Hinzu kommen hohe Lebenshaltungskosten. Rund zwei Drittel der Studierenden gehen einem Nebenjob nach, auch weil das staatliche Unterhaltsdarlehen im Schnitt 223 Pfund niedriger ist als die Lebenshaltungskosten.
Bis zu 70.000 studierende Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter
Wie Lucy, die eigentlich anders heißt, geht es in Großbritannien Tausenden, die meisten sind Frauen. Eine Umfrage des Finanzportals Save the Student ergab, dass 3 Prozent sich mit Sexarbeit das Studium finanzieren, weitere 9 Prozent spielen mit dem Gedanken. Die Studentenvertretung der Uni Kingston schätzt die Zahl der studentischen Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter im Land auf bis zu 70.000.
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Dennoch: In der Öffentlichkeit war studentische Sexarbeit kaum Thema. Doch das ändert sich, auch weil die konservative Regierung nun einen Skandal wittert. Anlass ist ein Online-Training, das die Studentenvertretung der Universität Durham angeboten hatte. Dabei ging es darum, denjenigen Hilfe, Unterstützung und Tipps anzubieten, die mit Sexarbeit Geld verdienen oder dies erwägen. Zuvor hatte bereits die Universität Leicester ihren Studenten versichert, dass es legal sei, sich gegen Geld vor Kameras auszuziehen oder sich von reichen Männern, sogenannten Sugardaddys, aushalten zu lassen.
Hochschul-Staatssekretärin Michelle Donelan zeigte sich empört. Die Universitäten würden eine „gefährliche Branche“ legitimieren, sagte Donelan. „Dieser Kurs will den Verkauf von Sex, der keinen Platz an unseren Universitäten hat, normalisieren.“ Doch die Entrüstung wirkte schnell wie ein Sturm im Wasserglas. „Wir entschuldigen uns nicht für unsere Arbeit, mit der wir sicherstellen, dass Durham eine sichere Umgebung für alle Studierenden und Mitarbeiter bietet“, teilte die Universität Durham mit. Es gebe viele Kurse, um in Fragen psychischer Gesundheit, Drogen oder Alkohol zu unterstützen.
Studentenvertreter weisen vor allem darauf hin, dass ein konstruktiver Ansatz notwendig sei. „Studentische Sexarbeiterinnen sind eine Tatsache des modernen Lebens“, betonte Jonah Graham von der Durham Students Union. Dies zu ignorieren, bedeute einen schweren Fehler mit Auswirkungen auf die Studierenden. Immer wieder ist von Studierenden zu hören, die nach ihrem Abschluss den Ausstieg aus der Sexarbeit nicht schaffen oder an posttraumatischer Belastungsstörung leiden. Doch viele Unis klammerten das Thema aus.
Zahl der Sexarbeiter hat in der Pandemie deutlich zugenommen
Dabei hat die Zahl der studentischen Sexarbeiter in der Pandemie nach Einschätzung von Experten deutlich zugenommen, auch dank des Online-Angebots. „Mit der Zunahme von Plattformen wie OnlyFans oder JustForFans können alle von ihrem Zuhause oder aus ihrem Wohnheim Sexarbeit betreiben“, schrieben Elizabeth Buckner und Aaron Brown von der kanadischen Universität Toronto. Die Userzahlen von OnlyFans haben sich in der Corona-Krise vervielfacht.
Studentische Sexarbeit ist zudem nicht auf Großbritannien beschränkt. Auch in Deutschland dient Sex als Nebenjob, wie spätestens mit dem autobiografischen Roman „Fucking Berlin“ (2008) von Sonia Rossi deutlich wurde. Basierend auf Umfragen ist auch in Deutschland von Zehntausenden auszugehen, die mit Nacktfotos, Erotikvideos, dem Verkauf gebrauchter Unterwäsche, Escort-Services, Telefonsex oder Prostitution ihr Studium finanzieren.
Wichtig bleibt die Aufklärung. „Es ist wichtig, dass alle Universitäten eine Richtlinie zur Sexarbeit haben, um zu verhindern, dass Studierende Diskriminierung oder Vorurteile erfahren“, sagte Jessica Hyer Griffin, Gründerin des Hilfswerks Support for Student Sex Workers. Die Universitäten müssten zudem mehr Beschäftigte schulen. „Sexarbeit wird für Studenten nicht verschwinden, die Universitäten müssen dem Rechnung tragen und die Studenten schützen.“