Für 623 Menschen in Deutschland war Corona am Donnerstag überhaupt nicht vorbei: Sie mussten mit schwerer Covid-19-Erkrankung  auf einer Intensivstation behandelt werden. Anfang Januar 2021 waren es allerdings mehr als neun Mal so viele.
Für 623 Menschen in Deutschland war Corona am Donnerstag überhaupt nicht vorbei: Sie mussten mit schwerer Covid-19-Erkrankung auf einer Intensivstation behandelt werden. Anfang Januar 2021 waren es allerdings mehr als neun Mal so viele. Boris Rössler/dpa

Große Impfzentren sind geschlossen, Inzidenzwerte in den Hintergrund gerückt. Und das Covid-19-Impfzertifikat? Schon lange nicht mehr vorgezeigt. Aus Kliniken ist zu hören, Covid-19-Patienten seien Teil des Alltags geworden. Trotz dieser Entwicklungen: Auch drei Jahre nach dem ersten bestätigten Corona-Fall in Deutschland am 27. Januar 2020 werden Überlegungen zum Impfen gegen Corona nicht hinfällig. Ein Überblick, verbunden mit einigen Daten aus dem Verlauf der Pandemie in Deutschland.

Der Stand:

Seit einigen Monaten sind neue Impfstoffe vorhanden, die an die Omikron-Variante angepasst wurden. Laut Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) sollen bestimmte Gruppen wie Menschen ab 60 eine zweite Auffrischimpfung damit bekommen, um den Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf zu verbessern. Die Impfquoten für zweite Booster sind bisher jedoch niedrig und schwanken regional stark. „Ich war zwischenzeitlich enttäuscht. Ich hätte mir eine größere Akzeptanz der empfohlenen Impfungen gewünscht“, sagt Stiko-Chef Thomas Mertens.

Fast vergessen? Anfang 2021 stapelten sich im Krematorium Meißen die Särge mit Corona-Toten. Ein Bild, das es an vielen Orten hätte geben können.
Fast vergessen? Anfang 2021 stapelten sich im Krematorium Meißen die Särge mit Corona-Toten. Ein Bild, das es an vielen Orten hätte geben können. Christian Thiel/imago
Corona 2020

27. Januar: Die erste Infektion in Deutschland ist bestätigt: ein Mitarbeiter des Autozulieferers Webasto in Stockdorf bei München.
9. März: In Nordrhein-Westfalen gibt es die ersten Todesfälle in Deutschland.
22. März: Verbot von Ansammlungen von mehr als zwei Menschen. Ausgenommen sind Angehörige, die im eigenen Haushalt leben. Cafés, Kneipen, Restaurants, aber auch Friseure müssen schließen.
27. Dezember: In der Bundesrepublik beginnen offiziell die Impfungen, zuerst für Menschen über 80 Jahre, Pflegeheimbewohner sowie Pflegekräfte und besonders gefährdetes Krankenhauspersonal.

Bevölkerung mit guter Grund-Immunität

Trotz Impflücken – Fachleute sprechen unter dem Strich von einer guten Grundimmunität. Der Charité-Virologe Christian Drosten gab zu bedenken, dass das Virus jetzt zwar viel besser übertragbar sei als zu Beginn der Pandemie. Einer der Hauptgründe für die relative Ruhe derzeit sei die Bevölkerungsimmunität, die die Verbreitung des Erregers eindämme.

Dauerhafte Ruhe? Vielleicht

Wie lange dieser Schutz anhält, wird die Forschung im Auge behalten. „Das müssen wir künftig beim Aufkommen neuer Varianten sehr genau beobachten, etwa anhand von Krankenhausaufnahmen“, sagte der Direktor der Klinik für Infektiologie der Berliner Charité, Leif Erik Sander. Auch wenn es wegen der immer noch relativen Neuheit des Corona-Virus Sars-CoV-2 keine Daten zu längeren Zeiträumen gibt, sehen manche Forscher Anlass zu Optimismus. Der Immunologe Andreas Radbruch etwa geht anhand der Daten zum 2002 und 2003 umgehenden ersten Sars-Virus  von anhaltender Immunität aus.

Seit Anfang 2021 wurden in Deutschland fast 191 Millionen Impfdosen in Oberarme gespritzt.
Seit Anfang 2021 wurden in Deutschland fast 191 Millionen Impfdosen in Oberarme gespritzt. dpa
Corona 2021

19. Januar: FFP2-Masken oder OP-Masken in Bus und Bahn sowie beim Einkaufen werden obligatorisch.
21. April: Der Bundestag beschließt eine Bundes-Notbremse gegen die dritte Corona-Welle. Bei hohen Inzidenzen gelten unter anderem nächtliche Ausgangsbeschränkungen.
2. Dezember: Bund und Länder verschärfen die Regeln, um die vierte Welle zu brechen. Bei hohen Inzidenzen werden Discos geschlossen, die Besucherzahlen für Großveranstaltungen werden stark eingeschränkt.
20. Dezember: Der fünfte Impfstoff wird in der EU zugelassen.

