&nbsp;Hans Werner Olm:&nbsp;Der zweifache Comedy-Preis Gewinner ist zudem Musiker, Schauspieler, Synchronsprecher und vieles mehr<strong>.</strong>
 Hans Werner Olm: Der zweifache Comedy-Preis Gewinner ist zudem Musiker, Schauspieler, Synchronsprecher und vieles mehr. privat

Hans Werner Olm zählt zu den bekanntesten und erfolgreichsten Entertainern Deutschlands. Corona hat ihn wie viele andere aus seiner Zunft ausgebremst. Inzwischen fragt er sich, warum wir ständig versuchen, uns neu zu erfinden, anstatt zu akzeptieren, was ist.

Die Vorboten der Pandemie erwischten Hans Werner Olm im Februar bei seinem Rückflug aus Sri Lanka. Bei einem Zwischenhalt am Flughafen in Doha kamen ihm Menschen mit Mundschutz entgegen. „Da schwante mir schon was“, sagt er. Das werde eine Riesen-Kiste, die viele verängstigen und lähmen werde.

Daheim, Olm war nach wie vor voller Tourneepläne, stand bald alles still. Da saß er mit seinem neuen Programm – seiner humoristischen Lebensberatung für die Erwachsenenwelt, bei der es sich um die Ekstase des Versagens und der Erkenntnis, wie das Leben trotzdem Spaß macht, dreht. Er schrieb stattdessen einen Corona-Song, veröffentlichte ihn auf Facebook und harrte wie viele andere Künstler der Dinge, die da kommen werden.

Für den August ist seine Show „Grundlos glücklich“ in den Berliner Wühlmäusen gecancelt worden. In Leipzig trat er letzte Woche zwei Tage hintereinander auf, bald sind Dortmund und Osnabrück dran.

Olm steht auf der Bühne und gibt alles und blickt dabei auf fast leere Sitzreihen

Komisch ist es schon. Hans Werner Olm steht auf der Bühne, gibt alles, und blickt dabei auf abstandsberücksichtigende, aber dadurch gelöcherte Sitzreihen. Es erinnert den Entertainer an seinen Start in den Siebzigern. Kaum einer kam, er kalauerte sich einen ab und ging mit 5 Mark Gage nach Hause.

Er erzählt das mit einem Augenzwinkern im Café am Neuen See im Tiergarten. Dort treffen wir den Comedian, der in T-Shirt und Käppi angeradelt ist. Er hat sich einen Bart wachsen lassen, trägt eine getönte Brille.

Wir füllen die Corona-Papiere mit Namen und Adresse aus und reichen sie der Kellnerin, die betont, es sei zu unserer Sicherheit. Wir nicken, er reißt einen Witz, er unterschreibe sonst immer mit Franz Beckenbauer. Ein Mann bleibt stehen und fragt Hans Werner Olm, ob er Thomas sei. „Nein, ich bin Brad Pitt.“ Der Herr zieht von dannen und lächelt. Bühnenreif.

Hans Werner Olm, der Musiker.&nbsp;
Hans Werner Olm, der Musiker.  Imago

Hans Werner Olm ist im Ruhrpott geboren, 1955 in Bochum. Sein Vater ist Bergmann, seine Mutter Hausfrau. Es ist jener Landstrich, über den Herbert Grönemeyer gesungen hat: „Du bist keine Schönheit. Vor Arbeit ganz grau. Du liebst dich ohne Schminke. Bist‘ ne ehrliche Haut. Leider total verbaut. Aber grade das macht dich aus.“

Hans Werner Olm mag den Ruhrpott bis heute, die direkte Art der Menschen. So ist er auch. Doch als Jugendlicher hielt ihn dort nichts. 1976 geht er, erklärt seinen verdutzten Eltern, er werde Musiker oder Unterhaltungskünstler, so hieß das damals. Sie geben ihm mit auf den Weg, dass er was Anständiges lernen solle.

Einmal stand ich mit meiner Tüte neben Lena Valaitis. Sie hat mir geholfen, die Schnittchen einzupacken.

Hans Werner Olm über die 70er Jahre in Berlin 

Mit Anfang 20 landet er in Berlin. Es ist die Zeit, in der die Stadt eine Insel ist. Kultstars wie Iggy Pop und David Bowie hängen in den Bars und Diskotheken ab. „Ich habe sie alle getroffen“, sagt er.

Es sei romantisch und aufregend gewesen. Nachts zieht Olm durch die Clubs mit seiner Gitarre und verdient bis zu 60 Mark am Abend. Olm wohnt im tiefsten Wedding und ist oft in Kreuzberg.

Er lebt von der Hand in den Mund – wie viele damals. Otto Waalkes, Karl Dall oder Marius Müller-Westernhagen. Bei Veranstaltungen plündert er Büffets. „Einmal stand ich mit meiner Tüte neben Lena Valaitis. Sie hat mir geholfen, die Schnittchen einzupacken. Und ich bin mit der U-Bahn zurück in den Wedding gerauscht. Im Kühlschrank guckten mich die Mäuse mit verheulten Augen an.“

Die Mauer zieht sich all die Jahre durch die Stadt. „Ich hatte nie das Problem, eingesperrt zu sein“, sagt er. 1976 gründete er zusammen mit Jürgen von der Lippe die legendären Gebrüder Blattschuss. Er veröffentlichte seine Single „Die Shit-Parade“ mit Parodien auf Dieter Thomas Hecks Hitparade. Sie wird ein Hit. Außerdem tourt er drei Jahre lang als Straßenmusiker und Aktionskünstler durch Europa.

