Interpol-Liste

Das Mädchen aus dem Main und andere unbekannte Tote – wer kennt sie?

Jedes einzelne Schicksal dieser getöteten Frauen erschüttert. Keine von ihnen wurde identifiziert. Hat sie wirklich niemand vermisst? Interpol hofft auf Hinweise aus der Öffentlichkeit.

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„Identify Me“ ist ein öffentlicher Aufruf zur Identifizierung von Frauen, deren Leichen in sechs europäischen Ländern gefunden wurden. Viele von ihnen sollen ermordet worden sein.
„Identify Me“ ist ein öffentlicher Aufruf zur Identifizierung von Frauen, deren Leichen in sechs europäischen Ländern gefunden wurden. Viele von ihnen sollen ermordet worden sein.Interpol „Identify Me“

Sie kamen gewaltsam zu Tode, doch keiner kennt sie. Nun startete Interpol erneut eine Kampagne, um endlich die Morde an diesen Frauen aufzuklären und ihre Identität zu klären. Es geht um Hinweise zu 46 Frauenleichen, neun davon in Deutschland. Auch ein Fall aus Berlin ist dabei.  Die internationale Polizeiorganisation hofft auf die Mithilfe der Öffentlichkeit.

Gemeinsam mit der deutschen, belgischen, niederländischen, italienischen, französischen und spanischen Polizei sucht Interpol bei der Aktion „Identify Me“ nach Hinweisen zu den unbekannten Frauen und ihrem Schicksal. Die meisten von ihnen seien ermordet worden oder unter verdächtigen oder nicht geklärten Umständen zu Tode kamen. Sie starben vor zehn, 20, 30 oder sogar 40 Jahren. Hat sie keiner vermisst?

Interpol hat auf der Seite der Kampagne Gesichtsrekonstruktionen sowie Bilder von Schmuckstücken und Kleidung veröffentlicht, die bei den Frauen gefunden wurden. „Auch das kleinste Informationsstückchen kann entscheidend dabei sein, diese ungelösten Fälle aufzuklären“, sagt Interpol-Generalsekretär Jürgen Stock: Die Öffentlichkeit könne der Schlüssel dazu sein, einen Namen und eine Vergangenheit zu finden und für längst überfällige Gerechtigkeit zu sorgen.

Aus Deutschland sind neun ungeklärte Tode von Frauen dabei. Die Leichen wurden zwischen 1986 und 2002 entdeckt. Hier alle Fälle aus Deutschland, angefangen mit der jungen Frau, deren Leiche 1998 im Spandauer Forst bei Berlin gefunden wurde.

Wer kennt sie? Die Frau in Männerkleidern aus Berlin

Die Gesichtsrekonstruktion der Frau, deren Leiche 1998 im „Spandauer Forst“ bei Berlin gefunden wurde.
Die Gesichtsrekonstruktion der Frau, deren Leiche 1998 im „Spandauer Forst“ bei Berlin gefunden wurde.Interpol / Identify me

Der Fall: Am 8. November 1988 fand eine Gruppe von sieben Waldarbeitern im „Spandauer Forst“, einem Naturschutzgebiet nordwestlich von Berlin, inmitten eines eingezäunten und geschützten Geländes die Leiche einer Frau. Sie lag in einem zirka 40 Zentimeter tiefen Erdloch. Es wird vermutet, dass das Loch von Wildtieren (vermutlich Füchsen) gegraben wurde. Die Frau wurde gewaltsam getötet. Obwohl sie auffälligen Schmuck trug und besondere Merkmale aufwies, konnte ihre Identität bis heute nicht festgestellt werden.

Die Frau hatte blondes, kurzes Haar und trug überwiegend Männerkleidung, ein grau gefärbtes Herrenhemd aus Baumwolle, eine blaue Jeanshose aus Baumwolle und einen beige/braunen Herrenmantel aus Leinen vorne und Jerseystoff hinten und an den Ärmeln. An ihrem rechten Handgelenk trug die 20- bis 30-jährige Frau zwei Frotteebänder, eines rot und eines schwarz. Zudem wurden bei dem Opfer Gegenstände gefunden, die möglicherweise mit dem Täter in Verbindung gebracht werden können: ein Jutesack und zwei Seile aus Kunststoff, wie sie im Wassersport häufig zum Einsatz kommen, eines davon gelb.

Der Schmuck der Frau könnte wichtige Hinweise zu ihrer Identifizierung liefern. Eine silberfarbene digitale Damenarmbanduhr mit silberfarbenem Armband, Marke Juta. Auf der Rückseite der Uhr ist die Nummer 22982 eingraviert, was das Datum 22. September 1982 sein könnte.

