Drama in Rudolstadt

Corona-Ausbruch: 28 Tote in Pflegeheim in Thüringen – Angehörige hatten Bewohner von einer Impfung abgeraten

Nach Angaben des Heimbetreibers hatten alle 28 Gestorbenen einen Bevollmächtigten oder Betreuer. 22 von ihnen seien nicht vollständig geimpft gewesen.

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In diesem Seniorenheim im thüringischen Rudolstadt sind 28 Menschen mit Coronainfektion gestorben.
In diesem Seniorenheim im thüringischen Rudolstadt sind 28 Menschen mit Coronainfektion gestorben.Christopher Koch/tba/dpa

Insgesamt 28 Menschen sind nach einem Corona-Ausbruch in einem Seniorenheim in Rudolstadt in Thüringen gestorben. In dem Heim mit ehemals 141 Bewohnern gebe es aktuell zudem noch bei sechs Bewohnern positive Corona-Tests, teilte das Landratsamt Saalfeld-Rudolstadt mit. In den letzten Tagen gab es immer wieder Nachmeldungen: So hatte das Landratsamt am Freitag erst 18 Todesfälle gemeldet.

Insgesamt sei rund ein Drittel der Bewohnerinnen und Bewohner nicht geimpft, hatte die Behörde vergangene Woche mitgeteilt. Von den 18 gemeldeten Todesopfern vom Freitag habe bei 14 kein vollständiger Impfschutz bestanden.

Der designierte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte entsetzt reagiert und von „völliger Unvernunft“ gesprochen. Nach Angaben des Thüringer Gesundheitsministeriums hatte es ausreichend Impfangebote in dem Heim gegeben. Die tragischen Ereignisse hätten ihren Ursprung in der bewussten Ablehnung der Impfung durch Bewohner und deren Angehörigen, hatte eine Sprecherin mitgeteilt. Nach Angaben des Heimbetreibers hatten alle 28 Gestorbenen einen Bevollmächtigten oder Betreuer. 22 von ihnen seien nicht vollständig geimpft gewesen.

Bewohner waren nicht vollständig geimpft

Nun fordert die Deutsche Stiftung Patientenschutz eine Debatte über den Umgang mit Corona-Impfentscheidungen von Menschen, die unter Betreuung stehen. Eigentlich seien in solchen Fällen die behandelnden Ärzte in der Verantwortung, ein Betreuungsgericht anzurufen, um den Willen der Bewohner zu klären, sagte Vorstand Eugen Brysch der Deutschen Presse-Agentur. Das sei grundsätzlich nötig, wenn sich die Meinung von Arzt und Bevollmächtigten in Betreuungsfragen unterschieden. „Alles andere ist fahrlässig.“

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In anderen Fällen sei es gelebte Praxis, dass in Betreuungsfragen, in denen sich die Meinungen von Ärzten und Vormunden unterscheiden, ein Gericht angerufen werde, das binnen 24 Stunden entscheiden könne, sagte Brysch weiter. Nach Angaben des zuständigen Betreuungsgerichts in Rudolstadt waren weder von Bewohnern, Ärzten oder der Heimleitung selbst entsprechende Anträge eingegangen. Grundsätzlich sei das aber auch bei Impffragen möglich, erläuterte ein Sprecher.

Der Heimbetreiber teilte mit, dass es aus seiner Sicht keine Anhaltspunkte für eine nicht ordnungsgemäße Wahrnehmung der Betreuung gegeben habe. Warum eine Impfung abgelehnt werde, sei in der Regel nicht nachprüfbar.

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Fälle wie in Rudolstadt werde es in Zukunft häufiger geben, sagte Brysch. Er vermute, dass das auch schon in anderen Heimen vorgekommen sei. Es müsse daher schnell und allgemein geklärt werden, wie damit umzugehen sei. Damit könne man nicht warten, bis eine allgemeine Impfpflicht eingeführt ist. „Wir sind mitten in einer Pandemie und haben heute 900 000 Pflegeheimbewohner, bei denen geklärt werden muss, wer Verantwortung trägt.“ Ein Nein des Betreuers oder Bevollmächtigten reiche nicht aus, es müsse der Willen des Patienten geklärt werden.