Kerzen vor der Porta Nigra in der Innenstadt von Trier erinnern an die fünf Toten und 14 Verletzten nach der Amokfahrt vom Dienstag.
Kerzen vor der Porta Nigra in der Innenstadt von Trier erinnern an die fünf Toten und 14 Verletzten nach der Amokfahrt vom Dienstag. Foto: AFP/Jean-Christophe Verhaegen

Sie stellen Kerzen auf, legen weiße und rote Rosen nieder. Viele halten inne vor dem wachsenden Lichtermeer, in das sich kleine Engel, Teddybärchen und Plakate mischen. Immer mehr Menschen kommen am Tag nach der Amokfahrt in Trier an das einst römische Stadttor Porta Nigra, um der Opfer und Angehörigen zu gedenken. „Es ist einfach nur schlimm“, sagt eine Mutter mit ihrem fünfjährigen Kind, die gerade eine weiße Kerze angezündet hat. „Mein Kind fragt mich, warum? Und ich kann nur sagen: Man weiß es nicht.“

Schrecklich. Unbegreiflich. Furchtbar. Das sind die Worte, die die Trierer immer wieder wählen für das Ereignis, das ihre Stadt am Dienstag verändert hat: Ein Amokfahrer (51) war mit seinem PS-starken Geländewagen quer durch die Fußgängerzone gefahren und hatte gezielt Menschen angesteuert. Fünf Menschen starben, 18 weitere Menschen wurden teils lebensgefährlich und schwer verletzt.

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Nach dem Schock ist am Mittwoch die Trauer riesengroß. Vor allem das Schicksal einer hart getroffenen Familie treibt die Menschen um: Ein neun Wochen altes Mädchen und dessen griechischer Vater (45) wurden getötet, Mutter und Ehefrau sowie ihr Sohn (1) liegen verletzt im Krankenhaus. „Wenn man selbst ein Kind hat, kann man nachvollziehen, was das bedeutet. Es ist das Schlimmste, was passieren kann“, sagt Verena Becker (24) mit ihrem knapp zwei Jahre alten Sohn im Kinderwagen.

Sie weint, kann kaum weitersprechen. „Wir wollten eigentlich am Dienstag auch in die Innenstadt gehen, aber da hat es angefangen zu regnen und wir sind zu Hause geblieben.“ Auch auf dem Hauptmarkt, wo das Baby und der Vater starben, stehen viele Kerzen. „Mein Sohn hat aus dem Fenster den umgefallenen Kinderwagen gesehen“, erzählt eine Triererin. „Was geht in einem Menschen vor, der so was macht?“, sagt sie kopfschüttelnd über den Täter. „Es macht einen sprachlos.“

Hinweise auf psychische Erkrankung, offenbar kein politisches Motiv

Eine Gruppe von Schülerinnen liegt sich weinend in den Armen. „Sie war eine Lehrerin von uns“, sagt ein Mädchen zum Tod der 52-Jährigen, die am Dienstagabend starb. „Wir haben ein Plakat für sie gemacht.“ Es liegt nun am Trauerort an der Porta. „In Gedenken“ steht darauf, mit den Unterschriften der Schüler. Zu den Todesopfern zählen zudem eine 73 Jahre alte Frau und eine 25-Jährige aus Trier.

Gegen den 51-jährigen Tatverdächtigen wurde Haftbefehl wegen Mordes erlassen. Unklar blieb zunächst, ob der Mann bei der Vorführung vor dem Richter auch Angaben zu seinem Motiv machte. Dies entschied der Haftrichter am Mittwoch, wie ein Sprecher der Polizei in der rheinland-pfälzischen Stadt sagte. Unklar blieb zunächst, ob der Mann bei der Vorführung vor dem Richter auch Angaben zu seinem Motiv machte

Nach Angaben des rheinland-pfälzischen Innenministers Roger Lewentz (SPD) wurde bislang kein Bekennerschreiben gefunden. Bei der Aufklärung komme es nun auf die Vernehmungen und die Bereitschaft des Tatverdächtigen an, seine Motive offenzulegen, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch im Deutschlandfunk. Vielleicht mache der 51-Jährige Angaben. „Wir hoffen es.“ Ein Polizeisprecher hatte am Morgen bestätigt, der Mann habe ausgesagt: „Er spricht mit uns“.

Derzeit gingen die Ermittler davon aus, dass der Amokfahrer ohne jeglichen organisierten Hintergrund gehandelt habe. Es gebe auch weiter keine Hinweise auf ein politisches Motiv. „Auch da muss man abwarten, was die weiteren Vernehmungen ergeben“, sagte Lewentz. Nach ersten Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft gibt es Hinweise auf eine mögliche psychische Erkrankung des Mannes. Die Justizbehörde muss daher noch entscheiden, ob sie Untersuchungshaft beantragt oder die Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung.

Nach den bisherigen Ermittlungen hatte der Mann mit einem PS-starken Geländewagen am Dienstagnachmittag gezielt Menschen in der Trierer Fußgängerzone überfahren. Fünf Menschen starben, darunter ein neun Wochen altes Baby. 18 Menschen wurden verletzt.

Absperrung von Trierer Innenstadt wieder aufgehoben

Nach der Amokfahrt mit fünf Toten in Trier hat die Polizei die Absperrung von großen Bereichen der Innenstadt noch in der Nacht zum Mittwoch wieder aufgehoben. „Die Stadt ist wieder frei“, sagte ein Polizeisprecher am Morgen. Es werde zwar noch weitere Ermittlungen in der Stadt geben, dafür seien aber keine Absperrungen mehr erforderlich. Die Spuren in der Fußgängerzone seien am Dienstag bis in die späten Abendstunden gesichert worden. Danach sei noch gesäubert und aufgeräumt worden, gegen 1.00 Uhr sei alles wieder frei gewesen.

Minister: Wenn Auto zur Waffe wird lässt sich Tat schwer verhindern

Eine Amokfahrt wie in der Trierer Innenstadt lässt sich nach den Worten des rheinland-pfälzischen Innenministers Roger Lewentz (SPD) nur schwer verhindern. „Wenn das Auto zur Mordwaffe wird, dann ist es schwierig zu sagen als Staat, das können wir zu 100 Prozent unterbinden. Nein, das können wir nicht“, sagte er am Mittwoch im Deutschlandfunk. „Wie wollen Sie etwas verhindern, wenn ein Mensch sich entscheidet, sich ins Auto zu setzen und gezielt Menschen anzugreifen.“

Es wäre schwierig, eine Großstadt so abzusperren, dass man mit einem Fahrzeug nirgendwo Menschen angreifen könnte - „nicht vor Schulen, nicht vor Kitas, nicht in Fußgängerzonen, nicht vor Busbahnhöfen“, sagte Lewentz. „Eine Fußgängerzone ist allein deswegen befahrbar, weil natürlich dort viele Geschäfte sind, die permanent Lieferverkehre bekommen.“ Diese Bereiche müssten außerdem für Rettungsfahrzeuge offen sein.

Der Minister zeigte sich auch einen Tag nach der Tat mit fünf Todesopfern und vielen Verletzten sehr betroffen. „Das sitzt tief in einem“, sagte Lewentz. „Das geht an keinem vorbei, natürlich auch an keinem Innenminister.“