Bunte Bilder satt: Vor 10 Jahren ging Instagram an den Start
Erst kam das Smartphone, dann der Wunsch, seine Fotos auf einer Plattform zu verbreiten. Instagram ist eine der letzten großen Ideen aus dem Silicon Valley.

Celebrities wie Kim Kardashian West, Katy Perry und Leonardo DiCaprio kündigten vor zwei Wochen an, dass sie ihren Instagram-Account für 24 Stunden ungenutzt lassen wollten. Das sollte ihr Protest gegen die Methoden des Mutterkonzerns Facebook sein. Einen Tag – länger waren die Weltstars nicht bereit, der Plattform fernzubleiben. Im Netz hagelte es Protest. Und am Ende war Instagram der Sieger. Nicht mal Weltstars erlauben sich eine längere Abstinenz, das war die Botschaft, die vom vermeintliche Widerstand übrig blieb.
Das ist nur ein Beispiel aus jüngster Zeit mit der sich zeigen lässt, wie groß Instagram inzwischen geworden ist. Weltweit gibt es keine Stars, keine Influencer, keine Musiker, keine Groß-Unternehmen und keine Profisport-Vereine, die es sich erlauben könnten, nicht präsent zu sein auf der Plattform. Weltweit gibt es 1,082 Milliarden aktive Nutzern, damit liegt die Plattform im weltweiten Ranking zwischen den chinesischen Apps WeChat und TikTok auf Platz sechs.
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Wer im Netz nach Antworten sucht, warum Instagram so erfolgreich geworden ist, der findet vor allem den Hinweis, dass die Idee, Geschichten anhand von Fotos zu erzählen, perfekt in die Zeit der Smartphones passt. Was können denn kleine Kinder zuerst: Bilderbücher studieren oder Texte lesen? Genau, das ist der entscheidende Punkt: Lesen ist auch für Erwachsene noch anstrengender als sich bunte Bilder anzusehen.
Welt der Smartphones in rasanter Veränderung
So ähnliche Überlegungen müssen die beiden Stanford-Absolventen Kevin Systrom und Mike Krieger im Frühjahr 2010 gehabt haben, als sie in San Francisco begannen, einen Fotodienst zu entwickeln. Drei Jahre zuvor war das iPhone auf den Markt gekommen und hatte die Welt der Smartphones dramatisch verändert. Telefonieren war noch wichtig, aber die Qualität der integrierten Kamera machte es endlich möglich, auch gute Fotoaufnahmen zu machen. Systrom und Krieger erkannten schnell, dass viele Smartphone-Nutzer ihre Fotos gerne mit Freunden teilen wollten. So ging es los.
Der Name Instagram soll dabei an das Telegramm erinnern und Sofortbildkameras. Am 6. Oktober 2010 erschien die App im Apple-Store – der Ansturm darauf zwang die Server schon in den ersten Stunden in die Knie. In einer Reportage der New York Times erinnerten sich die Instagram-Gründer an 25.000 User in den ersten 24 Stunden und 300.000 in Woche drei. Sie hatten mit Instagram – und dem Service, kostenlos die Fotos mit Filtern bearbeiten zu können – den Nerv der Zeit getroffen.
Schnell wurde Instagram auch die weltweit beliebteste Plattform für Selfies. Duckface und Influencer sind weitere Fachbegriffe, die erst mit Instagram so richtig bekannt wurden. „Wir sind in das Zeitalter der ‚Internet-Realität‘ eingetreten, in dem wir nur durch das existieren können, was wir auf sozialen Medien posten“, analysiert Michaël Stora, Psychologe und Vorsitzender des Forschungskollektivs Observatorium für digitale Welten (OMNSH) in Frankreich. „Ich mache Selfies, also bin ich“, fasst der Wissenschaftler zusammen.
Fotos teilen auf der Plattform
Aber es ist nicht dabei geblieben, dass Freunde ihren Freunden Fotos auf der Plattform zeigen. Instagram hat seither die Art und Weise verändert, wie die Menschen essen, reisen und konsumieren. Insbesondere die Luxusindustrie profitiert davon, da die Labels nun über ihre eigenen Konten täglich mit den Nutzern interagieren könnten, erklärt die Modehistorikerin Audrey Millet: „Indem sie Gratis-Inhalte veröffentlichen, öffnen sie sich für jedermann und legen damit das snobistische Image ab, das ihnen bisher anhaftete.“
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Auch in der Gastronomie hat die App für Veränderungen gesorgt: Seit Nutzer Fotos ihres Avocado-Toasts posten oder ihren Latte Macchiato auf Instagram verewigen, setzen Restaurantbetreiber zur Kundengewinnung auf sorgfältig inszenierte Fotos von Speisen und Interieur. Einige bieten Tischreservierungen direkt über Instagram, manche achten auch darauf, dass die Gerichte auf den Tellern dem Instagram-Format entsprechen, und dass die Ausleuchtung des Tisches die Gerichte ins beste Licht rückt, versteht sich von selbst. Um Ernährung ging es auch beim weltweit erfolgreichsten Instagram-Post: Im Januar 2019 wurde das Fotos eines Eies mehr als 58 Millionen Mal geliked.
Da Instagram auch zur Urlaubsplanung genutzt wird, stützen sich viele Tourismusbüros bei der Werbung für ihre Destinationen. Oft schicken Reiseveranstalter Influencer auf gesponserte Reisen, im Gegenzeug posten sie ihre Erfahrungen und bekommen dafür zusätzlich Geld. So läuft das Geschälft. Was dabei erlaubt, welche Art von Werbung durchgeht, darüber mussten im vergangenen Jahr sogar Gerichte entscheiden.
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Kritiker sprechen von einer perfekten Scheinwelt. Was dazu passt: Früher bekamen Schönheitschirurgen den Auftrag, die Kundinnen wie Weltstars aussehen zu lassen, inzwischen wollen die Leute aussehen wie ihr mit Filtern bearbeitetes Porträtbild auf Instagram.
Und unklar ist noch, wie es mit Instagram weitergeht. Im Hintergrund arbeitet der Mutterkonzern Facebook daran, seine erfolgreichen Produkte, zu denen auch WhatsApp gehört, noch stärker zusammenzubringen, damit eine mögliche Zerschlagung des Konzerns, wie er zurzeit in den USA diskutiert wird, keine Option mehr sein kann.