Die österreichische Ärztin Lisa-Maria Kellermayr hatte sich im Kampf gegen Corona engagiert und war deshalb bedroht und beleidigt worden. So drohte ihr ein Mann aus Bayern während der Pandemie mit einem „Volkstribunal“ und mit „Gefängnis“. Die Ärztin beging 2022 Suizid. Haben die Hass-Nachrichten die Ärztin in den Tod getrieben? Der Deutsche musste sich dafür vor Gericht verantworten. Heute fiel das Urteil, er wurde freigesprochen.
Der Prozess gegen den 61-jährigen Mann aus Oberbayern fand am Landesgericht Wels in Oberösterreich statt. Dem Angeklagten wurde nicht nur der Tatbestand gefährlicher Drohung vorgeworfen, sondern auch Mitschuld am Suizid der Befürworterin von Corona-Impfungen.
„Wir beobachten Sie“, hieß es in einem der Schreiben, das der Bayer an die Ärztin Lisa-Maria Kellermayr geschickt hatte. Die Medizinerin habe wegen dieser Drohungen Angst vor einem „Lynchmob“ gehabt, sagte eine Freundin der 36-Jährigen vor Gericht aus. Die Ärztin hatte aufgrund der Hass-Nachrichten in ihrer Arztpraxis in kostspielige Sicherheitsmaßnahmen investiert.
Impfgegner bestritt Schuld am Tod der Ärztin
Dem Angeklagten drohten bis zu zehn Jahre Haft. Er sah sich selbst als Opfer. Vor Gericht hatte er mit einem „Nein“ jede Schuld von sich gewiesen und ansonsten geschwiegen. Erst jetzt am letzten Prozesstag drückte er in einem Schlusswort sein „ehrliches Bedauern“ über den Tod der Ärztin aus. „Mich hat seinerzeit der Tod erschüttert“, sagte er. Gleichzeitig bekräftigte er seine Unschuld und zog die von Lisa.Maria Kellermayr behauptete Bedrohungslage in Zweifel. Zuvor hatten seine Verteidiger auf die schon länger bestehenden psychischen Probleme Kellermayrs hingewiesen. „Realitätsbezug war nicht ihre Stärke“, sagte der Angeklagte.
Bereits zu Anfang des Prozesses hatte der der mehrfach vorbestrafte 61-Jährige in seiner Stellungnahme, die seine Anwältin vorlas, bestätigt,, dass er die zitierten Nachrichten verfasst habe, weil er sich gegen eine Corona-Impfpflicht eingesetzt habe. Jedoch habe Kellermayr auch Todesdrohungen und extreme Gewaltfantasien von einer bislang nicht identifizierten Person erhalten. Diese „widerlichen“ E-Mails habe nicht der Angeklagte geschrieben. „Ich bin nicht derjenige, den man gesucht hat, aber derjenige, den man gefunden hat“, las die Anwältin vor.
Die Anwälte des angeklagten Bayern betrachten ihn als unschuldig. Er habe zwar diese Nachrichten geschickt, weil er sich gegen die Einführung einer Impfpflicht eingesetzt habe. Es habe sich aber um ein Streitgespräch gehandelt – immerhin habe ihm Kellermayr in selbstbewusst formulierten Schreiben mehrmals geantwortet. Für ihren Tod im Jahr 2022 sei er nicht verantwortlich.
Auch die Richter am Landgericht im oberösterreichischen Wels sahen es als nicht erwiesen an, dass der Corona-Maßnahmen-Gegner aus Bayern den Suizid einer jungen österreichischen Ärztin mit seinen Schreiben ans sie mitverursacht hat. Er wurd von diesem Vorwurf freigesprochen.

Gutachter sieht mehrere Gründe für Tod der Ärztin
Ein psychiatrischer Gutachter zeichnete vor Gericht ein komplexeres Bild der Ärztin, die in Medienauftritten über den Nutzen von Impfungen aufgeklärt und Gegner der Corona-Maßnahmen kritisiert hatte. Ein Bündel an psychischen, gesundheitlichen und finanziellen Problemen habe zusammen mit den Drohungen zu ihrem Suizid geführt, sagte er laut einem Bericht des Senders ORF. Die Ankündigung eines „Volkstribunals“ sei zumindest einer der Puzzlesteine gewesen, meint der Experte. ■