Wer kennt sie? Ihre Leiche lag verbrannt in einem Wald in Altena-Bergfeld

Diese junge Frau wurde vergewaltigt, erwürgt und verbrannt. Ihre Leiche lag in einem Wald bei Altena-Bergfeld bei Hagen.
Diese junge Frau wurde vergewaltigt, erwürgt und verbrannt. Ihre Leiche lag in einem Wald bei Altena-Bergfeld bei Hagen.Interpol / Identify me

Der Fall: Am Montag, dem 2. Juni 1997, wurde in einem Waldstück in Altena-Bergfeld (NRW) die nackte Leiche einer Frau gefunden. Das Opfer war vergewaltigt, erwürgt und anschließend angezündet worden. Der Fundort der Leiche stimmt nicht mit dem Tatort überein, daher geht man davon aus, dass das Opfer von einem unbekannten Ort weggebracht wurde.

Der Täter versuchte mit aller Kraft, jede Identifizierung auszuschließen. Die Überprüfung der Fingerabdrücke des Opfers verlief negativ. Die junge Frau trug vermutlich einen Zahnschmuck, einen diamantähnlichen Strassstein auf ihrem rechten oberen Schneidezahn. Es ist nicht auszuschließen, dass sie bis zum 12. Lebensjahr eine Zahnspange trug. Sie war 18 bis 22 Jahr alt.

Wer kennt sie? Ihre Leiche trieb gewickelt in einen Teppich in der Weser

Die Leiche dieser Frau war in einen Teppich gewickelt, sie wurde in der Weser in Bremen gefunden.
Die Leiche dieser Frau war in einen Teppich gewickelt, sie wurde in der Weser in Bremen gefunden.Interpol / Identify me

Der Fall: Die Leiche wurde am 30. Juli 2002 in Laken, einen Plastiksack, eine Stoffhülle und einen Teppich eingewickelt und verschnürt in der Weser bei einem Yachthafen gefunden. Ein Sportbootführer entdeckte das „Bündel“ im Wasser  treiben und alarmierte die Polizei. Die geht davon aus, dass die Leiche etwa vier Wochen lang in der Weser trieb. Die Todesursache konnte bis heute nicht festgestellt werden, allerdings erlitt die Frau Verletzungen im Halsbereich.

Die Frau war sehr zierlich. Sie trug lila Nagellack auf den manikürten, längeren Fingernägeln. Sie  hatte provisorische Füllungen in zwei Zähnen (Z14 und Z26), was darauf hindeutet, dass die Zahnbehandlung nicht abgeschlossen war. Die Frau trug am rechten Ohr einen silbernen Ohrring mit rotem Stein, der vermutlich 1956 in der Ukraine (Charkow) von einem sogenannten Juwelierkombinat hergestellt wurde. Möglicherweise wurde er auch in einem anderen Land gekauft.

Es gibt Hinweise darauf, dass die Frau zwischen 1985 und 1999 ein Kind zur Welt gebracht haben könnte. Wenn das Kind geboren wurde, war es vermutlich zwischen 3 und 17 Jahre alt, als die Frau starb, und wäre jetzt zwischen 24 und 38 Jahre alt.

Wer kennt sie? Sie lag tot in einem Steinbruch in Lahn-Dill-Kreis

Die Rekonstruktion zeigt die Frau, im Lahn-Dill-Kreis in einem Steinbruch gefunden wurde. Wurde sie vergiftet?
Die Rekonstruktion zeigt die Frau, im Lahn-Dill-Kreis in einem Steinbruch gefunden wurde. Wurde sie vergiftet?Interpol / Identify me

Der Fall: Am 8. Februar 1989 entdeckte ein Wanderer in einem Steinbruch zwischen den Ortsteilen Oberwetz und Griedelbach (Lahn-Dill-Kreis) die Leiche einer Frau. Sie lag auf dem Boden, war zum Teil mit Unrat, Ästen und Erde bedeckt und befand sich dort seit etwa zwei Wochen bis zwei Monaten. Als Todesursache kommt Erstickung infolge einer Vergiftung infrage.

Sie trug eine graue Jogginghose, darunter eine knöchellange Jeans mit Paisleymuster, mit floralen Wirbeln in Gelb, Rot und Hellblau. Es wird angenommen, dass die Frau mit schwarzem, lockigen Haar asiatischer Herkunft war, wahrscheinlich Thailänderin. Sie hatte mindestens einmal ein Kind geboren.

