Blutentnahmeröhrchen mit Aufschrift Covid-19 (Symbolfoto).
Blutentnahmeröhrchen mit Aufschrift Covid-19 (Symbolfoto). Foto: imago images

Weltweit suchen Forscher nach Wegen, um die sich rasant ausbreitenden Corona-Infektionen zu stoppen. Doch ein Impfstoff lässt wohl noch länger auf sich warten. Frühestens im Frühjahr 2021 könne ein Mittel gegen die Lungenkrankheit Covid-19 zur Verfügung stehen, heißt es aus dem Paul-Ehrlich-Institut, das als Bundesinstitut für die Zulassung von Impfstoffen zuständig ist. Möglicherweise könnten dann auch größere, besonders gefährdete Gruppen im Rahmen von Studien geimpft werden. Zwar gibt es weltweit 47 Projekte zur Entwicklung eines Impfstoffs. Erste Testreihen mit wenigen Personen beginnen gerade. Doch bis zur Zulassung ist es ein weiter Weg, weil ein Impfstoff gründlich auf Sicherheit und Wirksamkeit getestet und dabei mehrere Phasen durchlaufen muss.

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Hoffnung dagegen versprechen gerade einige Medikamente, die bereits zugelassen sind oder bei denen die Forschung schon weit vorangeschritten ist. Dabei geht es nicht um eine Immunisierung gegen das Virus Sars-CoV-2, sondern um eine Linderung der Symptome, um die Rettung von Leben. Die Bundesregierung hat zum Beispiel gerade beim Pharma-Unternehmen Bayer größere Mengen eines Malaria-Prophylaxe-Mittels für Deutschland reserviert, wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland mitteilte. "Wir wollen schnell wissen, ob dieses Medikament bei Corona hilft", sagte Spahn. Deshalb begleiteten deutsche Behörden alle Studien dazu mit Hochdruck.

Erfolgreiche Studie in China

Es geht um das Mittel Chloroquin. Es besteht aus chemischen Verbindungen, die dem Chinin verwandt sind. 1934 kam es auf den Markt und wurde seitdem massenhaft zur Malariaprophylaxe eingesetzt. Schon vor 16 Jahren vermuteten Wissenschaftler, dass das Mittel auch gegen Coronaviren wirken könnte. "Bereits 2004 führten wir Forschungen zu Chloroquin durch. Das war kurz nach dem Ende der Sars-Epidemie", erzählt der Forscher Marc van Ranst von der Katholischen Universität im belgischen Leuven. Im Labor wurde damals die antivirale Wirkung des Medikaments bestätigt.

Doch an Sars-Patienten konnte Chloroqin damals nicht mehr getestet werden. Dafür starteten chinesische Forscher im Februar 2020 eine Studie, das auf die belgischen Experimente aufbaute. Denn das neue Coronavirus ist mit dem Sars-Cornavirus der Epidemie von 2002/2003 verwandt. In zehn chinesischen Krankenhäusern testeten Virologen Chloroquin an etwa 100 Patienten. Diese wurden eine Woche lang damit behandelt. Wie Mediziner berichteten, sei bald darauf das Fieber zurückgegangen, die Lungenfunktion habe sich verbessert. Die Patienten seien schneller virusfrei gewesen und genesen. "Ich denke, dass es zu gegebener Zeit bessere antivrale Mittel geben wird", sagt der belgische Forscher Marc van Ranst. "Aber sie werden auch teurer sein." Chloroqin sei dagegen extrem billig und schnell herzustellen.

