Spritzen mit einem Impfserum
Spritzen mit einem Impfserum Foto: imago images/Future Image

Berlin - Viele Hoffnungen richten sich darauf, dass bald ein Corona-Impfstoff zur Verfügung steht. Die Hoffnungen werden auch bewusst geschürt, nicht zuletzt aus politischem Kalkül. Bereits Mitte August verkündete der russische Präsident Wladimir Putin die weltweit erste Zulassung eines Corona-Impfstoffs. Sein Name: „Sputnik V“. Und auch US-Präsident Donald Trump soll auf die Eilzulassung eines Impfstoffs drängen, wie die „Financial Times“ berichtete. Die US-Bundesstaaten sollen für eine Verteilung ab dem 1. November bereit sein.

Ein Impfstoff könne erst dann eingeführt werden, „wenn er sich in einer randomisierten, kontrollierten Studie als sicher und wirksam erwiesen hat“, hielt Trumps Pandemieberater Anthony Fauci im „Spiegel“ dem Ansinnen Trumps entgegen. Und auch der russische Impfstoff soll zunächst weiter getestet werden. Seine „Einführung in den zivilen Verkehr“ sei vom Gesundheitsministerium für den 1. Januar 2021 geplant, wie die „Pharmazeutische Zeitung“ berichtete.

Die Schritte bis zu einer Einführung eines Impfstoffs sind international exakt vorgeschrieben. Zu ihnen gehören drei Phasen der Erprobung: zunächst mit 10 bis 30 Freiwilligen zur Verträglichkeit (Phase I), dann mit bis zu 1000 Freiwilligen zur Dosierung und Immunantwort (Phase II) und schließlich mit mehreren Tausend Freiwilligen zur Prüfung der Zuverlässigkeit des Schutzes (Phase III).

International laufen mindestens 183 Impfstoffprojekte, wie das Portal des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) mitteilt. Geforscht wird an verschiedenen Arten von Impfstoffen. Deutschland ist mit zwölf Forschungseinrichtungen und Unternehmen daran beteiligt. Nach Aussagen des Bundesforschungsministeriums befinden sich weltweit 33 sogenannte Impfstoffkandidaten in klinischen Studien. Sechs davon werden bereits in der Phase III erprobt. Weit vorn mit dabei sind etwa das US-Unternehmen Moderna, der britisch-schwedische Hersteller AstraZeneca und das Mainzer Unternehmen BioNTech im Tandem mit Pfizer. Letztere testen ihren Impfstoffkandidaten an bis zu 30.000 Probanden weltweit. Berichten zufolge könnte bereits im Oktober der Antrag auf Zulassung bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA gestellt werden. Die US-Arzneimittelbehörde FDA hatte bereits Mitte Juli ein beschleunigtes Zulassungsverfahren genehmigt.

Wie Impfstoffe entwickelt werden - verschiedene Herangehensweisen. 
Wie Impfstoffe entwickelt werden - verschiedene Herangehensweisen.  Grafik: dpa

„Man muss aktuell davon ausgehen, dass es frühestens 2021 einen Impfstoff gegen Covid-19 in relevanten Mengen geben wird“, heißt es aus dem Robert-Koch-Institut (RKI). Erste Zulassungen könnten frühestens Ende des Jahres/Anfang 2021 erteilt werden, sagte jüngst eine Sprecherin des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), das in Deutschland für Impfstoffe verantwortlich ist. Und neben der Zulassung der Impfstoffe geht es auch um die Produktionskapazitäten. Denn es müssen Milliarden Impfdosen hergestellt werden. Bereits jetzt kaufen Staaten vorsorglich in großem Stil ein.

„Bis vor wenigen Jahren hätte man von der Virusanalyse bis zur Zulassung des Impfstoffs 15 bis 20 Jahre angesetzt“, teilt der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) mit. Neue Technologien und Erfahrungen hätten eine enorme Beschleunigung möglich gemacht. Die Forscher können auf Erfahrungen mit anderen Coronaviren – etwa MERS-CoV und Sars-CoV-1 – zurückgreifen. Ein Impfstoff müsse nicht nur wirksam sein, sondern auch sicher, erklärt das Bundesforschungsministerium – „das bedeutet, er darf keine Gesundheitsschäden verursachen“. Laut EMA und FDA müsse die Sicherheit in großen Phase-III-Studien auch ausreichend belegt sei. Von dem wissenschaftlich vorgeschriebenen Weg wollen die Arzneimittelbehörden keinen Schritt abweichen.

Dass es dennoch Risiken gibt, ist nicht auszuschließen, vor allem was längerfristige Folgen betrifft. Ein Beispiel sind die Fälle von Narkolepsie, die infolge der Impfungen gegen die sogenannte Schweinegrippe 2009/2010 mit dem Impfstoff Pandemrix aufgetreten sind. Forscher haben festgestellt, dass dies Ergebnis einer Autoimmunreaktion war, in Verbindung mit einer nicht von der Impfung ausgelösten Entzündung oder Infektion. So etwas ist selbst in den umfangreichsten Tests kaum vorhersehbar. Aber es ist wichtig, den Weg bis zu einem Impfstoff nicht noch durch zusätzlichen politischen Druck zu verkürzen.