Künftige Herbst-Booster?

Manche Mediziner äußern die Vorstellung, dass gegen Corona künftig stets im Herbst geimpft werden sollte, wie vor der Grippewelle. Sander ist allerdings skeptisch, ob die kommenden Corona-Wellen bereits so planbar in die Wintermonate fallen werden wie typischerweise bei Grippe: „Bis wir wirklich synchrone, streng saisonale Corona-Wellen haben, dürfte es noch eine Weile dauern.“ Daher seien regelmäßige Corona-Impfungen bei bestimmten, gefährdeten Gruppen womöglich alle ein bis zwei Jahre vorstellbar.

Und was sagt die Stiko? Man müsse davon ausgehen, dass primär bestimmte Risikogruppen in Zukunft weitere Auffrischimpfungen bekommen sollten, sagt Mertens. Den zeitlichen Abstand könne man wissenschaftlich noch nicht genau benennen, womöglich sei ein Jahresabstand vernünftig.

Corona 2022

16. Februar: Geimpfte und Genesene dürfen sich ohne Beschränkungen treffen. Die Begrenzung auf zehn Personen fällt weg.
24. März: Laut RKI haben die Gesundheitsämter dem Institut binnen eines Tages das Rekordhoch von 318.387 nachgewiesenen Infektionen gemeldet.
7. April: Im Bundestag scheitert ein Entwurf für eine allgemeine Corona-Impfpflicht, zunächst für Menschen ab 60 Jahren.
24. Mai: Die Stiko empfiehlt nun auch gesunden Kindern zwischen fünf und elf Jahren eine Corona-Impfung. Mitte November folgt die Empfehlung für vorerkrankte Kinder von sechs Monaten bis vier Jahren.

Wer besonders gefährdet ist

Stark vereinfacht könne man sagen, dass das Risiko für einen schweren Covid-19-Krankheitsverlauf mit dem Alter und der Zahl der Vorerkrankungen zunehme, sagt der Stiko-Chef. „Im Einzelnen muss das jeder mit seinem Arzt besprechen.“

Hinzu kämen Menschen, deren Immunsystem wegen Erkrankungen beziehungsweise Medikamenten nicht zu hundert Prozent funktioniert. Bei ihnen können Mertens zufolge auch weitere Schutzmaßnahmen wie Abstand und Masken sinnvoll sein. Menschen, bei denen die Impfung gar nicht wirkt, sollten Sander zufolge im Fall einer Corona-Infektion auch sehr früh behandelt werden. „Zum Beispiel mit antiviralen Präparaten lässt sich das Risiko einer schweren Erkrankung sehr deutlich verkleinern.“

Schutz vor (Wieder-)Ansteckung

„Der Schutz vor schwerer Erkrankung durch die Impfungen ist sehr gut, aber das Vermeiden einer Reinfektion ist mittels Impfung höchstens für einen kurzen Zeitraum möglich“, sagte Mertens. Für Menschen ohne Risiken für schweres Covid-19 erwarte er daher derzeit auch keine Ausweitung der Impfempfehlung.

Für den Charité-Infektiologen Sander ist denkbar, dass Jüngere mit gesundem Immunsystem womöglich nur noch alle paar Jahre eine Auffrischung brauchen, falls das Virus selbst nicht mit wiederholten Infektionen für die Auffrischung sorgt. Perspektivisch sei auch mit weiterentwickelten Impfstoffen zu rechnen.

Oberbürgermeister Heinrich Kohl von Aue-Bad Schlema (Sachsen) belohnte im August 2021 Impfwillige mit aus eigener Tasche bezahlten Bratwürsten.
Oberbürgermeister Heinrich Kohl von Aue-Bad Schlema (Sachsen) belohnte im August 2021 Impfwillige mit aus eigener Tasche bezahlten Bratwürsten. Harry Haertel/imago

Gefährdete Menschen weiter impfen

Die Zeit der Lockaktionen, etwa mit Gratis-Bratwurst für Impfwillige, sind  vorbei. Anstrengende, langfristige Arbeit stehe bevor, um gefährdete Menschen künftig mit Impfangeboten zu erreichen, sagte Sander. Eines stört ihn: „Manche verbreiten jetzt im Nachhinein die Erzählung, dass die Corona-Impfung überflüssig gewesen sei. Dabei war sie vielmehr der entscheidende Schalter, um aus der Pandemie herauszukommen.“

Der erste Nachweis einer Corona-Infektion in Deutschland war am 27. Januar 2020 in Bayern bekanntgegeben worden. Mit Stand 25. Januar 2023 wurden dem RKI mehr als 37,7 Millionen im Labor bestätigte Infektionen gemeldet. Hinzu kommen unzählige weitere unter dem Radar.

Die Zahl der Gestorbenen in dem Zusammenhang liegt mittlerweile bei über 165.000.