Erste vielversprechende Studien in Marseille

Das Tübinger Institut für Tropenmedizin will nun möglichst bald - ab der kommenden Woche - eine Testgruppe moderat an Covid-19 Erkrankter mit Chloroquin behandeln und einer Kontrollgruppe Placebos geben. Denn die Wirksamkeit ist offenbar doch noch nicht endgültig bewiesen. Zwar wurden in China und auch in Italien viele Patienten mit dem Mittel behandelt. Aber die Erkrankten hätten Chloroquin zum Teil in sehr hoher Dosierung und zusammen mit weiteren Medikamenten bekommen, wie es aus dem Tübinger Institut für Tropenmedizn heißt. "Es kann auch sein, dass es nicht wirkt oder sogar schadet", sagte der Institutsdirektor Peter Kremsner.

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Die Firma Bayer soll auch der US-Regierung größere Mengen von Chloroquin zugesagt haben, wie es in US-Medienberichten heißt. Der französische Pharmakonzern Sanofi wiederum bot der französischen Regierng mehrere Millionen Dosen seines Malaria-Mittels Plaquenil für den Kampf gegen Corona an. Damit könnten bis zu 300.000 Infizierte behandelt werden. Eine erste Studien an 24 Erkrankten in Marseille seien "vielversprechend" gewesen, heißt es aus dem dortigen Institut für Infektionskrankheiten. Bei drei Vierteln der Patienten sei das Virus nach einer Woche nicht mehr nachweisbar gewesen. Die französische Regierung wil die Tests nun auf eine größere Gruppe von Patienten ausweiten. Auch Plaquenil berht auf einem chemisch mit Chinin verwandten Arzneistoff.

Der Weg in die Zellen wird blockiert

Auch weitere Mittel werden weltweit auf ihre mögliche Wirksamkeit gegen Covid-19 hin untersucht. Dabei soll es um mehr als 20 Wirkstoffe gehen. Zu den Medikamenten, die helfen sollen, gehören Kaletra und Remdesivir. Ersteres wurde bereits bei der Sars-Epidemie 2002/2003 eingesetzt. Es wird in Form von Tabletten oder Saft zur Behandlung der HIV-Infektion eingelassen. Kaletra blockiert den Weg des Virus in die Zellen. Somit kann es die Zelle nicht zwingen, zur Virusfabrik zu werden und jeweils bis zu 1.000 neue Viren zu produzieren. Allerdings soll das Mittel bei Covid-19 nur in schweren Fällen eingesetzt werden, wenn die Atmung nicht mehr funktioniert.

Remdesivir wiederum ist gegen Ebola entwickelt, aber nie zugelassen worden. Die Wirksamkeit war zu schlecht. Dafür aber wurde in Zellkulturen nachgewiesen, dass es gegen Coronaviren aktiv wird. Es verhindert zwar nicht das Eindringen des Virus in die Zellen, aber dessen Vermehrung im Lungengewebe. Klinische Studien sollen nun klären, ob das Medikament für einen größeren Einsatz gegen Covid-19 geeignet ist.

Forscher setzen auf bereits existierende Medikamente

Lübecker Forscher wiederum entwickeln einen Wirkstoff, der ein Enzym lahmlegen soll, das das Virus braucht, um in die Lunge einzudringen. An dem Wirkstoff arbeitet ein Forscherteam um Rolf Hilgenfeld an der Universität Lübeck. Bald soll er im Fachjournal Science vorgestellt werden. Aber bis zu einem Medikament ist es noch ein weiter Weg.

In der aktuellen Corona-Krise setzen Forscher vor allem auf bereits existierende Medikamente. Unter anderem haben Forscher der Berliner Charité und des Leibniz-Instituts für Primatenforschung in Göttingen einen Eiweißstoff identifiziert, der für den Eintritt des Virus in Lungenzellen unverzichtbar ist. Und dieser lässt sich möglicherweise mit dem Medikament Camostat Mesilate blockieren, das in Japan zur Behandlung von Bauchspeicheldrüsen-Entzündungen zugelassen ist. "Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Camostat Mesilate auch vor der Krankheit Covid-19 schützen könnte", sagte Markus Hoffmann, Infektionsbiologe am Deutschen Primatenzentrum. Dies sollte weiter untersucht werden.