Tausende Passagiere betroffen

Flughafen-Drama in Hamburg: Entführtes Kind nach 18 Stunden befreit!

Ein bewaffneter Mann legt den Flughafen Hamburg lahm. Er schießt um sich, hat ein Kind in seiner Gewalt. Viele Stunden wird verhandelt ...  

Teilen
Polizisten stehen am Samstag am Rande des Flughafengeländes.
Polizisten stehen am Samstag am Rande des Flughafengeländes.Jonas Walzberg/dpa

Dramatische Szenen am Hamburger Flughafen: Ein bewaffneter Mann durchbricht am Samstagabend gegen 20.00 Uhr mit einem Auto ein Tor, fährt auf das Vorfeld des Airports, schießt mehrfach um sich und wirft „eine Art Molotowcocktails“ aus dem Wagen. Der 35-Jährige hat seine vierjährige Tochter mit im Auto. Er trage weiterhin eine scharfe Waffe und möglicherweise Sprengstoff bei sich, hieß es. Vorausgegangen war laut Polizei offenbar ein Sorgerechtsstreit mit der Mutter.

Die Geiselnahme dauerte die ganze Nacht – bis Sonntagmittag. Der Mann wollte nicht aufgeben. Ewig wurde verhandelt. Erst nach 18 Stunden meldet die Polizei: Das Kind ist befreit, der Täter festgenommen!

Tausende Menschen betroffen

Der Täter wird auf dem Flughafen von der Polizei weggeführt.
Der Täter wird auf dem Flughafen von der Polizei weggeführt.Jonas Walzberg/dpa

Flugbetrieb eingestellt

Am frühen Sonntagmorgen gab der Flughafen dann bekannt, dass der Flugbetrieb wegen der Geiselnahme auf unbestimmte Zeit eingestellt bleibe. „Es kommt zu Flugstreichungen und Verzögerungen über den gesamten Tag“, teilte der Flughafen weiter mit. Die Polizei bat, dass Fluggäste vorerst nicht zum Flughafen anreisen. Mittlerweile teile der Airport aber mit, dass nach dem Ende der Geiselnahme der Flugbetrieb rasch wieder aufgenommen werden soll. „Die Vorbereitungen für die schnellstmögliche Wiederaufnahme des Flugbetriebes laufen“, hieß es am Sonntag auf der Homepage des Flughafens. Am späten Sonntagnachmittag wurde der betrieb dann wieder aufgenommen. 

Passagiere schildern Ängste

Die Geiselnahme jagte vielen Fluggästen einen gehörigen Schrecken ein. „Beängstigend“, „gruselig“ – so schildern Passagiere, die aus ihren Maschinen geholt wurden, ihre Eindrücke. Eine junge Frau, die am Samstagabend nach Mallorca fliegen wollte, sagte der Deutschen Presse-Agentur: Sie habe ein Feuer gesehen und erst gedacht, das werde schnell wieder gelöscht. Dann habe sie gehört, es gebe einen Amoklauf, das sei schon gruselig gewesen. Tatsächlich hatte der bewaffnete Mann auf dem Flughafen Brandflaschen aus dem Auto geworfen, die auf dem Vorfeld Feuer auslösten.

Eine andere Frau, die ebenfalls nach Mallorca fliegen wollte, sagte, sie habe nur ihre Handtasche mitnehmen dürfen, als das Flugzeug geräumt wurde. Alle hätten sich dabei ruhig verhalten, aber es sei auch beängstigend gewesen, weil man nicht wusste, was los war.

Eine Passagierin schilderte, dass sie beim Einsteigen gesehen habe, dass es auf dem Vorfeld brannte. Zwei Minuten vor dem geplanten Start sei dann die Durchsage gekommen: „Verlassen Sie bitte ruhig das Flugzeug“. Dann hieß es plötzlich, alle sollten sich jetzt beeilen.

Überall sind rund um den Flughafen Polizeiwagen postiert.
Überall sind rund um den Flughafen Polizeiwagen postiert.Jonas Walzberg/dpa

Kontakt mit Geiselnehmer

Die Hamburger Polizei verhandelte die ganze Nacht mit dem Mann. Er wollte offenbar mit dem Kind in die Türkei ausreisen. „Wir haben eben guten Kontakt zu dem Täter zu bekommen“, sagte eine Polizeisprecherin am späten Abend. Mit dem vermutlich 35-jährigen Mann werde auf Türkisch verhandelt. „Wir setzen hier auf eine Verhandlungslösung“, sagte sie weiter. Dass sich die Gespräche so lange hinzogen, bewertete sie positiv: „Das ist ein absolut gutes Zeichen“, betonte sie. „Er ist uns zugewandt. Er will mit uns sprechen und das bewerten wir erst einmal als sehr positiv.“

Ehefrau aus Stade meldet sich

Die Ehefrau des Mannes, die sich in Stade bei Hamburg aufgehalten haben soll, hatte sich zuvor wegen möglicher Kindesentziehung bei der Landespolizei gemeldet, wie der Sprecher der Bundespolizei sagte. „Wir gehen derzeit davon aus, dass ein Sorgerechtsstreit Hintergrund des Einsatzes ist“, twitterte die Hamburger Polizei kurz vor Mitternacht. Eine Sprecherin der Polizei sagte am Morgen, die Mutter sei mittlerweile in Hamburg in der Nähe des Flughafens.

Man gehe davon aus, dass der Vater der Mutter das Kind „weggenommen“ und möglicherweise unter Gewalteinwirkung ins Auto gesetzt habe, bevor er nach Hamburg und dort auf das Rollfeld des Flughafens fuhr, sagte eine Sprecherin der Polizei auf Nachfrage.

Der Geiselnehmer war schon in der Vergangenheit wegen einer Entführung seiner Tochter zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Diese Tat habe sich wohl im vergangenen Jahr ereignet, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Stade am Sonntagabend der dpa.

Keine Verletzten unter den Passagieren

Die Polizei sah zu dem Zeitpunkt auch keine akute Gefährdung von Dritten mehr. Das Flugzeug der Turkish Airlines, unter dem der Mann sein Auto abgestellt hatte, wurde geräumt, wie ein Polizeisprecher sagte. Es gebe keine Gefährdung Unbeteiligter mehr.

Der Täter stellte sein Auto unter einem Flieger von Turkish Airlines ab. Hier hält er das Kind gefangen. 
Der Täter stellte sein Auto unter einem Flieger von Turkish Airlines ab. Hier hält er das Kind gefangen. Jonas Walzberg/dpa

Alle Flüge gestrichen

Die Airport-Sprecherin sagte, von der offiziellen Sperre des Flughafens um 20.24 Uhr bis Betriebsschluss um 23.00 Uhr wären normalerweise sechs Starts und 21 Landungen erwartet worden. Für den Sonntag waren ursprünglich insgesamt 286 Flüge mit rund 34 500 Passagieren geplant. Auch am Sonntagvormittag fielen diverse Flüge aus. 

Schon zuvor Sicherheitsvorfälle

Bereits im Oktober war der Hamburger Flughafen gesperrt worden, damals allerdings wegen einer Anschlagsdrohung auf eine Maschine von Teheran nach Hamburg.

Im Juli hatten Klimaaktivisten der Gruppe Letzte Generation den Hamburger Flughafen für Stunden lahmgelegt. Der Flugbetrieb musste für mehrere Stunden aus Sicherheitsgründen eingestellt werden. Tausende Passagiere, darunter viele Familien mit Kindern, waren betroffen. Damals hatte es Forderungen nach einer Verstärkung der Sicherheit gegeben. ■