Wer kennt sie? Ihre Leiche lag an der Autobahn 6 bei Heidelberg

Spaziergänger entdeckten die sterblichen Überreste dieser Frau an der Autobahn. Sie wurde ermordet.
Spaziergänger entdeckten die sterblichen Überreste dieser Frau an der Autobahn. Sie wurde ermordet.Interpol / Identify me

Der Fall: Am 16. März 1986 entdeckten Spaziergänger in einem Waldstück an der Autobahn A6 in der Nähe des Parkplatzes „Weißer Stock“ die sterblichen Überreste einer Frau. Der Parkplatz liegt etwa 15 Autominuten von Heidelberg entfernt, bei St. Leon-Rot (Rhein-Neckar-Kreis) in Richtung Heilbronn. Die Leiche lag vermutlich schon seit Monaten, jedoch nicht länger als ein Jahr dort. Die Ermittlungen ergaben, dass die Frau einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen war. Ihre Identität ist bis heute unbekannt.

Eine Isotopenanalyse ihrer Überreste ergab, dass sie in Osteuropa aufgewachsen sein muss. Ihre Kindheit verbrachte sie wahrscheinlich in Russland, der Ukraine oder Rumänien. Allerdings scheint sie im Alter zwischen 4 und 8 Jahren in eine andere Region gezogen zu sein.
Die Frau war offensichtlich viel umgezogen. Sie trug einen auffälligen dreifarbigen Ring aus verflochtenen Gold-, Silber- und Kupferdrähten. Der Fundort der Leiche war wahrscheinlich nicht der Tatort.

Wer kennt sie? Die junge Frau mit dem Blumenrock aus Todtnau

Sie war wohl erst 20 Jahre alt, als sie getötet wurde. Die Leiche dieser jungen Frau war teilweise verbrannt.
Sie war wohl erst 20 Jahre alt, als sie getötet wurde. Die Leiche dieser jungen Frau war teilweise verbrannt.Interpol / Identify me

Der Fall: Am 24. Juli 1997 wurde in einer Grube beim Waldparkplatz Weissenbach bei der Stadt Todtnau die teilweise verbrannte Leiche einer Frau gefunden. In der Nähe lag eine Schaufel. Sie soll dort mehrere Tage bis zu etwa zwei Wochen gelegen haben. Weder die genaue Todesursache noch die Identität der Frau konnten festgestellt werden. Der Fundort liegt im äußersten Süden Deutschlands, nahe der französischen und schweizerischen Grenze.

Die geschätzt 20-Jährige trug ein helles T-Shirt, Marke „Speedway“, einen dunkelblauen Rock mit hellem Blumenmuster, Marke „De Ville“, und einen blauen Kunststoffgürtel mit goldfarbener Schnalle. An den Füßen trug sie weiße Sandalen mit goldfarbenem Metallornament, Marke „Roberto Santi“. Sie hatte vermutlich eine Handtasche der Marke „DeLanee“, die in der Nähe einer Gaststätte („Präger Böden“) gefunden wurde. Die Kleidung der jungen Frau könnten bei der Identifizierung helfen. Sie wurde in Geschäften der Firma Vögele in Deutschland, der Schweiz und Österreich verkauft. 

Wer kennt sie? Das tote Mädchen aus dem Main

Das Mädchen aus dem Main bei Frankfurt war offenbar über lange Zeit misshandelt worden. Ihre Leiche trieb im Main.
Das Mädchen aus dem Main bei Frankfurt war offenbar über lange Zeit misshandelt worden. Ihre Leiche trieb im Main.Interpol / Identify me

Der Fall: Am 31. Juli 2001 gegen 14.50 Uhr bemerkten mehrere Zeugen ein im Main treibendes Bündel im Stadtteil Nied in Frankfurt. Das Bündel war in eine braune Tagesdecke mit Leopardenmuster eingewickelt und mit 5 Zentimeter breiten, geflochtenen Kordelgürteln zusammengebunden, die in Pakistan und Afghanistan häufig zu finden sind und als „Nalas“ bekannt sind. Darin befand sich ein Frotteebettlaken, in dem sich die Leiche befand. Die Beine waren vor die Brust gelegt und ihre Arme eng an ihren Körper gedrückt. Das ganze Bündel war an einen Sonnenschirmständer gebunden, wahrscheinlich um als Gewicht zu dienen und es sinken zu lassen.

