Architekt Rex Heuermann

Mutmaßlicher Serienmörder von Long Island beschäftigt die USA

Vor 13 Jahren fand die Polizei auf Long Island mehr oder weniger zufällig die Überreste von insgesamt elf Leichen. Lange Zeit gab es kaum Bewegung in dem Fall. Dann geht alles sehr schnell.

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Die Beamten arbeiten am Grundstück rund um das Haus des verdächtigen New Yorker Architekten Rex Heuermann. Vor 13 Jahren fand die Polizei auf Long Island mehr oder weniger zufällig die Überreste von insgesamt elf Leichen. Lange Zeit gab es kaum Bewegung in dem Fall. Nun kommen nahezu täglich neue Details über die Opfer und den mutmaßlichen Täter an die Öffentlichkeit. 
Die Beamten arbeiten am Grundstück rund um das Haus des verdächtigen New Yorker Architekten Rex Heuermann. Vor 13 Jahren fand die Polizei auf Long Island mehr oder weniger zufällig die Überreste von insgesamt elf Leichen. Lange Zeit gab es kaum Bewegung in dem Fall. Nun kommen nahezu täglich neue Details über die Opfer und den mutmaßlichen Täter an die Öffentlichkeit. Seth Wenig/AP/dpa

Decknamen, Wegwerfhandys, DNA-Spuren auf einer Pizza – die Anklageschrift gegen den New Yorker Architekten Rex Heuermann macht den Fall schon vor Prozessbeginn zum Medienspektakel. Mit dem 32-seitigen Dokument bringt die Staatsanwaltschaft von Suffolk County im amerikanischen Bundesstaat New York einen mutmaßlichen Serienmörder vor Gericht: Der 59-Jährige aus Long Island soll zwischen 2007 und 2010 mindestens drei Frauen ermordet haben.

In einem vierten Mordfall gilt er ebenfalls als Hauptverdächtiger, mangels Telefondaten ist aber keine Anklage erhoben worden. Heuermann plädiert zu allen Vorwürfen auf „nicht schuldig“. Wegen der Schwere der Vorwürfe lehnte der Vorsitzende Richter eine Kaution ab – bis zum Prozessbeginn sitzt Heuermann deshalb in Haft.

Treffen mit Sexarbeiterinnen vereinbart

In der Anklageschrift legen die Ermittler detailliert Heuermanns mutmaßliches Vorgehen dar. Demnach habe er über Wegwerfhandys Treffen mit den Frauen arrangiert, die als Sexarbeiterinnen tätig waren. Mobilfunkdaten zeichnen beispielsweise nach, wie sich sein Handy erst alleine in die Gegend seines Büros in Manhattan und dann gemeinsam mit dem eines Opfers wieder in Richtung Long Island bewegte.

Eine Auflistung seiner Internet-Suchen öffnet derweil mutmaßlich ein Fenster in Heuermanns Gedankenwelt – unter Decknamen habe er „Tausende Anfragen zu Sexarbeiterinnen, sadistischer Folter und Kinderpornografie“ gestellt. Wiederholt recherchierte er außerdem den Ermittlungsstand der Polizei.

Beamte des Kriminallabors kommen zu dem Haus, in dem ein Verdächtiger  gelebt haben soll, der im Zusammenhang mit einer seit 13 Jahren ungelösten Mordserie, den sogenannten Gilgo-Beach-Morden von Long Island, steht. Der 59-jährige angeklagte New Yorker Architekt Rex Heuermann soll zwischen 2007 und 2010 mindestens drei Frauen ermordet haben.  
Beamte des Kriminallabors kommen zu dem Haus, in dem ein Verdächtiger gelebt haben soll, der im Zusammenhang mit einer seit 13 Jahren ungelösten Mordserie, den sogenannten Gilgo-Beach-Morden von Long Island, steht. Der 59-jährige angeklagte New Yorker Architekt Rex Heuermann soll zwischen 2007 und 2010 mindestens drei Frauen ermordet haben. Eduardo Munoz Alvarez/AP/dpa

Letzte Indizien lieferte schließlich die DNA an weggeworfenen Plastikflaschen und Pizzaresten. Anhand dieser Spuren konnten die Ermittler den Verdächtigen mit Beweismitteln an den ermordeten Frauen verknüpfen. Seine Ehefrau war zum Zeitpunkt der Taten jeweils verreist. Nach Heuermanns Festnahme am 13. Juli entdeckten Ermittler im gemeinsamen Zuhause – einem verwahrlost anmutenden Einfamilienhaus in der Kleinstadt Massapequa – einen begehbaren Tresor mit einem regelrechten Waffenarsenal.

