Wieder Zoff um Corona: Wenn Infizierte zur Arbeit gehen dürfen, werden sie zum Risiko für die Kollegen
CDU-Chef Friedrich Merz fordert, die Corona-Pandemie im Frühjahr 2023 für beendet zu erklären.

In der Corona-Pandemie kommen alte Debatten wieder auf. Anlass ist die Entscheidung von vier Bundesländern, die Isolationspflicht für Infizierte aufzuheben. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz schloss sich dieser Position an, der FDP-Abgeordnete und Gesundheitsexperte Andrew Ullmann hält staatliche Maßnahmen insgesamt für verzichtbar. Widerrede kommt vom Sozialverband Deutschland, dem DGB und einem Arbeitsschutz-Experten. Der macht sich Sorgen um den Betriebsfrieden, wenn ein Infizierter am Arbeitsplatz antanzt.
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Bayern und Baden-Württemberg hatten die Isolations-Regeln am Mittwoch abgeschafft, Schleswig-Holstein folgte am Donnerstag. Hessen hat noch keinen Zeitpunkt festgelegt.
Merz sagte in einem Interview, es erschein ihm verantwortbar, wie diese Länder vorzugehen. Corona-Regeln seien nur noch in einem „sehr eingeschränkten Umfang“ erforderlich. „Die Zeit der hohen Infektionsgefahr mit schwerem Krankheitsverlauf ist vorbei.“ Merz teilte noch gegen Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wegen dessen „fast schon sirenenhaften Alarmismus“ aus und verlangte, man solle „spätestens im Frühjahr nächsten Jahres Corona offiziell als beendet erklären“.
FDP-Politiker: Wir brauchen keine staatlich verpflichtenden Maßnahmen mehr
Der FDP-Politiker Ullmann sagte dem RND dazu:„Wir befinden uns in der Endphase der Pandemie und haben effektive Impfstoffe, antivirale Medikamente und eine Basisimmunisierung von über 95 Prozent. Die Krankheitslast in der Bevölkerung ist nicht so hoch wie befürchtet. Die logische Folge ist, dass wir keine staatlich verpflichtenden Maßnahmen mehr brauchen.“ Je nach Verordnung könnten diese aufgehoben werden oder auslaufen.
Das Vorgehen der Länder fand auch Widerspruch. Andreas Gassen, der Chef des Kassenarzt-Verbands, sieht einen Flickenteppich kommen.
Abschaffung der Isolationspflicht„ fragwürdig“
Stefan Hussy, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, sieht das auch so. Firmen mit Sitzen in verschiedenen Bundesländern müssten jetzt verschiedene Regeln befolgen, wenn ein Mitarbeiter positiv getestet wird. Es stelle sich auch die Frage, was Arbeitgeber tun müssen, wenn Beschäftigte, die positiv getestet sind, dennoch zur Arbeit gingen und ein Risiko für die Kollegen darstellten. Daher sei die Abschaffung der Isolationspflicht „zumindest fragwürdig“, was die Verantwortung des Arbeitgebers für die Gesundheit der Beschäftigten und den Betriebsfrieden angehe.
DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel zeigte sich „erschrocken“ über den Alleingang der vier Länder und empfahl Arbeitnehmern, „sich mit Infektionskrankheiten nach jeweils geltenden Regeln arbeitsunfähig zu melden und freiwillig Kontakte auch im privaten Umfeld drastisch zu reduzieren“.
Ursula Engelen-Kefer vom Sozialverband Deutschland befand: „Ob Isolationspflicht oder Maskenpflicht im ÖPNV: Es kann doch nicht sein, dass wir jetzt wieder dahin kommen, dass in jedem Bundesland unterschiedliche Regelungen gelten. Das ist nicht vermittelbar und schwächt die Akzeptanz der Maßnahmen.“
Sozialverband spricht von Absurdität
Es sei absurd, dass sich Arbeitnehmer mit Corona-Infektion quer durchs Land bewegen können, nur weil sie aus einem Bundesland ohne Isolationspflicht kommen und keine Symptome haben. Deshalb sollten „nachweislich eindämmende“ Maßnahmen wie die Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr beibehalten werden.
Was die Infektionzahlen angeht: Die lückenhafte Erfassung (nur positive PCR-Tests) des Robert Koch-Instituts wies am Donnerstag 33.306 Ansteckungen binnen eines Tages aus. Und 162 Covid-19-Tote.