Männer sind hier machtlos
In diesem Dorf haben die Frauen das Sagen
Sie bestellen Felder, managen Agrarfirmen: Seit Jahrhunderten bestimmen die Frauen von Olympos, was in ihrem Dorf geschieht.

Im Dorf Olympos auf der Ägäis-Insel Karpathos hält sich eine der letzten matriarchalischen Bastionen im ansonsten von Männern dominierten Griechenland. Die abgeschiedene Lage in den Bergen hat dem Ort bislang geholfen, seine Traditionen zu bewahren. Hier haben die Frauen das Sagen!
Unter den knapp 300 Einwohnern sind es die Frauen, die Eigentum und ihren Namen vererben. „Bei uns haben die Frauen das Sagen“, sagt Rigopoula Pavlidis, während sie ihre Nähmaschine bedient. „Mein Mann kann gar nichts ohne mich machen, nicht mal seine Steuererklärung“, scherzt die 60-Jährige. Ihr Mann Giannis, der gerade Ikonen malt, nickt zustimmend.

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Die Frauen von Olympos tragen traditionelle bestickte Trachten aus Schürzen mit Blumenmuster, Kopftüchern und Lederstiefeln. Diese Trachten gehören mit zur Aussteuer, wenn eine junge Frau heiratet. Irini Chatzipapa ist die jüngste Frau in Olympos, die noch täglich ihre Tracht trägt.
In Olympos regieren seit Jahrhunderten die Frauen
„Ich habe meiner Tochter beigebracht zu sticken, aber sie trägt die Tracht nur zu festlichen Anlässen. Die Tracht ist nicht mehr für das Leben von heute geeignet“, sagt die 50-jährige Bäckerin. Ihre Mutter Sofia ist besorgt, dass die Tracht bald nur noch Teil der Folklore sein wird. „Unsere Welt ist am Verschwinden“, klagt die 70-Jährige. Da das Dorf vom Rest der Insel abgeschieden war, bis in den 1980er-Jahren eine asphaltierte Straße dorthin gebaut wurde, hat es dem Zeitenwandel lange widerstanden.

Heute kommen allerdings Tausende Touristen in den Ort mit seiner spektakulären Lage. Noch spielen die Frauen von Olympos eine zentrale Rolle im Dorfleben, die auf einem Erbrecht aus der Zeit des Byzantinischen Reiches stammt. Selbst im Ottomanischen Reich nach 1538 und unter italienischer Besatzung im vergangenen Jahrhundert hat Olympos seine Besonderheiten behalten.

Der Historiker Giorgos Tsampanakis stammt selbst aus Olympos und erklärt die Erbfolgeregelung: „Das System war sehr fortschrittlich im Vergleich zum Rest von Griechenland. Das Erbe der Mutter ging an die älteste Tochter.“
Als älteste Tochter hat Rigopoula Pavlidis 700 Olivenbäume geerbt. „Die Familien hatten nicht genug Besitz, um ihn zwischen allen Kindern zu verteilen. Und wenn wir das Erbe den Männern überlassen hätten, hätten sie es verschwendet“, scherzt sie. Es ist außerdem üblich, dass nach der Hochzeit der Mann bei der Frau einzieht und Mädchen die Vornamen ihrer Großmutter mütterlicherseits übernehmen, nicht väterlicherseits wie sonst in Griechenland, erklärt der Historiker Tsampanakis. „Viele Frauen benutzen noch heute den Familiennamen ihrer Mutter und nicht ihres Ehemannes.“

Durch den Wegzug griechischer Männer seit den 1950er-Jahren, die Arbeit in den USA, Deutschland und anderen Ländern suchten, fiel es den Frauen zu, die landwirtschaftlichen Betriebe zu managen. Das erinnert an den antiken griechischen Stadtstaat Sparta, wo Frauen angesichts der langen Abwesenheit ihrer Männer aufgrund von Kriegen oder militärischer Ausbildung größere Freiheiten genossen als ihre Zeitgenossinnen in anderen Städten.
„Der Mann ist der Kopf der Familie und die Frau der Hals“, sagt Marina
Anna Lentakis aus dem Nachbardorf Avlona sagt, dass die Frauen keine andere Wahl hatten als zu arbeiten und ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. „Nur so konnten wir überleben.“ Mit Schwung pflückt die 67-Jährige Artischocken für ein Bio-Omelette, das sie in ihrer kleinen Taverne anbietet.
Bis vor einigen Jahren hat sie ein Restaurant in Olympos geführt, jetzt macht das ihre Tochter Marina. „Meiner Meinung nach ist der Mann der Kopf der Familie und die Frau der Hals. Sie gibt ihm Orientierungshilfe für seine Entscheidungen“, sagt Marina. Ihre 13-jährige Tochter Anna weiß, dass sie irgendwann den Stab von ihrer Mutter übernehmen wird: „Das ist das Erbe meiner Großmutter“, sagt sie. „Und ich werde stolz sein, mich darum zu kümmern.“