Elena-Katharina Sohn ist Autorin und Inhaberin der Berliner Beratungsagentur „Die Liebeskümmerer“.  
Elena-Katharina Sohn ist Autorin und Inhaberin der Berliner Beratungsagentur „Die Liebeskümmerer“.   Foto: dpa

Sie ist zurzeit gefragter denn je: Elena-Katharina Sohn (40) hilft Menschen, die unter Liebeskummer leiden. Nach wie vor sei es unterschätzt, welche Qualen Verlassene durchleiden, sagt sie. Sie selbst litt vor Jahren unter schwerem Herzschmerz, als ihr damaliger Freund sie verließ.

Damals fühlte sie sich alleingelassen und suchte nach Menschen, die sie professionell unterstützen könnten. Sie fand niemanden und so gründete die ehemalige PR-Beraterin 2011 die Agentur „Die Liebeskümmerer“. Die Corona-Krise verschlimmert für viele Getrennte das Leid, sagt sie. Manche lernten aber auch daraus, besser damit umzugehen. Wir sprachen mit Elena-Katharina Sohn. 

KURIER: Wie geht es Ihnen persönlich in der Corona-Zeit?

Elena-Katharina Sohn: Die meiste Zeit geht es mir sehr gut, in gewisser Weise ist eine neue Normalität eingekehrt, man hat sich an die Situation gewöhnt. Aber es gibt auch immer noch Momente, in denen Corona und vor allem die neue Erfahrung, dass so etwas auf unserer Welt passieren kann, mir Angst macht. Manchmal erwische ich mich bei der Frage, ob überhaupt alles wieder „gut“ wird.

Was hat die Krise bei Ihnen privat bewirkt?

An meiner privaten Situation hat sich eigentlich nicht viel verändert. Ich bin Mutter eines zweijährigen Sohnes, der noch nicht in die Kita geht. Wie vor Corona auch haben wir in den letzten Monaten die allermeiste Zeit mit unseren Hunden in der Natur verbracht. Mein Mann hatte beruflich zwar viel Stress, insgesamt war unser Familienleben aber trotzdem recht entschleunigt und das war definitiv ein guter Aspekt an Corona. Gar nicht schön ist jedoch, dass unser Sohn seine Großeltern so lang nicht sehen kann und sie ihn nicht.

Sind Sie als Liebeskümmerin mehr gefordert?

Wir haben seit Mitte Mai doppelt so viele Buchungen, wie sonst, ja. Dieser immens hohe Effekt hat sogar mich ein bisschen überrascht, um ehrlich zu sein – wenngleich ich damit gerechnet habe, dass die Monate des Ausnahmezustands für viele Paare zum Problem werden.

Auffällig gehäuft melden sich gerade Menschen, die die Affäre von jemandem sind.

Elena-Katharina Sohn 

Wie sieht Ihr Tagesablauf zurzeit aus?

Da ich momentan noch die meiste Zeit mit meinem kleinen Sohn verbringe, bekomme ich auf meinem Handy nur mit, wie die Buchungen über die Website reinkommen, die Organisation im Hintergrund – also die Terminabsprachen mit meinem Team, die Bestätigungen für die Kunden etc. – übernimmt aber eine sehr liebe Mitarbeiterin für mich. Ich persönlich habe momentan immer zwischen fünf und sieben Kunden parallel, die ich per Mail betreue. Denn das geht, wenn mein Sohn schläft. Per Telefon und Skype stehen die anderen Liebeskümmerer unseren Kunden zur Verfügung

Mit welchen Problemen kommen Ihre Klienten zurzeit am häufigsten zu Ihnen?

Häufig geht es um klassische Trennungen, die meisten davon sind frisch, manche liegen aber auch schon länger zurück. Auffällig gehäuft melden sich außerdem gerade Menschen, die die Affäre von jemandem sind. Außerdem solche, die unglücklich verliebt sind, zum Beispiel in einen Arbeitskollegen. Und unglückliche Singles.

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Verstärkt diese Zeit Liebeskummer?

Definitiv ja – und zwar aus verschiedenen Gründen. Zum einen fehlen Ablenkungsmöglichkeiten, die für viele Menschen in so einer Krise extrem wichtig sind: ausgehen, Freunde treffen, Sachen unternehmen. Zum anderen gibt es Paare, bei denen Corona wie ein Katalysator für eine ohnehin schon problematische Beziehung gewirkt hat. Außerdem führt eine Extrem-Erfahrung, wie Corona sie vermutlich für die meisten von uns war beziehungsweise ist, dazu, dass man sich ganz besonders den Halt von jemandem wünscht, den man liebt – eine Art sichere Insel. Sie in so einer Phase zu missen oder zu verlieren, ist doppelt schwierig.

Wie können Betroffene jetzt und nach Corona am besten damit umgehen?

Wichtig ist, sich den „Anteil“, den Corona am Kummer hat, ganz klar vor Augen zu führen. Sich zuzugestehen, dass das alles eine Ausnahmesituation ist. Und so viel wie möglich über seinen Kummer zu sprechen, sei es mit Freunden, Familie oder einem Profi.

Angst macht Stress und Stress führt bei vielen Menschen dazu, dass sie leicht reizbar werden.

Elena-Katharina Sohn 

Inwieweit spielt Angst eine Rolle?

