Kritik an Impfstrategie: Christian Drosten nimmt Jens Spahn in Schutz
Im Nachhinein sei das Vorgehen bei der Bestellung von Impfstoffen kaum zu bewerten, so der Charité-Virologe.

Anders als zahllose Kritiker der Impfstrategie von EU und Bundesregierung hält der Virologe Christian Drosten es nicht für möglich, das Vorgehen bei der Bestellung von Impfstoffen rückblickend zu bewerten. „Das ist so eine komplexe Angelegenheit. Man musste den Impfstoff mit Monaten Vorlauf bestellen - und wusste zu dem Zeitpunkt gar nicht, ob der betreffende Impfstoff auch funktionieren würde“, sagte er der Berliner Morgenpost am Sonntag. „Es ist jetzt praktisch unmöglich, das im Nachhinein zu bewerten.“
Drosten erwartet zudem in der Corona-Krise für 2021 herausfordernde erste sechs Monate. „Ich schaue schon optimistisch auf das neue Jahr, aber ich glaube, dass die erste Jahreshälfte sehr kompliziert werden wird“, sagte Drosten der Zeitung. Er gehe davon aus, „dass ab der zweiten Jahreshälfte eine Entspannung eintreten könnte, aber nur, wenn man es schafft, ganz viele Personen in den ersten sechs Monaten zu impfen“.
Drosten: EU sollte Astrazeneka-Vakzin schnell beschaffen
Die EU sollte aber schnell hinterherkommen, den in Großbritannien bereits Notfall-zugelassenen Impfstoff von Astrazeneca zu bekommen. „Denn dieser Impfstoff kann auch in normalen Arztpraxen geimpft werden. Bei diesem Impfstoff hat man nicht die besondere Kühlpflicht“, erklärte er.
Für das nächste halbe Jahr sagte der Chef-Virologe der Berliner Universitätsklinik Charité sehr kontroverse Diskussionen über das richtige Vorgehen voraus. „Wir werden in eine Situation kommen, wo wir große Teile der Risikogruppen geimpft haben und es dann Kräfte geben wird, die sagen, dass es jetzt keinen Grund mehr gibt für Einschränkungen. Letzteres wird allerdings eine Fehleinschätzung sein, denn wir dürfen grundsätzlich keine sehr hohe Inzidenzen zulassen. Auch nicht bei den Jüngeren.“
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Mit Blick auf die Diskussion über eine Verlängerung des Lockdowns in Deutschland sage der Virologe, angesichts einer geringeren Zahl an Test über die Feiertage lägen derzeit keine belastbaren Daten vor. Der Anteil der positiven Tests zeige jedoch, „dass die Zahlen derzeit nicht nach unten gehen. Das ist nicht gut“. Erst Mitte Januar könne gesagt, werden, ob der Lockdown bis in den Februar hinein verlängert werden müsse.