Katharina Thalbach: „Ich bin beim Theater entsetzlich altmodisch“
Die Berlinerin Katharina Thalbach inszeniert die „Aida“ an der Semperoper in Dresden.

Die Berliner Schauspielerin und Regisseurin Katharina Thalbach hätte am liebsten Ägyptologie studiert. An der Semperoper hat sie bei ihrer Inszenierung von Verdis „Aida“ Gelegenheit, ins alte Ägypten einzutauchen und fühlt sich dabei als Schatzgräberin.
Von Effekthascherei auf der Bühne hält Katharina Thalbach nichts. „Ich bin ein altes Theaterkind und habe die pure Bühne gern, bin auch selbst kein Fan von modernen Kostümen. Ich bin beim Theater entsetzlich altmodisch“, sagte die Künstlerin am Rande ihrer Inszenierung von Verdis „Aida“ in der Semperoper Dresden (Premiere: 5. März).
Lesen Sie auch: Schockierende Bilder: Caro Daur nach Unfall blutend in Klinik eingeliefert! >>
„Ich mache Regie, seit ich 33 Jahre alt bin, seit 1996 auch für die Oper – Video habe ich noch nie benutzt. Ich kann damit auch nicht umgehen.“ Bei Kollegen habe sie da schon tolle Dinge gesehen, für sie selber sei das aber nichts.
Thalbachs zweite Regiearbeit an der Semperoper
Thalbach geht auch ihre zweite Regiearbeit an der Semperoper - 2006 brachte sie hier eine bis heute beliebte Inszenierung von „Hänsel und Gretel“ heraus – klassisch an und lässt das Geschehen so wie bei Verdi im alten Ägypten spielen.
„Das hat auch etwas damit zu tun, dass ich eigentlich immer Ägyptologie studieren wollte. Da kam mir das Werk sehr gelegen. Während wir mit Ezio Toffolutti das Bühnenbild entwickelten, konnten wir alle diese Schätze ausgraben. Das war, als wären wir in Kairo ins Museum gegangen.“ Noch während der Proben sei sie am Forschen: „Ich bin mit dem Werk noch nicht fertig.“
Musikalisch bestehe der Reiz von „Aida“ darin, dass es neben Passagen wie dem Triumphmarsch auch kammermusikalische Elemente gebe, betonte die Regisseurin. Anfangs sei ihr die Musik nicht sehr vertraut gewesen: „Ich kannte mehr Hits aus Rigoletto.“
Verkörperung der unerfüllten Liebe
Doch inzwischen sei ihr klar, dass „Aida“ „unfassbar schöne Musik“ enthalte. Wenn es um inhaltliche Botschaften des Werkes geht, will sich Thalbach lieber zurückhalten. „Ich will da keine Floskeln bemühen.“ Ihre heimliche Hauptfigur sei nicht die Titelheldin Aida, sondern die ägyptische Königstochter Amneris.
„Amneris verkörpert eine unerfüllte Liebe in einem aussichtslosen Machtkampf“, beschrieb Thalbach einen Grundkonflikt der Oper. Der Moment, wenn Feldherr Radames aus Liebe zur äthiopischen Königstochter Aida lieber Gefängnis und Tod wählt, als sich von Amneris retten zu lassen, ist für die Regisseurin eine Schlüsselszene.
„Durch sein Schweigen wird klar, wie die ganze Sache ausgeht. Für Amneris gerät das ganze Gefüge des ägyptischen Staates mit der Machtfülle seiner Priester ins Wanken – alles, was zuvor eine Selbstverständlichkeit für sie war. Das ist meine Lieblingsszene.“
„Die dicken Herren in den Logen wollten schöne Beine sehen“
Aktuelle Bezüge etwa zum politischen Geschehen strebt Thalbach mit keiner ihrer Regiearbeiten an. „Im Theater, aber noch viel weniger in der Oper, kann man Politik tagesaktuell abhandeln. Nicht mal Comedians schaffen es, bis zur Show am Abend auf dem neuesten Stand zu sein. Da ist das Weltgeschehen einfach stärker als wir“, sagte die Künstlerin.
Im Unterschied zur Arbeit im Theater habe sie bei der Opernregie keinen Einfluss auf die Besetzung. Zudem gebe die Musik das Korsett für die Arbeit vor. Dieses Korsett trage sie gern: „Dass ich mich der Musik unterordnen muss, ist die halbe Miete.“
Thalbach hat in Dresden darauf bestanden, wie zur Ursprungszeit des Werkes ein Ballett auf die Bühne zu bringen: „Das war bei Verdi bestimmt ein Zugeständnis an den Zeitgeschmack. Die dicken Herren in den Logen wollten schöne Beine sehen.“
Sie habe gereizt, noch etwas anderes in die Oper einzubringen, eine andere Sprache. „Es geht nicht darum, sich auf die Spitze des Fußes zu stellen. Das Ballett sorgt für ein anderes Klima, etwas Wildes.“ Allerdings sei die Ballettmusik hier nicht einfach zu vertanzen. „Das ist nicht gerade ein Fetzer.“
Katharina Thalbachs letzte Regiearbeit?

Thalbach räumt ein, die Ruhe in den Zeiten von Corona ohne Bühnenluft auch mal genossen zu haben. Eine lange Abstinenz habe sie nicht verspürt. 2020 inszenierte sie an der Berliner Komödie am Kurfürstendamm im Schillertheater den „Mord im Orientexpress“, der pandemiebedingt erst 2021 zur Premiere kam, und wo sie an der Seite von Tochter Anna Thalbach und Enkelin Nellie Thalbach die Hauptrolle spielte. Jetzt an der Semperoper seien die Bedingungen wegen der Pandemie-Vorgaben außergewöhnlich. Vier Mal pro Woche müssten die Akteure zum Test.
Weitere Regie-Projekte lässt Katharina Thalbach lieber offen. Eigentlich wolle sie gar keine Regie mehr führen, bekannte sie. „Ich bin es müde, anderen Leuten zu sagen, was sie tun sollen.“ Allerdings habe sie noch viel vor: „Die Welt ist voller Überraschungen. Ich würde gern noch mal studieren, am liebsten Kunstgeschichte.“