Diese Nebenwirkungen hat der Corona-Impfstoff wirklich
Impfexperten schätzen die Nebenwirkungen als etwas häufiger als bei der Grippe-Impfung ein. Doch ganz ohne gehe es eben nicht, sagen sie.

Der Impfstoff gegen das Coronavirus wird sehnsüchtig erwartet. Am Montagnachmittag hatte die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) den Wirkstoff von Biontech und Pfizer zugelassen. Schon bald kann auch in Deutschland geimpft werden. Dabei, das ist schon klar, wird es auch zu zeitlich begrenzten Begleiterscheinungen kommen. Impfexperten rechnen mit den üblichen Nebenwirkungen wie Kopfweh, Müdigkeit, Schmerzen an der Impfstelle. Nicht angenehm, aber auch kein Anlass für größere Bedenken, sagen sie.
Der Impfstoff wurde von Ende Juli bis Mitte November in einer Studie mit insgesamt 44.820 Männern und Frauen untersucht, die im „New England Journal of Medicine“ veröffentlichte wurde. Etwa die Hälfte der Probanden bekam zweimal den Impfstoff verabreicht, die andere Hälfte stattdessen ein wirkungsloses Placebo. Die Teilnehmer waren mindestens 16 Jahre alt, rund 42 Prozent von ihnen älter als 55 Jahre.

Die Auswertung zeigt, dass etwa vorübergehende Schmerzen an der Impfstelle, Kopfschmerzen oder Müdigkeit vorkommen können. Konkret berichteten - je nach Altersgruppe und ob es sich um die erste oder zweite Dosis handelte - 66 bis 83 Prozent von Schmerzen an der Einstichstelle. Bei fünf bis sieben Prozent zeigten sich dort Rötungen oder Schwellungen.
Teilnehmer klagten nach der Impfung außerdem über Müdigkeit (34 bis 59 Prozent) und Kopfschmerzen (25 bis 52 Prozent), Schüttelfrost (6 bis 35 Prozent), Durchfall (8 bis 12 Prozent), Muskelschmerzen (14 bis 37 Prozent) und Gliederschmerzen (9 bis 22 Prozent). Besonders bei der zweiten Impfdosis bekamen Teilnehmer (11 Prozent der Älteren und 16 der Jüngeren) Fieber. Die Nebenwirkungen waren demnach im Allgemeinen schwach bis mäßig und klangen nach kurzer Zeit wieder ab.
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Solche Begleiterscheinungen sind bei Impfungen üblich, wie Stefan Kaufmann, emeritierter Direktor am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie, sagt: „Ganz ohne geht es nicht.“ Der Wiener Impfexperte Herwig Kollaritsch beschreibt es im Buch „Pro & Contra Coronaimpfung“ so: „Eine Impfung ist kein Hustenzuckerl.“ Eine vorübergehende Entzündungsreaktion ist erstmal nichts Negatives. Der Körper müsse schließlich irgendwie merken, wo er mit seiner Immunantwort hinsolle, erklärt Kaufmann. Kollaritsch verweist auf den Pharmakologen Gustav Kuschinsky (1904 bis 1992): „Wenn behauptet wird, dass eine Substanz keine Nebenwirkung zeigt, so besteht der dringende Verdacht, dass sie auch keine Hauptwirkung hat.“
Im Vergleich zu vielen etablierten Impfstoffen ist der Biontech/Pfizer-Impfstoff „reaktogener“, wie Christian Bogdan, Direktor des Instituts für Klinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene an der Uniklinik Erlangen, erklärt. Die Nebenwirkungen treten also häufiger auf als etwa bei Grippe-, Tetanus- oder Diphtherieimpfungen. Impfexperten vergleichen die Reaktionen mit denen nach einer Gürtelrose-Impfung. Kein Grund aber für stärkere Bedenken, sagt Kaufmann: „Es ist halt ein bisschen unangenehm.“
Bei den Tests stellte sich außerdem heraus, dass über 55-Jährige den Impfstoff als verträglicher empfanden und weniger Nebenwirkungen beklagten als Jüngere. Grundsätzlich traten Begleiterscheinungen öfter bei der zweiten Impfdosis auf. 64 Geimpfte berichteten über geschwollene Lymphknoten. Über die leichteren Beschwerden hinaus gab es vereinzelt schwerwiegendere „unerwünschte Ereignisse“. Je eine Person meldete eine Schulterverletzung, Herzrhythmusstörungen sowie Taubheitsgefühl (Parästhesie) im Bein.

In Großbritannien, wo bereits mehr als 140.000 Menschen den Biontech/Pfizer-Impfstoff erhielten, zeigten zwei Geimpfte größere allergische Reaktionen. Auch in Alaska reagierte ein Mensch nach einer Impfung mit starken Allergie-Symptomen. Der Impfexperte Kollaritsch sagte, eine derartige Frequenz von allergischen Nebenwirkungen bei hochallergischen Personen sei nicht ungewöhnlich.
Noch gibt es keine Studienergebnisse dazu, ob und welche Nebenwirkungen möglicherweise nach einem längeren Zeitraum auftreten. Dafür gibt es den Impfstoff einfach noch nicht lange genug. Die Verträglichkeit wird aber auch nach der Zulassung weiter überprüft. In Deutschland sollen geimpfte Menschen unter anderem mögliche Nebenwirkungen per App melden können.
In der Zulassungsstudie berücksichtigt wurden außerdem Probanden mit Vorerkrankungen wie Diabetes, Rheuma, Herzinsuffizienz oder Nierenerkrankungen. Andere oder stärkere Nebenwirkungen wurden in diesen Gruppen nicht berichtet, wie der Infektionsimmunologe Bogdan erklärt.
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Bei dem Präparat von Biontech/Pfizer und bei dem der US-Firma Moderna handelt es sich um mRNA-Impfstoffe. Sie enthalten genetische Informationen des Erregers, aus denen Körperzellen ein Virusprotein herstellen. Ziel der Impfung ist es, den Körper zur Bildung von Antikörpern gegen dieses Protein anzuregen, um dann bei einer späteren Infektion die Viren frühzeitig bekämpfen zu können.
Die Gefahr, dass durch den Impfstoff mRNA in das menschliche Erbgut gerät, besteht laut den Experten nicht. Ausgeschlossen ist laut Bogdan und Kollaritsch zudem, dass man sich durch mRNA-Impfstoffe die Krankheit holt, vor der man eigentlich geschützt werden soll. Laut Bogdan gilt das auch für Vektor-Impfstoffe wie den von Astrazeneca. „So etwas wäre nur möglich bei Verwendung von abgeschwächten Sars-CoV-2 Lebendimpfstoffen, die es bisher aber nicht gibt“, sagte Bogdan.