Irrer Streit um eine ägyptische Mumie in der Schweiz
Der Schweizer Regisseur Milo Rau soll einen Preis de Stadt St. Gallen bekommen. Das nimmt er zum Anlass, um für die Rückgabe einer Mumie zu trommeln, die in der dortigen Bibliothek ausgestellt wird. „Lasst Schepenese heimkehren!“, lautet der Aufruf.

Der Schweizer Regisseur und Theaterintendant Milo Rau provoziert die Stadt St. Gallen, die ihm einen Preis für sein künstlerisches Schaffen zuerkannt hat. Rau will mit dem Preisgeld dafür sorgen, dass eine in der berühmten St. Galler Stiftsbibliothek ausgestellte Mumie nicht mehr ausgestellt, sondern in einer Gruft platziert und im kommenden Jahr nach Ägypten zurückgebracht wird.
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Bei der Mumie handelt es sich um Schepenese, eine Priestertochter, die zwischen 700 und 650 v. Chr. zur spirituellen Elite im damaligen Ägypten gehörte. Rau veröffentlichte dazu am Donnerstag nur wenige Stunden vor der geplanten Preisverleihung einen Aufruf.
Geraubte Mumie?
Rau spricht von Raub bei der Beschaffung der Mumie. Die mehr als 1300 Jahre alte Stiftsbibliothek mit 170 000 gedruckten Büchern und 2000 mittelalterlichen Originalhandschriften schrieb dagegen, es gebe „keinen Beleg dafür, dass es sich um einen Grabraub handelte“. Sie sei im 19. Jahrhundert käuflich erworben worden.
Komfortzone des Kunstbetriebs verlassen
Der in der Regel alle drei Jahre vergebene Große Kulturpreis der St. Gallischen Kulturstiftung ist mit 30 000 Franken (etwa 30 600 Euro) dotiert. Die Stadt hatte ihn Rau bereits im Februar zuerkannt. „Seine Projekte bewegen sich nicht nur stets auf der Höhe der drängendsten Zeitfragen, sie verlassen auch immer wieder die Komfortzone des Kunstbetriebs und gehen an die Brennpunkte globaler Auseinandersetzungen“, hieß es in der Begründung.
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Rau rief zu Unterschriften unter seinen Aufruf „Lasst Schepenese heimkehren!“ auf. „Machen wir St. Gallen zum Geburtsort eines neuen Zeitalters des kulturellen Respekts und Austauschs“, heißt es darin. Die Zurschaustellung der teils ausgewickelten Mumie sei respektlos, und Besucher störten sich daran. Dagegen meint die Bibliothek: „Von einer «ständigen moralischen Irritation“ ist im Museumsbetrieb nichts zu spüren.» Die Mumie werde respektvoll präsentiert.
Schepenese, sei die bekannteste ägyptische Mumie der Schweiz, Teil des Unesco-Weltkulturerbes, schreibt der Schweizer Blick.
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Die Mumie sei in einem gläsernen Sarg in der Stiftsbibliothek in St. Gallen ausgestellt, wo rund 100’000 Besucher ein und aus gehen. Schultern und Kopf von ihr sind freigelegt. Das kritisiere Rau, so Blick: „Das ist unwürdig für einen Leichnam.“ Im alten Ägypten habe dies als Schändung gegolten.
100 Persönlichkeiten haben dem Bericht nach den Aufruf bereits unterzeichnet. Darunter Schriftstellerinnen wie Sibylle Berg (60), Peter Stamm (59), Adolf Muschg (88), Kim de l’Horizon (30).
Monica Hanna, Dekanin des College of Archaeology and Cultural Heritage im ägyptischen Assuan, sagte der Zeitung: „Mit einer solchen Zurschaustellung wird die Mumie als Objekt und nicht als Mensch behandelt.“ Sie sei die Vorfahrin von möglicherweise mehreren Hundert Ägyptern.