Corona mit Pillen stoppen – wem das Medikament Paxlovid helfen kann
Oh Schreck, ein positiver Corona-Test. Was man als älterer und/oder vorerkrankter Mensch über die Corona-Pille wissen sollte.

Es soll gegen Corona helfen, aber bisher wird es kaum genutzt: das Medikament Paxlovid gegen Covid-19 von Pfizer. Dabei hat Gesundheitsminister Lauterbach groß eingekauft. Sage und schreibe eine Million Packungen wurden beschafft. Aber erst 64.000 Einheiten sind bisher an Apotheken ausgeliefert worden. Und Experten warnen jetzt schon: Der große Vorrat darf kein Grund sein, die Therapie in den nächsten Monaten öfter im Frühstadium von Covid-19 zu verschreiben, um das Mittel nur irgendwie unter die Leute zu bringen. Denn hilft das Medikament überhaupt?
Paxlovid: Angst vor Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten
Das Medikament des US-Unternehmens Pfizer, eine Kombination der Wirkstoffe Nirmatrelvir und Ritonavir, war Ende Januar in der EU bedingt zugelassen worden. Von Beginn an dämpften einige Fachleute die Erwartungen: Das Mittel sei kein Game-Changer in der Pandemie, belegt sei ein Nutzen nur für die Gruppe der Ungeimpften über 65. Die Effektivität war zudem gezeigt worden, als Omikron noch keine Rolle spielte, sondern gefährlichere Vorgänger wie Delta. Mediziner standen im Frühjahr somit vor der Frage, ob Paxlovid in der neuen Lage noch nötig sein würde. Zurückhaltende Verschreibungen hingen zudem wohl auch mit möglichen Wechselwirkungen mit vielen anderen gängigen Medikamenten zusammen.
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Für zusätzliche Verunsicherung sorgten Berichte über Fälle, in denen mit der Arznei behandelte Patienten einen Rückfall erlitten: Auf negative Tests folgten erneut positive. Wohl prominentestes Beispiel in diesem Sommer war US-Präsident Joe Biden. Nach US-Daten sind Krankenhausaufnahmen und Besuche in Notaufnahmen in solchen Fällen jedoch selten. Einer aktuellen Studie im New England Journal of Medicine zufolge sind Rückfälle zudem bei Paxlovid-Patienten fast so selten wie bei Infizierten, die ein Scheinmedikament erhalten hatten.
Wirkung bei Älteren nachgewiesen, kein Nutzen bei jüngeren Erwachsenen
Seit Kurzem ist es Arztpraxen, Krankenhäusern und vollstationären Pflegeeinrichtungen erlaubt, mehrere Packungen Paxlovid über ihre regelmäßige Bezugsapotheke zu beziehen und vorzuhalten. So sollen die Tabletten schneller und unkomplizierter zum Patienten gelangen. Hinzu kommen neue Daten aus der Anwendung in anderen Ländern, die auch Verläufe bei Menschen mit Covid-19-Impfungen berücksichtigen.
US-Forscher etwa werteten Krankenkassendaten in Hinblick auf Besuche in der Notaufnahme, Krankenhausbehandlungen und Todesfälle wegen Covid-19 aus. Verglichen mit unbehandelten Patienten stellten sie ein verringertes Risiko bei mit Paxlovid behandelten Corona-Infizierten fest. Die relative Risikoreduktion wurde im Journal Clinical Infectious Diseases mit 45 Prozent angegeben.
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Ergebnisse einer Studie mit israelischen Krankenkassendaten stützen den Einsatz bei älteren Patienten auch in Omikron-Zeiten. Wie das Autorenteam im New England Journal of Medicine festhält, fielen bei Patienten über 65, die Paxlovid bekamen, die Raten von Krankenhausbehandlungen und Tod wegen Covid-19 signifikant niedriger aus als bei nicht damit behandelten Infizierten. „Bei jüngeren Erwachsenen wurden jedoch keine Hinweise auf einen Nutzen gefunden.“
Das sagen Ärzte zu Paxlovid
Für Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) lautet das Fazit trotz dieser Einschränkung: „Menschen ab 65 Jahren oder mit unvollständiger Corona-Impfserie oder mit schweren Vorerkrankungen profitieren auch in Omikron-Zeiten von Paxlovid.“ Das Mittel habe sich zudem als deutlich effektiver als die Alternative Molnupiravir erwiesen. Für Jüngere ohne Immunschwäche und vollständig Geimpfte müsse es aber nicht propagiert werden. „Es darf auch keinen Verwendungsdruck vor dem Hintergrund zu viel eingekaufter Dosen geben“, mahnte Kluge.
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Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (Degam), Martin Scherer, erklärte auf Anfrage: „Paxlovid kann gerade bei älteren Menschen mit mehreren chronischen Erkrankungen und einem eingeschränkten Immunschutz schwere Verläufe verhindern, es sollte daher bevorzugt bei Menschen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf eingesetzt werden.“ Der Einsatz sei auch bei geimpften Risikopatienten, die keinen ausreichenden Immunschutz aufbauen konnten, zu befürworten.