Fußballer, Politiker und TV-Stars: Warum dürfen die zum Friseur – und wir nicht?
Seit dem 16. Dezember haben die Friseure in Deutschland wegen der Corona-Maßnahmen geschlossen.

Seit dem 16. Dezember sind die Friseure in Deutschland wegen des Corona-Lockdowns geschlossen. Und den meisten von uns bleiben seither nur zwei Möglichkeiten: wachsen lassen oder selbst Hand anlegen. Doch sobald man den Fernseher anmacht, strahlen einem beinahe nur frisch frisierte Menschen entgegen – und zwar nicht nur in Aufzeichnungen. Bei den TV-Stars sitzt der Scheitel perfekt, bei Fußballstars wirkt der Nacken frisch ausrasiert und auch der Schopf der Kanzlerin sieht aus wie im Sommer – als wir alle noch besser aussahen. Doch wie ist das möglich?

Das fragt sich nun auch ganz öffentlich der Zentralverbrand Friseurhandwerk (ZV), dem offenbar vor allem die zurechtgemachten Profifußballer ein Dorn im Auge sind. In einem offenen Brief an den DFB-Präsidenten Fritz Keller schreibt der Verband, dass man vor dem Hintergrund 80.000 geschlossener Salons in Deutschland mit „großer Verwunderung“ festgestellt habe, dass ein „Großteil der Fußballprofis sich mit frischgeschnittenen Haaren auf dem Platz präsentierte“ – und zwar mit Frisuren, die „nur professionelle Friseurinnen und Friseure mit Profi-Equipment schneiden können“.
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Und tatsächlich ist es auffällig, wie viele Bundesligaprofis diverser Klubs eben nicht plötzlich einfach ihre Haare wachsen lassen – sondern so gestriegelt aussehen wie vor dem Lockdown. Angesichts dieser Bilder berichten laut dem ZV viele Friseure, dass Kunden sie zu Schwarzarbeit und Regelverstößen überreden wollen. Man sage natürlich ab, heißt es aus dem Verband. Schließlich drohen hohe Strafen – und man wolle ein Vorbild sein. Das wünscht man sich angesichts der ernsten Pandemie-Situation auch von den Bundesligaprofis.
Wirklich beweisen, dass die Profi ihre perfekten Frisuren auch wirklich vom Fachmann haben, kann man im Nachhinein nicht. Unions Mittelfeld-Antreiber Robert Andrich gab jüngst jedoch zu, im Frisuren-Bereich professionelle Hilfe in Anspruch genommen zu haben. „Meine Frau versucht manchmal, den Rasierer anzulegen, das klappt nicht so gut“, sagte er. Also hätten sie ein- oder zweimal Besuch von einem Profi bekommen.
Doch das ist eigentlich verboten, wie Rechtsanwältin Nicole Mutschke dem KURIER erklärte. Es sei egal, ob man im Friseursalon sei oder den Friseur zu sich nach Hause kommen lasse. „Die Dienstleistung an sich ist untersagt“, so die Juristin. Schließlich sei dabei „eine körperliche Nähe zum Kunden unabdingbar“, und das sei laut Infektionsschutzverordnung verboten. Bei Union will man dem Thema nicht zu viel Raum geben. „Wir werden jetzt nicht anfangen, im Privatleben unseren Spielern hinterher zu laufen“, sagte Pressesprecher Christian Arbeit. „Der eine hat eine Friseuse zu Hause, die Spieler haben sich schon untereinander die Haare geschnitten.“

Ähnlich klang es auch bei Robert Andrich, als der zurückruderte. Es sei ein Freund, der ihn frisiere. Doch auch diese Begründung sei eher dünnes Eis, schätzt Mutschke ein. Erst mal würde es wohl das Bußgeld geben, gegen das man dann vorgehen könne. Doch zu beweisen, ob nun der Freund ein Friseur – oder doch nur der Friseur plötzlich auch ein Freund ist, sei im Einzelfall schwierig, sagt die Juristin, die darauf hinweist, dass, sobald dafür bezahlt wird, von einer Dienstleistung auszugehen sei – und die sei verboten.
Vieles sei aber noch im Unklaren, sagt die Juristin und weist darauf hin, dass andere Juristen durchaus zu anderen Einschätzungen kommen könnten. Man befinde sich in einer nie dagewesenen Situation und damit in „rechtlichem Neuland“. Wirklich unproblematisch wäre es wohl nur, wenn der Lebenspartner oder die Lebenspartnerin zur Schere greift. Da in dieser Konstellation die Abstandsregeln ohnehin nicht greifen.
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Fest steht für Mutschke aus rechtlicher Seite vor allem eines: „Normierte Ausnahmen gibt es nicht.“ Es gebe keine Sonderfälle, die auch im Lockdown ein Anrecht auf frische Frisuren hätten. Das gelte für Fußballer genauso wie für Fernsehstars und Politiker.
Dass letztere Gruppen dennoch oft frisch zurechtgemacht aussehen, könnte an einer möglichen Sonderstellung von TV-Studios liegen. Denn diese dürfen weiter betrieben werden. „Man könnte argumentieren, dass zum Auftritt im Fernsehen auch ein entsprechendes Auftreten gehört“, erklärt Mutschke. Da könne es vertretbar sein, die Protagonisten zu schminken und zu frisieren. Niedergeschrieben sei jedoch nichts dergleichen. Gleiches gelte übrigens für die Kanzlerin. Wenn sie eine Visagistin habe, die sie auch frisiert, „bewegt sich das aufgrund ihrer ständigen öffentlichen Auftritte in einer Grauzone“, so Mutschke.