Stacheldraht vor den Mauern im ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen.
Stacheldraht vor den Mauern im ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen. AFP/John Macdougall

Mord verjährt nicht, Beihilfe ebenfalls nicht: Trotzdem drängt sich die Frage auf, warum mutmaßliche Beteiligte am Massenmord von Millionen Juden, Sinti, Roma, sexuellen und anderen Minderheiten erst im Greisenalter vor Gericht stehen. Im holsteinischen Itzehohe ist steht eine 96-jährige frühere Sekretärin des Konzentrationslagers Stutthof vor den Richtern, nun hat in Brandenburg an der Havel der Prozess gegen einen früheren Wachmann des Konzentrationslagers Sachsenhausen begonnen.

Viele, die früher am Holocaust beteiligt waren, hatten sich darauf berufen, sie seien nur kleine Rädchen im Getriebe gewesen, hätten Befehle ausführen müssen. Solche Ausreden lassen Richter nicht mehr gelten. Was Josef S. aus Brandenburg vorgeworfen wird, übersteigt die Vorstellungskraft: Er soll Beihilfe zum Mord in 3518 Fällen geleistet haben. Zwischen 1942 und 1945 habe er „wissentlich und willentlich“ an der Ermordung von Lagerinsassen mitgewirkt.

Angeklagter Josef S. trotz des hohen Alters verhandlungsfähig

Der Angeklagte soll einem Gutachten zufolge trotz seines hohen Alters verhandlungsfähig sein – aber nur für zwei bis zweieinhalb Stunden am Tag. Aufgrund der Nähe zum Wohnort des Angeklagten findet des Prozess deshalb in Brandenburg an der Havel statt, und dort aus Platzgründen in einer Sporthalle. Bis Januar wurden 22 Verhandlungstage angesetzt.

Laut Staatsanwaltschaft gehörte S. dem Wachbataillon des Lagers Sachsenhausen, in dem die SS ein großes Kontingent stationiert hatte, bis 1945 an. Das Lager nördlich von Berlin war ein Ausbildungsort für Wachpersonal und Kommandanten der Konzentrationslager im gesamten NS-Terrorsystem. Insgesamt wurden dort über die Jahre rund 200.000 Menschen gefangen gehalten. In Deutschland gab es zuletzt bereits mehrere Prozesse gegen frühere Mitglieder der Mannschaften von NS-Lagern.