Ein Orang-Utan im Dresdner Zoo.
Ein Orang-Utan im Dresdner Zoo. Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Wenn Orang-Utan Toni – ein altgedienter Bewohner des Dresdner Zoos – dieser Tage Trübsal bläst, liegt das nicht unbedingt am Fernsehprogramm. Da er wegen des Lockdowns momentan keine Besucher „empfangen“ kann, hat man ihm einen Fernseher vor die Scheibe gestellt. „Toni ist nicht lethargisch, aber schlecht gelaunt“, sagt der Zoologische Leiter Wolfgang Ludwig. Da Toni als Handaufzucht in der Familie eines Tierpflegers aufgewachsen sei, hätten Menschen für ihn eine ganz andere Bedeutung. Deshalb soll er nun mit Fernsehen Ablenkung bekommen und bei Laune gehalten werden.

Manche Tiere vermissen die Besucher

So wie in Dresden sind viele Tierparks und Zoos derzeit bemüht, ihren Bewohnern die Zeit ohne Besucher zu erleichtern – mit zusätzlichen Beschäftigungstherapien. Im „Zoo der Minis“ in Aue, der sich auf Miniaturausgaben von Tierarten spezialisiert hat, ist Zwergspitz Mutzel als Animateur für Alpakas, Krallenaffen oder Zwergotter im Dienst. Pfleger hatten bemerkt, dass manche Tiere besonders auf Gäste mit Hund reagieren. Nun sind Mitarbeiter extra im Spazierschritt mit Mutzel unterwegs, um Besucher zu simulieren. Denn bei Eiltempo würden sie schnell als Pfleger enttarnt, sagt Chefin Bärbel Schroller.

„Einige Zootiere sehen auch die Besucher als Bereicherung ihres Lebensraumes an und interagieren auf unterschiedliche Weise mit ihnen“, berichtet Schroller. Wolfgang Ludwig in Dresden will das nicht an Tierarten festmachen, sondern eher an Individuen. Einzelne Tiere hätte aufgrund ihrer Biografie eine stärkere Bindung an Menschen oder seien den Umgang mit ihnen gewöhnt: „Es gibt aber auch Tiere, die von Natur aus gerne beobachten und für die Besucher deshalb interessant sind. Der Spaß und die Freude am Beobachten fehlen jetzt.“

„Natürlich tragen Besucher immer dazu bei, den Alltag für unserer Bewohner abwechslungsreicher zu gestalten. Durch Corona sei diese Art von ‚Besucherfernsehen‘ nun abgeschaltet“, meint Stefanie Jürß vom Zoo Hoyerswerda. Die Tiere würden nun mit abwechslungsreicher und kreativer Futtergabe beschäftigt. „Die verpackten Leckereien können dabei ganz unterschiedlich sein: ein ausgemusterter Fußball mit Fleischstückchen für Tigerdame Irina. Ein mit Heu und Mehlwürmern gefüllter Karton für die Erdmännchen, Affe und Co.“ Manchmal würden schon ein paar Gewürze oder Bauklötze, bestrichen mit Apfelmus, genügen, um die Geschmacksknospen der Zootiere zu erfreuen.

Möglicher Corona-Babyboom bei den Zootieren

Auch im Tierpark Chemnitz ist man der Meinung, dass den Tieren das „Fernsehprogramm Besucher“ fehlt. „Besucher anzuschauen, ist ja für viele Tiere auch eine Art der Beschäftigung. Man merkt bei einigen Tieren, dass sie auf die Mitarbeiter stärker als sonst reagieren“, berichtet die Verwaltung. Doch einzig die Hausziegen im Streichelzoo würden Gäste wohl richtig vermissen: „Sie sind die einzigen Tiere mit Direktkontakt zu den Besuchern, ihnen fehlen die Streicheleinheiten.“

„Zootiere unterliegen nicht den gleichen Reizen wie ihre Verwandten in der Natur“, erklärt Isa Plath, Chefin der Zoopädagogik im Naturschutz-Tierpark Görlitz. Flucht- und Jagdverhalten, die Suche nach Partnern für eine Paarung seien reduziert: „Langeweile ist jedoch wenig erstrebenswert und kann zu Stereotypien führen. Tierbeschäftigung wirkt dem entgegen.“ In Görlitz können im Lockdown im Zoo nun einige Tiere frei herumlaufen, zum Beispiel das Trampeltier. Die Aras hören Radio, und das Futter wird schön versteckt: „Auch Umbaumaßnahmen sorgen für neue Umweltreize.“

„Noch mehr als sonst ist Kreativität bei der Fütterung gefragt“, sagt auch Bärbel Schroller vom „Zoo der Minis“. Das Futter werde in Kartons gepackt, im Gehege versteckt oder schwer erreichbar aufgehängt. Die Krallenäffchen bekämen etwa gefaltete Zettel mit versteckten Leckereien: „Da aber auch ‚Nieten‘ dabei sind, beschäftigen sich die Tiere intensiv damit.“ Zudem lasse man in diesen Tagen verträgliche Tierarten, die geografisch nicht wirklich zusammenpassen und ansonsten in getrennten Gehegen leben, zeitweise zusammen.

Zumindest eine fruchtbare Auswirkung der Corona-Pandemie hat Bärbel Schroller bemerkt: „Manche Tiere nutzen die ruhigere Zeit auch zur Vermehrung. Unsere Zwergaras haben seit Jahren nicht mehr erfolgreich gebrütet, sicher auch, weil sie sich sehr viel mit den Besuchern beschäftigen und ihnen die Brut wahrscheinlich zu langwierig war. Während des Lockdowns haben sie nun erfolgreich gebrütet.“