TV-Geschichte

„Diese unordentliche Frisur“ - Vor 50 Jahren sprach zum ersten Mal eine Frau die „heute“-Nachrichten

Vor 50 Jahren stieß eine Frau unter den Augen von Millionen TV-Zuschauern in eine Männerdomäne vor: Das ZDF präsentierte Wibke Bruhns als erste „heute“-Nachrichtensprecherin.

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Die damalige ZDF-Nachrichtenmoderatorin Wibke Bruhns
Die damalige ZDF-Nachrichtenmoderatorin Wibke BruhnsFoto: Renate Schäfer/ZDF/dpa

Ein später Abend im Zweiten Deutschen Fernsehen vor 50 Jahren gilt in der TV-Geschichte als Wegmarke: Am 12. Mai 1971 war mit Wibke Bruhns erstmals eine Nachrichtensprecherin im ZDF bei den Spätnachrichten zu sehen. Noch im selben Monat präsentierte sie als erste Frau die ZDF-Hauptnachrichtensendung „heute“. Ein Novum in einer Männerdomäne. Die Bundesrepublik hatte ein Gesprächsthema. Einblicke in eine Zeit, als Nachrichtensprecherinnen noch selten waren:

Anfänge: Je nachdem wie eng oder weit man das Ganze definiert, gab es schon vor Bruhns Frauen in TV-Programmen, die Informationssendungen präsentierten. Sie hatten zum Teil Magazincharakter. In der regionalen Sendung „Abendschau“ von Süddeutschem Rundfunk und Südwestfunk sind laut SWR bereits in den späten 1960er Jahren Frauen dabei gewesen - Hannelore Gadatsch zum Beispiel.

Hannelore Gadatsch moderiert die Abendschau des SWF/SDR/SR. 
Hannelore Gadatsch moderiert die Abendschau des SWF/SDR/SR. Foto: Hugo Jehle/SWR/dpa

Anne-Rose Neumann war die erste Nachrichtensprecherin der DDR

Bei der „Aktuellen Kamera“ als wichtigster tagespolitischer Sendung des DDR-Fernsehens war Anne-Rose Neumann die erste Nachrichtensprecherin, wie vom Deutschen Rundfunkarchiv zu erfahren ist. Sie war erstmals am 8. März 1963 auf dem Bildschirm zu sehen, anlässlich des Internationalen Frauentags. Dem Archiv zufolge basierte der Schritt, Neumann als Sprecherin für die Sendung zu engagieren, wohl auf einem vom Politbüro der SED verkündeten sogenannten Frauenkommuniqué aus dem Jahre 1961, in dem die Gleichberechtigung der Frau in DDR und Sowjetunion propagiert wurde.

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Und bereits 1955 gab es mit Schauspielerin Christa Adomeit eine saarländische Fernsehansagerin. Damals noch beim privaten TV-Sender Telesaar, wie es vom Saarländischen Rundfunk (SR) heißt. In dieser Zeit gehörte die Region nach dem Krieg noch nicht zur BRD. Der WDR nennt die Magazinsendung „Hier und Heute“, bei der Frauen Ende der 1950er als Moderatorinnen zu sehen waren.

Skepsis: Etwas später als das ZDF war die „Tagesschau“ der ARD dran: Dagmar Berghoff präsentierte am 16. Juni 1976 als erste Frau die Nachrichtensendung. Der Norddeutsche Rundfunk schrieb 2016 in einem Chronik-Rückblick zu den Startbedingungen: „Politik sei „unweiblich“, so die feste Überzeugung, die viele damalige Kollegen um Berghoff herum vertraten.“

Die „Tagesschau“ der ARD wurde am 16. Juni 1976 erstmalig von  Dagmar Berghoff und damit von einer moderiert.
Die „Tagesschau“ der ARD wurde am 16. Juni 1976 erstmalig von Dagmar Berghoff und damit von einer moderiert.Foto: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa

Berghoff erzählte 2012 in einem „Tagesschau“-Interview, dass der damalige Chefsprecher eigentlich die Ansicht vertreten habe, dass Frauen den Job einer Nachrichtensprecherin nicht könnten, „weil sie in Tränen ausbrechen, wenn ein Unglück passiert ist. Die Kollegen haben mich aber sehr freundlich aufgenommen, vor allem, nachdem sie gemerkt hatten, dass ich es doch kann.“

Look: Moderatoren und Moderatorinnen mussten sich damals einiges zu ihrem Auftreten anhören. In einer Pressemitteilung des Süddeutschen Rundfunks zur „Abendschau Baden-Württemberg“ aus dem Jahre 1969 heißt es: „Für die Zuschauer scheint es eine gewaltige Rolle zu spielen, ob der Moderator seine Beine übereinander schlägt oder ob der Moderatorin der Minirock nach oben rutscht. Es wird Anstoß genommen, wenn sich der Moderator verspricht, und es stößt auf Unverständnis, wenn die Moderatorin „immer diese unordentliche Frisur“ trägt.“

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Klamotten leihen: In einem 2018 veröffentlichten Bericht des Saarländischen Rundfunks über ihre Arbeit sagte die frühere Fernsehansagerin Christa Adomeit über die 1950er Jahre: „Ein großes Problem waren die Kleider.“ Jeden Abend etwas anderes anzuziehen, sei unmöglich zu bewältigen gewesen. „Alle meine Kolleginnen und Freundinnen haben mir dann großzügig auch mal ihre Blusen und Pullis geliehen.“

Privatfernsehen: Das Privatfernsehen startete in Deutschland Mitte der 1980er Jahre. Die Nachrichtensendung „RTL Aktuell“ gibt es seit 1988, 1989 war dort mit Ulrike von der Groeben die erste Sportnachrichten-Moderatorin zu sehen. In den Vorjahren gab es damals noch unter dem Sendernamen RTLplus die Nachrichtensendung „7 vor 7“, dort waren auch Frauen Teil des Teams, wie es von der Mediengruppe RTL Deutschland heißt. Der Medienkonzern Prosiebensat.1 teilt mit, dass die erste Nachrichtensprecherin im Konzern Sat.1-Moderatorin Andrea Scherell im Jahre 1985 war.

Männer und Frauen heute: Heute ist so ein starkes Geschlechtergefälle längst kein Thema mehr: Im Team für die Hauptausgabe der „Tagesschau“ um 20.00 Uhr etwa sind aktuell drei Frauen und drei Männer tätig. „Wir streben immer eine 50:50-Verteilung an“, heißt es bei ARD-aktuell. Das ZDF äußert sich so: „Es moderieren etwas mehr Frauen als Männer die Sendungen der „heute“-Nachrichtenfamilie.“ Und bei ProSiebenSat.1 heißt es, dass das Verhältnis von weiblichen und männlichen Moderierenden bei den Sendern ausgeglichen sei.