Brusthaar ist bei einem Mann zu sehen, der ein weißes Rippenshirt zu einem Jacket trägt.
Brusthaar ist bei einem Mann zu sehen, der ein weißes Rippenshirt zu einem Jacket trägt. Annette Riedl/dpa

Welcher Mann mit üppigem Brusthaar fällt Ihnen ein? „Echte Kerle“ sind behaart und zeigen das auch. So war es zumindest früher in Film und Fernsehen. Wir erinnern uns an die „James Bond“-Legende Sean Connery oder „Magnum“-Serienheld Tom Selleck. Auch David Hasselhoff zeigte in Baywatch sein Brusthaar.  Eine Tiefseekrabbenart mit einer Brustpanzerbehaarung wurde ihm und seinem Brusthaar zu Ehren von den Entdeckern 2010 Hoff-Krabe genannt. So weit so nostalgisch.

David Hasselhoff steht zu seiner Brustbehaarung.
David Hasselhoff steht zu seiner Brustbehaarung. AFP / Valery Hache

Brusthaare: In den 90ern waren die Oberkörper glatt

Denn in den 90ern brach die Zeit unbehaarter Wäschemodels und Promis  wie Mark Wahlberg und David Beckham an. Aalglatt zeigten sie ihre trainierten Oberkörper und brachten Männer mit Brusthaar zur Verzweiflung und in die Waxingstudios.  Und heute? Da wimmelt es auf Instagram von blanken Waschbrettbäuchen - und die Brusthaare sind wieder da. Als Zeichen archaischer Männlichkeit sind Brusthaare offenbar  wieder en vogue.

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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigt sich nach Russlands Angriff mit gestählter Brust im engen Tarnfarben-T-Shirt. Der französische Präsident Emmanuel Macron posierte im Wahlkampf offenherzig mit sichtbarem Brusthaar. Ist die breite, wilde Männerbrust zurück? Wie alles in der Mode kommt und geht auch der Trend Bursthaar wellenförmig.

Stilisierung von Männlichkeit

Nicht nur die behaarte Männerbrust, sondern auch die glattrasierte als Teil eines durchtrainierten Körpers ist eine Stilisierung von Männlichkeit“, sagt der Männlichkeitsforscher Toni Tholen von der Uni Hildesheim. Der Umgang von Männern mit ihrem Brusthaar unterliege - wie vieles andere auch - einem ständigen, konsumorientierten Wechsel.

Tom Selleck als Privatdetektiv Magnum in der gleichnamigen Serie.
Tom Selleck als Privatdetektiv Magnum in der gleichnamigen Serie. www.imago-images.de / Mary Evans

Der Literaturwissenschaftler Tholen hält es für möglich, dass „vor dem Hintergrund einer gesellschaftlich und politisch induzierten Remaskulinisierung“ die Behaarung wieder mehr als „Dominanzmarker“ eingesetzt werden könnte. Jedenfalls sei die Männerbrust traditionell eine zentrale Körperregion für die Modellierung von Männlichkeit.

Früher durften Männer bleiben wie sie sind

„Im Vergleich zu früheren Jahrzehnten wird der Männerkörper zunehmend ästhetisiert“, sagt auch die Psychologin Ada Borkenhagen, die derzeit am Buch „Bin ich schön genug? Schönheitswahn und Body Modification“ arbeitet. In den 70ern zum Beispiel habe kaum ein Mann daran gedacht, seinen Haarwuchs auf Brust, Bauch oder gar Rücken zu bändigen, sagt Borkenhagen. „Männer durften so bleiben, wie sie sind.“

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Das sei heutzutage ganz anders, sagt die Professorin von der Magdeburger Universitätsklinik. Zeitgleich gebe es einen Trend zur sogenannten Body Positivity, die unrealistische und diskriminierende Schönheitsideale überwinden wolle. Bei Männern gehe es da zum Beispiel um Stolz auf runde Formen, rotes Haar oder üppige Behaarung.

In Deutschland sind Brusthaare eher unbeliebt

Gerade die Körperbehaarung ist bei Männern stets ein Thema. In Deutschland ist sie recht unbeliebt. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur hervor. Lediglich jeder zwanzigste findet Brusthaar „sehr schön“ – sowohl bei Frauen als auch Männern sind es nur 5 Prozent. Es gibt auch keinen nennenswerten Unterschied zwischen Ost und West. „Gar nicht schön“ finden sie 17 Prozent. Der Rest gibt sich recht unentschieden: So finden 21 Prozent eine behaarte Brust „eher nicht schön“, 11 Prozent „eher schön“ und 39 Prozent „teils/teils“. Der Rest machte keine Angabe.

Ein bisschen über dem Schnitt, was das Schönfinden von Brustbehaarung angeht, sind Frauen zwischen 35 und 44 Jahren sowie junge Männer von 18 bis Mitte 30. Die größte Ablehnung erfährt das Brusthaar bei Mittvierzigern bis Mittfünfzigern. Das sind theoretisch die Leute, die während ihrer Kindheit oder Jugend in den 80ern mit dem haarigen Hawaii-Privatdetektiv und Krimihelden „Magnum“ konfrontiert waren. Ein Zusammenhang mit TV-Größen aus dieser Zeit ist aber völlig unklar.

Nach dem Vollbart-Hype kommt jetzt die Brustmatte?

Psychologin Borkenhagen sieht im Wellenmodus der Mode eine Chance für ein Comeback des Brusthaars. Die Brustbehaarung – allerdings nicht mehr als wilde Matte wie früher – könnte demnach die Bärte als neues ausgestelltes Männlichkeitszeichen ersetzen oder mindestens ergänzen.

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So wie der Vollbart-Hype einst in der Schwulenszene begonnen habe, könnte der Expertin zufolge die Liebe zum gepflegten und frisierten (also gestutzten, getrimmten, geschickt zurechtrasierten) Brust- und Bauchhaar bald auch zum Trend bei Heterosexuellen werden. Bei Schwulen scheint das Fachvokabular dazu (etwa „Happy Trail“ für die Haarlinie zwischen Bauchnabel und Schamhaar – auf Deutsch also die „glückliche Spur“) schon weiter verbreitet zu sein.

Männlichkeitsforscher Tholen sieht jedenfalls auch im „Trend zum penibel gepflegten Brusthaar“ ein Indiz für die Stilisierung von Männlichkeit. In der neoliberalen Gesellschaft sei es gängige Praxis, den eigenen Körper als Teil einer ständigen Selbstkultivierung zu betrachten. „Man könnte daher sagen: Auch der Trend, wieder mehr Brusthaar zu zeigen, wird – ähnlich wie beim Barthaar – dem Mechanismus männlicher Selbstoptimierung einverleibt.“