Die meisten unserer Kunden sind zwischen 20 und 50 Jahren alt. Das ist hier bei uns in Deutschland eine Generation, die noch nie einen Krieg erlebt hat und für die Sicherheit – so kann ich es zumindest für mich selbst sagen – beinahe etwas Selbstverständliches war. Ein großer Trugschluss natürlich. Aber wenn dieses Sicherheitsgefühl so massiv erschüttert wird, dann macht das natürlich Angst. Mir ging es zuletzt bei 9/11 so.

Wie reagiert der Körper darauf und wie wirkt sich das auf zwischenmenschliche Beziehungen aus?

Angst macht Stress und Stress führt bei vielen Menschen dazu, dass sie leicht reizbar werden. Das ist für eine Beziehung nicht gut. Andererseits kann die Angst bei Partnern, die sich in ihrem Sicherheitsbedürfnis sehr ähnlich sind, natürlich auch dazu führen, dass sie noch enger zusammenrücken. Dass Corona für viele Paare zur Krise wird, liegt meiner Einschätzung nach weniger an der Angst, als an der erzwungenen Konzentration aufeinander, dem Mangel an alternativen Aktivitäten. Einfach gesagt: Viele Paare haben zu viel aufeinander gehockt. Das tut einer Beziehung zu keiner Zeit gut.

Jonathan Schöps/imago-images
Hilfe per Mail oder am Telefon

Die Liebeskümmerer wurden 2011 in Berlin gegründet. Seitdem bietet das Team aus Psychologen und Coaches Hilfe an. Es gibt Beratung am Telefon,  per Skype oder per E-Mail. Elena-Katharina Sohn hat mittlerweile auch Bücher über das Phänomen Liebeskummer geschrieben. Ihre These: Starker Liebeskummer ist vermeidbar, wenn man in einem ausgewogenen Beziehungsgeflecht lebt, also wenn das Lebensglück nicht nur vom Partner abhängt. Kontakt: die-liebeskuemmerer.de

Sind vor allem Singles oder frisch Getrennte von dem Angstthema betroffen?

Ich denke, das betrifft beide gleichermaßen.

Gehören diese zu den Hauptbetroffenen der Krise?

Wie ich oben schon schrieb: Viele Menschen wünschen sich jetzt natürlich eine sichere Insel in all dem Chaos – einen Partner, mit dem alles gut ist, wenn schon rundherum alles verrückt spielt. Insofern sind diejenigen, die gerade allein sind, natürlich vor einer besonderen Herausforderung. Aber: Es gibt natürlich auch viele Singles und frisch Getrennte, die diese sichere Insel in ihrer Familie finden, in Freunden oder in sich selbst. Und andersherum gibt es auch viele Liierte, die dennoch große Angst haben.

Was raten Sie in solchen Situationen?

Der Mensch ist sehr anpassungsfähig. Und wie im Liebeskummer ist auch in dieser Situation, meiner Erfahrung nach, das Wichtigste, dass wir die Veränderung akzeptieren. Mit ihr umzugehen lernen, anstatt an ihr zu verzweifeln. Wer so durchs Leben geht, hat es leichter.

Eine Kundin sagte mir, sie hätte wohl endlich die Angst vor dem Alleinsein überwunden – weil ihr gar nichts anderes übrig blieb, als endlich mal hinzuschauen und sich nicht dauernd abzulenken.

Elena-Katharina Sohn 

Leiden viele unter Einsamkeit und Isolation?

Ja, das höre ich häufig. Und um ehrlich zu sein, kann man dem auch nur zu einem gewissen Grad entgegenwirken, durch Telefonieren, Videocalls, Treffen auf Abstand. Aber all das ersetzt den echten Kontakt auf Dauer nicht und das lässt sich auch nicht schönreden. Es ist gut, dass jetzt alles wieder lockerer ist.

Was sollte man zurzeit vermeiden, damit es in einer Beziehung oder zwischen Freunden nicht eskaliert?

Anderen seine Corona-Meinung aufzwängen zu wollen. Ich denke man muss akzeptieren, dass Menschen ganz unterschiedliche Gefühle zu dieser Situation haben und entsprechend auch häufig ein stark abweichendes Sicherheits- und Schutzbedürfnis. Niemand sollte den anderen dafür verurteilen, dass er mehr oder weniger Angst hat, denn die ist einfach subjektiv und schwer mit dem Kopf zu steuern.

Spüren Sie auch bei manchen eine gewisse Zuversicht, die man aus der Krise gewinnen kann?

Ja, auf jeden Fall. Viele haben sich gezwungenermaßen sehr intensiv mit sich, ihrem Leben und gegebenenfalls auch ihrer Partnerschaft auseinandergesetzt und ganz neue Erkenntnisse gesammelt. Eine Kundin sagte mir, sie hätte wohl endlich die Angst vor dem Alleinsein überwunden – weil ihr gar nichts anderes übrig blieb, als endlich mal hinzuschauen und sich nicht dauernd abzulenken.

Welche Chancen sehen Sie nach oder mit Corona?

Ich glaube, viele von uns haben eine ganz neue Wertschätzung für Beziehungen gelernt – und zwar nicht nur romantische Beziehungen, sondern auch freundschaftliche, familiäre, kollegiale, nachbarschaftliche und was es noch so gibt. Einmal erlebt zu haben, wie fürchterlich es ist, wenn das Sozialleben derart beschnitten wird, wird zumindest für eine Weile vielleicht zu einer neuen Herzlichkeit führen.

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