Das Mädchen war etwa 15 bis 16 Jahre alt. Laut forensischen Untersuchungen könnte sie aus Afghanistan, Pakistan oder Nordindien stammen und sehr früh (im Alter zwischen vier Monaten und fünf Jahren) nach Deutschland gezogen sein. Das Mädchen verbrachte möglicherweise einen Teil ihrer Kindheit im Odenwald, in der Rheinpfalz oder im Hunsrück und vermutlich die letzten 22 Monate ihres Lebens in einem städtischen Gebiet in Deutschland.

Das Teenager-Mädchen hatte zahlreiche Verletzungen erlitten, die auf langwierige und schwere Misshandlungen hindeuteten, für die sie keine angemessene medizinische Versorgung erhalten hatte. Dazu gehörten Brüche an beiden Oberarmen, die in Fehlstellungen verheilt waren. Es gab Hinweise auf möglichen sexuellen Missbrauch.

Wer kennt sie? Die Tote aus dem Moorgebiet bei Köln

Pilzsammler fanden die Leiche dieser Frau in einem Moorgebiet bei Köln. Möglicherweise lag sie dort vier Jahre.
Pilzsammler fanden die Leiche dieser Frau in einem Moorgebiet bei Köln. Möglicherweise lag sie dort vier Jahre.Interpol / Identify me

Der Fall:  Am 14. Oktober 2001 fand ein Pilzsammler im Moorgebiet Worringer Bruch in Köln-Worringen die Leiche einer Frau. Mindestens vier Monate, möglicherweise aber auch vier Jahre lag die Leiche dort. Die Todesursache konnte nicht mehr festgestellt werden, ein Verbrechen konnte nicht ausgeschlossen werden. Ihre Identität blieb bis heute ein Rätsel.

Die Rekonstruktion gibt eine Vorstellung davon, wie die junge Frau ausgesehen haben könnte. Es wird angenommen, dass sie gemischter Abstammung war, teilweise afrikanischer, möglicherweise mongolischer Abstammung. Sie hatte lockiges schwarzes Haar. Auffällig waren ihre Zähne in sehr gutem Zustand.

Die Frau trug eine lila-auberginefarbene Steppjacke mit Wabenmuster und Stehkragen, Marke ‚Wudipas‘. In einer Gesäßtasche ihrer vermutlich beige bis hellblauen Baumwollhose trug sie sieben Wattestäbchen bei sich. Auffällig ist auch der Schmuck, der nahe der Leiche gefunden wurde: ein silbernes Armband mit petrolfarbenen Steinen.

Wer kennt das T-Shirt? Es trug eine Tote, die auf einem Truppenübungsplatz gefunden wurde

Mit dem „Little Italy“ T-Shirt, das die Frau bei ihrem Tod trug, suchen die Fahnder nach Hinweisen.
Mit dem „Little Italy“ T-Shirt, das die Frau bei ihrem Tod trug, suchen die Fahnder nach Hinweisen.Interpol / Identify me

Der Fall: Am 20. August 1994 gegen 14 Uhr fanden Zeugen in einem Schützengraben des Truppenübungsplatzes in der Bothfelder Heide bei Hannover, rund 1200 Meter nordöstlich des Haupteingangs, das Skelett einer weiblichen Leiche. Der Truppenübungsplatz verläuft östlich neben der Autobahn A2 Berlin/Dortmund. Die Leiche lag etwa zwei bis fünf Jahre dort. Die Hände waren mit Handschellen gefesselt und die Leiche war in einem 110 Zentimeter tiefen Loch vergraben. Die genaue Todesursache konnte nicht festgestellt werden. Bei den verwendeten Handschellen handelte es sich um billige Massenware aus dem fernöstlichen Raum.

Die Frau, die auf 30 bis 55 geschätzt wurde, war schlank gebaut und hatte ihr Leben lang schlechte Zähne. Sie trug bei ihrem offenbar gewaltsamen Tod ein türkises Adidas Sweatshirt, Herrengröße XL/54, ungefähres Herstellungsdatum 1988 und ein türkises T-Shirt mit dem Aufdruck „New York City“ und „Little Italy“. Als Schmuck eine Panzerkette mit dünner Goldlegierung.

Erfolg der Interpol-Kampagne „Identify me“

Den Aufschlag zur Kampagne machte Interpol bereits im vergangenen Jahr mit 22 Fällen aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden. Rund 1800 Hinweise aus der Bevölkerung gingen dazu ein. So wurde die  Britin Rita Roberts im Jahr 2023, 31 Jahre nach ihrer Ermordung in Belgien, identifiziert. Ein Familienmitglied erkannte ihr Tattoo aus der Berichterstattung in den Nachrichten wieder.

Mehr Informationen zu allen Fällen auf der Interseite von Interpol: https://www.interpol.int/What-you-can-do/Identify-Me