Der Berg ruft viel zu viele Menschen. Die bayerischen Alpen stehen vor dem Freizeitkollaps.
Der Berg ruft viel zu viele Menschen. Die bayerischen Alpen stehen vor dem Freizeitkollaps. Foto: dpa/Angelika Warmuth

Frühmorgens im Nationalpark Berchtesgaden: ein Auto im geschützten Gebiet. Eine Touristin ist an Schranken und Verbotsschildern vorbeigefahren, hat ihr Zelt aufgestellt – „zweifellos an einer wunderschönen Stelle“, sagt der Ramsauer Tourismusdirektor Fritz Rasp. „Es hat ausgesehen wie Kanada pur. Aber es ist halt so nicht akzeptabel.“ Rasp benachrichtigt die Ranger, die auch zum Ostufer des Königssees ausrücken müssen. Dort steigt Rauch auf. Die Ranger finden einen mit Leinennachthemd und Schaffellen bekleideten jungen Mann, der im Schutzgebiet kampiert und ein Lagerfeuer angezündet hat – Anzeige.

Zahlreiche Menschen am Ufer des Walchensees.
Zahlreiche Menschen am Ufer des Walchensees. Foto: dpa/Stephan Jansen

Der Ort Ramsau im Berchtesgadener Land, der als Bergsteigerdorf auf naturnahen Tourismus setzt, aber auch die Gegend um den Watzmann, der Königssee und das Zugspitzgebiet: In diesem Jahr ist der Ansturm auf Bayerns Bergwelt noch größer. Dabei drohte hier schon früher der Freizeitkollaps. Autoschlangen durch Dörfer, Müllhaufen – der Tourismus brachte Ausflugs-Hotspots schon vor der Corona-Krise an den Rand der Belastbarkeit. Nun suchen noch mehr Menschen Erholung in den Alpen.

Am malerisch zwischen Bergketten gelegenen Walchensee stehen tagsüber manchmal bis zu 4000 Autos. „Wir merken Corona extrem“, sagt der Gemeindeleiter des nahen Ortes Jachenau, Felix Kellner. „Man spürt sowohl am See als auch in den Bergen, dass extrem viele Leute da sind.“ Schon vor Wochen war der Andrang so groß, dass ein zusätzlicher Parkplatz für 300 Autos geschaffen wurde. Die rund 400 Gästebetten in Jachenau seien bis September ausgebucht.

Die wildromantische Landschaft rund um den Walchensee verleitet zum verbotenen Kampieren. Wildcampen ist in diesem Sommer mehr denn je ein Problem. Wohnmobile sind ausgebucht wie nie – aber es gibt nicht mehr Stellplätze. Viele scheuen die Übernachtung in Pensionen oder Hotels; auf Berghütten gibt es wegen der Abstandsregeln nur begrenzt Plätze. Mancher schlägt da lieber gleich das eigene Zelt auf. Doch das ist nicht nur im Nationalpark verboten. 

Mit Mundschutz in der Gondel: einige von derzeit sehr vielen Alpenurlaubern.
Mit Mundschutz in der Gondel: einige von derzeit sehr vielen Alpenurlaubern. Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Besonders die smaragdfarbene Bergseen locken. Am Schrecksee im Allgäu, auf 1800 Metern Höhe, standen schon früher teils Dutzende Zelte. Schlieren von Sonnencreme zogen sich über das grünblaue Wasser. Am Hintersee bei Ramsau standen laut dem Touristiker Rasp nach den ersten Corona-Lockerungen an die 50 Camper. Ein Problem sind auch die Hinterlassenschaften in den Büschen – nicht alle Camper haben mobile Toiletten. Die Einheimischen reagieren zunehmend genervt.

Besonders schlimm sei es gewesen, als die Grenzen nach Österreich und Italien zu waren, sagt Rasp. Nun habe sich die Lage entspannt. Es sei nicht so, dass man Touristen nicht wolle. Hotellerie und Gastronomie freuten sich über die Gäste. Das Problem sei die schiere Masse.

„Die sozialen Medien spielen hier eine Rolle“, sagt Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein. Instagram-Bilder versprechen einsame Idylle – die längst überlaufen ist. Das Phänomen sei nicht neu, sagt Bucher. Aber: „In diesem Jahr ist es stärker als sonst.“ Dennoch gebe es Gegenden ohne Massenansturm – zumindest, bis sich auch die im Hype entwickelt.