Blick in die Zelle einer JVA.
Blick in die Zelle einer JVA. dpa

Alltag im Gefängnis, so etwas kennen die meisten Deutschen eher aus dem Fernsehkrimi denn aus eigener Anschauung. Gerade einmal 67 von 100.000 Deutschen sitzen derzeit ein, prozentual nur ein Bruchteil der 629 Gefangenen pro 100.000 US-Amerikaner. Doch was in Krimi-Serien verbreitet wird, hat selten etwas mit dem oftmals monotonen Knast-Alltag zu tun, den Inhaftierte erleben.

Deshalb ist die Diskussion unter ehemaligen Knackis erhellend, die jetzt auf der Plattform Reddit entbrannt ist: „Ich saß sechs Jahre lang in verschiedenen deutschen Gefängnissen“, eröffnet ein User die offene Diskussion. Dabei seien die sechs Jahre am Stück nur ein Teil der Haftstrafe von insgesamt elf Jahren gewesen. Mit Kleinkriminellen „bis hin zum mehrfachen Mörder“ habe er zusammen eingesessen. Verurteilt worden sei er selbst wegen „Betrugs, Bandenkriminalität, Identitätsdiebstahl, Gründung einer Kriminellen Vereinigung“, so der User, der sich AWildSona nennt.

Inhaftiert „in einer Zelle, wo du das Fenster nicht öffnen konntest“

Was ist wohl das Schlimmste, was so einer Person im Knast widerfährt? Wer wilde Knastkrimis im Kopf hat, wird wohl brutale Schlägereien, Demütigungen unter der Gemeinschaftsdusche und dergleichen vermuten. Doch es ist etwas ganz anderes, dass AWildSona quälte: die Einsamkeit. „Das schlimmste Erlebnis, die allererste Aufnahme und erste Zeit danach, wo du ohne Uhr, ohne Beschäftigung, ohne Gegenstände mehrere Stunden bis Tage alleine bist und auch keine Informationen bekommst“, schreibt er.

Ein anderer User mit Knasterfahrung hatte dies anders erlebt: „Wurde die Uhrzeit bei dir etwa nicht von anderen im Stundentakt mehrmals aus dem Fenster geschrien?“ AWildSona entgegnet: „Bei meiner ersten Inhaftierung saß ich in einer Zelle, wo du das Fenster nicht öffnen konntest.“ Das sei in Cottbus gewesen, wo er mehrere Tage lang keinen Kontakt zu Mithäftlingen gehabt habe.

Ein weiterer User mit vier Jahren Knasterfahrung in Brandenburg und Köln wendet ein, „die einzigen Hafträume in denen sich die Fenster nicht öffnen ließen, waren entweder Transportzellen oder BGH. Sonst ist das in Deutschland doch eigentlich gar nicht zulässig“.

Sechs Jahre Knast: „Ich habe niemanden kennengelernt in all den Jahren, denen eine Haftstrafe geholfen hat“

Er sei auch mehrmals in Transportzellen untergebracht gewesen, erklärt AWildSona, „oder auch in gesonderten Bereichen wegen Mittäter-Trennung, dort habe ich nie lange verbracht“. Wenn du erst mal „in ‚deiner‘ Zelle bist, kannst Du dir Bücher ausleihen bzw. schicken lassen, Fernseher/Radio beantragen“, stellt ein weiterer Ex-Knacki klar. Doch bis man in ‚seiner‘ Zelle sei, können viele Tage vergehen, „in manchen Anstalten Monate ...“, so AWildSona.

Doch aus sechs Jahren Knast erinnert er sich auch an Lichtblicke im Alltag. „Das schönste Ereignis war ein arrangiertes Geburtstags-Ständchen, wo meine gesamte Station mit den Beamten zusammen ein riesen Banner mit Unterschriften hoch gehalten und Happy Birthday für mich gesungen hat.“

Nachdenklich macht, wie AWildSona rückblickend die Knasterfahrung beurteilt. „Ganz ehrlich ich habe niemanden kennengelernt in all den Jahren und dies waren weit mehr als 1000 Leute, denen eine Haftstrafe geholfen hat.“ Die allermeisten Leute hätten wegen geringfügiger Delikte als Wiederholungstäter eingesessen, weil Sie aus der Spirale, welche der Strafvollzug erzeugt hat, nicht mehr rauskamen. „Resozialisierung gibt es nicht, ich war in 17 Strafanstalten und in keiner war dies vernünftig möglich. Über die Zustände auch unter den Beamten möchte ich gar nicht anfangen.“ Ihm selbst ist es offenbar dennoch gelungen, die Spirale des Strafvollzugs zu durchbrechen: „Heute arbeite ich als Sozialarbeiter über die Diakonie mit gefährdeten Jugendlichen“ – um diesen das zu ersparen, was er selbst durchlebt hat.