Hans Werner Olm als&nbsp;Luise Koschinsky.&nbsp;
Hans Werner Olm als Luise Koschinsky.  Imago 

Er wird Stand-up-Comedian und spielt in Filmen mit – unter anderem mit Mike Krüger und Thomas Gottschalk in der Komödie „Zwei Nasen tanken Super“. Es folgten Tourneen und Fernsehauftritte mit Anke Engelke, Karl Dall und Ingolf Lück. Von 1983 bis 1987 ist Olm Gag-Schreiber, Redakteur und Moderator für die Sendung „Guten Morgen Deutschland“ bei Radio Luxemburg. Er ist Kolumnist und weiterhin ein Bühnen-Junkie.

2002 gelingt ihm dann der endgültige bundesweite Durchbruch mit der RTL Show OLM, gefolgt durch OLM unterwegs bei Pro7. Bis heute legendär sind seine Figuren wie Luise Koschinsky oder Paul Schraada. Es folgten über 20 Bühnenprogramme, Bücher und CD sowie DVD Produktionen.

Alle fünf Jahre veränderst du dich. 

Hans Werner Olm 

„Alle fünf Jahre veränderst du dich.“ Der zweifache Comedy-Preis Gewinner ist zudem Musiker, Schauspieler, Synchronsprecher und vieles mehrEr habe sich oft gewandelt, sei immer mit sich im Reinen. Eine weitere Leidenschaft ist die Fotografie. Derzeit lernt er wieder Gedichte auswendig. Er sagt: „Was haben wir für eine unvorstellbare wunderbare Sprache.“

Hans Werner Olm nippt an seinem Bier. „Nicht jeder kann von sich behaupten, es so lange im Showgeschäft durchgezogen zu haben.“ Er lächelt. „Viele haben damals ihren Job aus Spaß angefangen, heute ist es ein durchkalkuliertes Geschäft. Es geht oft nur um Zielgruppen. Der Markt ist kurzfristig. Wenn eine Karriere drei bis vier Jahre dauert ist das lang.“

Damals nach dem Mauerfall gab es die runden Tische, wo Menschen aus allen Gesellschaftsschichten saßen und diskutiert haben.

Hans Werner Olm 

Jetzt in der Corona-Zeit sei jeder aus der Bahn geworfen.

„Wir leben zurzeit in einer schwierigen Situation“, sagt er. Es sei eine Lage, die kaum jemand kenne. Niemand wisse Bescheid. „Wer weiß, ob im Herbst nicht die Schwester von Corona, die Corinna kommt. Dieses Virus reguliert einiges. Es lässt uns neu nachdenken, aber andererseits macht es Menschen ohnmächtig. Und wenn kein Geld mehr da ist, ist es bitter. Vor allem, wenn die Kultur stirbt.“

Diese Ohnmacht kannte er vorher nicht. „Es ist eine Zeitenwende“, sagt er. Eine, die unterschiedlichste Reaktionen hervorrufe, meist schwarz oder weiß. Befeuert durch das Internet. „Damals nach dem Mauerfall gab es die runden Tische, wo Menschen aus allen Gesellschaftsschichten saßen und diskutiert haben. Das vermisse ich in der heutigen Zeit.“

Wir brauchen einen Paradigmenwechsel. Doch wer bringt das den Menschen bei? Sie sind wegen Corona noch chaotischer und ängstlicher geworden.

Hans Werner Olm 

Und er frage sich, ob nach so einem Schock die Menschen wieder ins Theater oder in die Waldbühne gehen? „Wenn man ihnen alles nimmt, entsteht eine Agonie. Den Theatern fällt mindestens ein Drittel an Zuschauern weg in den nächsten Jahren. Die Kinder wachsen mit einem Trauma auf.“

Sein Bauchgefühl sage ihm, dass alles anders wird. Daher ist er besorgt. Es ist vieles schon in der Welt künstlich. „Wir brauchen einen Paradigmenwechsel. Doch wer bringt das den Menschen bei? Sie sind wegen Corona noch chaotischer und ängstlicher geworden.“

Er fügt hinzu: „Die Gesellschaft versucht, sich immer wieder neu zu erfinden. Dabei sind wir raffgierig, neidisch, man buckelt nach oben, tritt nach unten und das wird sich nicht ändern.“ All das bleibe. Goethe und Dostojewski hätten es schon beschrieben.

Manchmal frage er sich, was passieren würde, wenn alle am Wochenende mal zuhause bleiben müssten? Ohne TV, Internet oder Ausflug? „Mord und Totschlag, weil sich der Mensch nicht mit sich selbst beschäftigen kann. Aber das ist lustig zu beobachten. Ich mag es, die Menschen zu ärgern. Ihnen das Handtuch von der Liege wegzunehmen.“

Es ist sein Olm-Humor. „Ich versuche nur ein Abziehbild zu geben, von dem, mit dem ich täglich konfrontiert werde.“

Lächeln ist die eleganteste Art, den Leuten die Zähne zu zeigen.

Hans Werner Olm 

Jüngst kam ihm morgens um 8 Uhr eine ältere, von der Pandemie besorgte Dame auf der Straße entgegen. „Sie hatte sich aufgerüstet wie Darth Vader.“ Die Frau knickte um, er half ihr hoch, sie reagierte widerspenstig wegen seiner Distanzlosigkeit. Das sei das Leben mit Corona, ein oft absurdes, grinst Olm.

Szenen wie diese wird er in sein Programm einbauen.  „Es soll nicht bösartig sein. Humor hat etwas mit dem Leben zu tun.“ Seine Devise: „Lächeln ist die eleganteste Art, den Leuten die Zähne zu zeigen.“ Und das Leben solle man nehmen,  wie es ist.

Er nippt an seinem Bier und fügt hinzu: „Jeder kann sich seine Träume bauen und schaffen. Daher: Menschen, hängt euch nicht an die Politik, sondern verändert selbst was.“