Elf Leichen in Long Island

Es ist ein Meilenstein in lange brachliegenden Ermittlungen, die vor 13 Jahren an der Südküste Long Islands begannen. Etwa eine Stunde Autofahrt von Manhattan entfernt reihen sich kleine Gemeinden an einer langen Landstraße aneinander. Wohlhabende New Yorker entfliehen hier gerne dem heißen Großstadtsommer; Restaurants mit Meerblick servieren frische Austern und Frittiertes.

In dieser vermeintlichen Idylle wählten in den frühen Morgenstunden des 1. Mai 2010 mehrere Bewohner des Örtchens Oak Beach den Notruf: Eine junge Frau klopfe offenbar ziellos an Türen. Davor hatte sie selbst die 911 angerufen. „I need help“ (Ich brauche Hilfe), hört man sie in der veröffentlichten Aufzeichnung sagen. Kurze Zeit später war sie verschwunden.

Die Beamten arbeiten am Haus des verdächtigen New Yorker Architekten Rex Heuermann. 
Die Beamten arbeiten am Haus des verdächtigen New Yorker Architekten Rex Heuermann. Seth Wenig/AP/dpa

Der Vorfall löste eine groß angelegte Suche aus, in deren Zuge bis Dezember 2011 die Überreste von insgesamt elf Leichen gefunden wurden, sechs davon am Gilgo Beach.

Sieben Frauen im Alter zwischen 22 und 27 Jahren wurden identifiziert, darunter die seit Mai 2010 Vermisste. In ihrem Fall geht die Polizei von einem Unfall aus – ihre Angehörigen glauben das nicht. Bei den unidentifizierten Toten handelt es sich um einen Mann, ein Kleinkind und zwei weitere Frauen. Während unklar ist, inwiefern die Fälle zusammenhängen, gab es laut Ermittlern bei vier der weiblichen Opfer klare Gemeinsamkeiten. Um diese „Gilgo Four“ dreht sich die Anklage gegen Heuermann.

Nach den Funden gingen die Untersuchungen lange nur stockend voran. Angehörige vermuteten fehlendes Interesse vonseiten der Behörden, weil es sich bei den Opfern um Sexarbeiterinnen handelte. Menschen in dieser Berufsgruppe sind einem hohen Gewaltrisiko ausgesetzt – im Kontakt mit Freiern und Zuhältern, aber auch mit der Polizei. Weil Sexarbeit in den USA weitgehend illegal ist, sind Betroffene häufig selbst das Ziel von Strafverfolgung.

Wurde Spuren nicht nachgegangen?

Um 2016 herum kamen dann mehrere der an den Ermittlungen Beteiligten im Zuge eines Korruptionsskandals ins Gefängnis – und Spekulationen, ob die Morde nicht längst hätten aufgeklärt sein können, wurden lauter. Ein Schlüsseldetail befeuert diese Annahme: So erwähnte ein Zeuge bereits 2010 ein auf Heuermann zugelassenes Auto. Dieser ausschlaggebenden Spur wurde aber erst 2022 nachgegangen.

Der Fall stößt in den USA auf großes mediales Interesse – in Sachen True Crime ist die amerikanische Entertainment-Maschine besonders gut geölt. Nahezu täglich kommen neue Details über die Opfer und den mutmaßlichen Täter an die Öffentlichkeit. In den sozialen Medien und diversen Podcasts kommentieren Hobby-Kriminologen das Geschehen. Auch entfernt Beteiligten winkt kurzweilige Aufmerksamkeit: „Mein Boss, das Monster“ heißt der Essay einer ehemaligen Mitarbeiterin Heuermanns im New York Magazine. „Rex Heuermann war mein Klassenkamerad“, trägt Alec Baldwins Bruder Billy auf Twitter bei.

Während Fernsehkameras und die Augen von Schaulustigen auf das Einfamilienhaus in Massapequa gerichtet sind, ist die oft eindimensionale Charakterisierung der Opfer für manche Angehörige schwer zu ertragen. „Ich mag nicht, wie sie über sie sprechen“, sagte die Schwester einer der ermordeten Frauen einmal gegenüber der New York Times. Sie sei auch eine Mutter gewesen, ein Freigeist, künstlerisch und mutig. „Für ihre Tochter und mich bedeutete sie die Welt.“