„Wir sind der älteste Club auf St. Pauli!“
Karl Schultz, der Pfarrer von der Reeperbahn. Eine seiner Stammkneipen heißt „Sünde“
Zwischen Sexclubs und Karaokebars auf St. Pauli in Hamburg steht die Kirche von Pfarrer Karl Schultz.

Am Ende der Großen Freiheit in Hamburg, gegenüber von Kaiserkeller und Thai-Oase, wo am Wochenende Tausende Menschen Vergnügen suchen, liegt die katholische Kirche St. Joseph. Etwas zurückgesetzt, aber mit goldenem Kreuz und Heiligenfigur eindeutig als Gotteshaus zu erkennen.
„Es gibt nichts, womit Jesus nicht fertig wird“, steht auf einer Mauer neben dem Gittertor am Eingang. „Mit einer Kirche auf St. Pauli rechnen die wenigsten, dabei sind wir hier der älteste Club – seit 1658“, sagt Karl Schultz schmunzelnd. Seit 2010 leitet der Pfarrer die Gemeinde auf St. Pauli und gibt der katholischen Kirche ein freundliches Gesicht.
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„Viele Menschen kommen nicht mehr zu uns, also gehe ich dorthin, wo sie anzutreffen sind“, sagt Schultz. Und dazu gehören auch die Kneipen auf St. Pauli und rund um Wohlers Allee, wo seine zweite Pfarrei, St. Theresien, liegt. Eine seiner Stammkneipen heißt Sünde. „Der Wirt, ein Iraner, hat mich eingeladen, dort eine Art Sprechstunde abzuhalten“, erzählt der 65-Jährige.
„Nach dem zweiten Gin Tonic setzen sich die Leute zu mir.
Unter dem Motto „Pfarrer Karl hat ein Ohr“ sitzt Schultz ein- bis zweimal im Monat in einem Ledersessel und hört den Menschen zu. „Nach dem zweiten Gin Tonic setzen sich die Leute zu mir und oft sind es ziemlich gute Gespräche“, sagt Schultz.
Um Berührungsängste abzubauen, öffnet Schultz seine helle, einladende Kirche mit dem barocken Altar regelmäßig Sonnabendabend, ab 21 Uhr, zu „St. Joseph by Night“. „Dann machen wir die Kirchentüren weit auf und die Kiezgänger können direkt bis zum Altar schauen“, sagt Schultz, der seine Ansichten jetzt in dem Buch „Zwischen Kirche und Kiez“ (Rowohlt Verlag, Hamburg) aufgeschrieben hat.
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Bei entspannter Live-Musik können die Menschen in der Kirche in eine andere Welt eintauchen. „Die Musik und der Kirchenraum wirken für sich. Da muss ich überhaupt nichts sagen“, berichtet der Pfarrer. Manche Kiezgänger würden ihm aber von sich aus von ihren Sorgen und Nöten erzählen.

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Zusammen mit seinem evangelischen Kollegen Sieghard Wilm von der St.-Pauli-Kirche nimmt der Pfarrer regelmäßig an Aktionen auf dem Kiez teil. Vor allem während der Corona-Pandemie, unter der Kiezwirte und -veranstalter besonders gelitten haben, waren Verständnis und Unterstützung sehr wichtig.
So lernte Schultz auch Rocksänger Udo Lindenberg, Theaterchef Corny Littmann und Dragqueen Olivia Jones kennen. „Mit Udo haben wir 2017 eine Ausstellung mit seinen Bildern zu den Zehn Geboten gemacht. Das war ein toller Erfolg“, erzählt Schultz, der sogar mit Udo Lindenberg und seiner Panik-Familie an einer „Rockliner“-Kreuzfahrt teilnahm.
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Aufgewachsen ist Karl Schultz mit sechs Geschwistern in Wittenburg, einer Kleinstadt in Westmecklenburg. Sozialisiert wurde er evangelisch. „Mein Vater war ein Antikommunist, und das war in der DDR die einzige Möglichkeit, Opposition zu zeigen“. Nach einer Maurerlehre studierte er in Pommern und Sachsen und arbeitete in der evangelischen Diakonie und in der Jugendarbeit.
Die Pfarrer-Stelle auf St. Pauli wollte Karl Schultz unbedingt haben
Durch Einflüsse unter anderem von Taizé, einer ökumenischen Bruderschaft, konvertierte Schultz 1998 zur katholischen Kirche und wurde nach seiner Priesterweihe 2003 Kaplan und Studierendenseelsorger in Lübeck. Als er hörte, dass die Pfarrstelle auf St. Pauli frei wird, habe er sich sofort gemeldet: „Freihalten. Ich komme!“

Mit seiner Kirche muss der engagierte Geistliche oft ringen. Vor allem nach der jahrzehntelangen Vertuschung von Missbrauchsfällen haben viele Gläubige der katholischen Kirche den Rücken gekehrt. „Aber die meisten Menschen können zwischen der Person und der Amtskirche unterscheiden“, sagt Schultz, der gerade eine Mutter mit ihrer Tochter und ihrer Enkelin aus der Ukraine bei sich im Pfarrhaus aufgenommen hat. Trotz allem hofft der Pfarrer auf Veränderungen. „Viele Verantwortliche, auch Bischöfe, haben den Ernst der Lage erkannt und wissen, dass wird dringend Reformen brauchen.“